Vielleicht erinnerst du dich. Am 02. Mai 2006 berichtete ich unter dem Titel "Marathon, die schnellere 2. Hälfte" über den Erfolgsgarant Tempozurückhaltung im ersten Abschnitt. Zur Erinnerung daran noch einmal der Abschnitt aus diesem Artikel, der sich mit den Hintergründen dieser Marathontaktik befasst:
"Was ich habe, das habe ich!" Warum wählen denn nun so viele Läufer doch ein zu schnelles Anfangstempo? Das ist eigentlich leicht erklärt: Ein Läufer weiß ganz genau, dass er im Training in der Regel auf der zweiten Hälfte der Distanz langsamer wird. Diese Erfahrung projiziert er nun in den Wettkampf herein und dort muss er dann aufgrund seiner Erfahrung zwangsläufig schneller angehen, um die gewünschte Endzeit zu erreichen.
Leider unterschätzt er dabei aber die Kraft der Hormone im Wettkampf. Die Stresshormone, hauptsächlich Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol oder kurz die Katecholamine sind die Leistungsanschieber im Rennen. Wer den Kampf mit Zeit und Gegner sucht, den stattet das Gehirn mit einer gehörigen Menge von Katecholaminen aus. Und das Schöne daran ist, dass der Gehalt dieser Stresshormone im Verlauf des Rennens immer weiter ansteigt.
Gleichzeitig ist unser Organismus so freundlich uns mit Endorphinen zu versorgen. Diese Hormone regeln Empfindungen wie Schmerz und Hunger, allgemein werden sie als körpereigenes Opium oder Morphin bezeichnet. So kann eine kleine Blase im Training schon größte Schmerzen bereiten und zur Beendigung des Trainings zwingen. Im Wettkampf kann aber unter Umständen der selbe Mensch selbst mit blutenden Füßen noch ohne große Schmerzen weiter laufen. Endorphine werden auch mitverantwortlich gemacht für die Entstehung einer Euphorie im Rennen. So fliegt dann ein Läufer von Stresshormonen aufgeputscht, von Endorphinen beglückt und schmerzbetäubt dem Ziel entgegen.
Wie du siehst, ist für die schnellere zweite Hälfte im Marathon alles geregelt. Du musst es nur glauben wollen und die Nerven haben, dich am Anfang zurückzuhalten. Dann kannst auch du einmal das Glück erleben, die letzten 21,1 km schneller laufen zu können als die ersten.
Nun das ist die Theorie, aber wie geht man in der Praxis mit dieser Taktik um? Wie viel langsamer muss ich am Anfang laufen? Ab wann kann ich schneller werden? Hole ich denn die "verlorene" Zeit auch wirklich ein? Diese Fragen wirst du dir sicher nicht allein stellen.
Um dir zu helfen, habe ich einen Rechner konstruiert, mit dem du deine Marathontaktik sekundengenau ermitteln kannst. Bitte vertraue dich diesem Verfahren an. Heute rennen auch fast alle internationalen Siegläufer im Rahmen dieser Taktik. Du wirst sehen, dass auch du damit zu Recht kommst. Du musst nur den Mut haben sie anzuwenden.
Wenn du im Zieleinlauf dann über deine neue Bestzeit jubelst, dann freust du dich noch viel mehr, wenn du eine schnellere zweite Hälfte hingelegen konntest. Und es wird dir runter gehen wie Schlagsahne, wenn du deinem Holger Meier so ganz nebenbei stecken kannst: "Na Holger, wieder zu schnell angegangen? Ich bin die zweite Hälfte schneller gelaufen als die erste."