Mir ist dieser Tage etwas aufgefallen, was ich einmal Trainings-Pessimismus nennen möchte. Dieses Verhalten ist weit verbreitet und wirkt sich wie eine feste Klammer an der alten Bestzeit aus.
Du so wie auch ich, wir haben feste Trainingsrituale und laufen immer wieder die gleichen Einheiten und dieselben Strecken. Mal etwas langsamer, aber auch eben so oft mit einem höheren Tempo. Wir können genau einschätzen wie lange wir für diese Übungen brauchen und auch wie wir uns danach fühlen.
Solch ein Training haben wir gerne, weil es keine unangenehmen Überraschungen für uns in sich birgt. Leider kommt es aber auch kaum zu positiven Überraschungen, denn wir dümpeln in jedem Wettkampf um unsere eigenen Hausrekorde herum. Denn dieses Training ist eigentlich nur noch eine Erhaltensmuster zum Erhalt der Leistungsfähigkeit, unser Körper verrichtet nur noch seine gewohnte Leistung.
Es fehlen die Reize. Ein Organismus entwickelt sich nur weiter, wenn man ihn in eine Mangelsituation versetzt. Und Mangel hat niemand gerne, denn dieser ist immer mit unangenehmen Gefühlen verbunden. Training ist nun aber nichts anderes als Produktion von Mangel. Wir nehmen dem Körper die Kraft, damit er mehr davon bevorratet. Je mehr wir ihm nehmen, desto mehr Vorräte legt er (natürlich nur bis zu einer bestimmten Grenze) an.
Gegen so eine künstliche Mangelbeschaffung steht natürlich eine breite Abwehrwand: "Du machst dich doch mit deiner Lauferei kaputt!" Dieser Satz ist das Credo derer, die in dieser Wand stehen. Sie bilden auch die amorphe Masse der sogenannten Couchkartoffeln, denen schier jeder Mangel einen Widerwillen hervorruft.
Aber es gibt nun nicht nur diese Couchpotatos, sondern auch Leute, die sich um ihre Gesundheit sorgen und Lust an der sportlichen Leistung verspüren. Und wenn bei solchen Menschen, die Leistungen stagnieren, dann wird denen klar: "Wenn ich irgendwann noch einmal schneller werden will, dann muss ich etwas ändern!"
Oft landen diese Leistungswilligen auch bei uns und lassen sich einen individuellen Trainingsplan erstellen. Oft sind es schon ziemlich hochleistungsfähige Läufer(innen), die sich noch steigern wollen. Aber mit den Jahren melden sich auch immer mehr durchschnittlich oder auch unterdurchschnittlich Laufende bei uns und bestellen einen Plan.
Und ganz besonders bei dieser Leistungsklasse fiel mir der sogenannte Trainingspessimismus auf. Wenn die Betroffenen auf ihren ersten 4-Wochen-Plan schauen, dann betrachten sie oft gar nicht erst die einführenden Wochen mit langsamen Tempo und wenig km. Sondern der Blick geht gleich auf die letzte Woche, die natürlich schon deutlich höhere Ansprüche stellt als die Startwoche.
Und dann geht das Gejammere los: "Soviel km...., so lange bin ich noch nie gelaufen..., und dieses hohe Tempo schaffe ich nicht. Diesen Sportlern ist wohl auch auf Grund mangelnder Erfahrung nicht klar, wie man sich in 4 Wochen entwickeln kann. "Für 30 km brauche ich ja 4 h!" Es ist unglaublich schwer einen relativen Anfänger davon zu überzeugen, dass er bei konsequenter Trainingsarbeit diese 30 km bald in 3,5 h und 8 Wochen später schon 3 h schaffen kann.
Die Pessimisten vergessen auch immer wieder, welche unglaublichen Vorteile sie durch das verschieben der km-Limite haben. Wer als längste Strecke 20 km läuft, der muss sich für 15 auch noch anstrengen. Wer aber oft 30 läuft, für den sind die 15 km leicht und auch die 20 machen ihm nicht viel aus. Für Läufer(innen), die die 35 km als wöchentlichen Standeinheit absolvieren, sind 15 km eine Erholung und 20 ein alltägliches Plauderereignis.
Mit steigender Leistung schwindet auch der Zeitaufwand für ein Training und damit bleibt wieder mehr Raum für die Ausweitung der Übungen. Und so wachsen plötzlich den Mutigen die Flügel und die Pessimisten hocken immer noch im Zögerkeller und pflegen ihre Angst vor Umfang und Intensität.
Die gleiche Klientel ist auch besonders vorsichtig, beim Festlegen von Marathonzielen. Bei denen ist 42,2/10 km-Faktor kaum jemals unter 4,8. Die Angst vor dem Ungewissen und der Überraschung ist groß und die Strafen für Fehlverhalten auf den 42,2 km sind hart. Dies wissen die Betroffenen und gehen nicht an ihre Leistungsgrenzen. Nur leider ist so ein Verhalten nicht gut für das Selbstwertgefühl.
Wenn deine Seele in solch einem pessimistischen Rahmen hängt, dann rate ich dir eines:
Du wirst sehen: Einheiten, die dich in der 1. Woche noch fast zerrissen haben, über die lachst du schon im vierten wöchentlichen Abschnitt. Du musst einfach nur an dich glauben und machen, dann klappt alles. Auch dein Traumziel wirst du erreichen, wenn du es nicht aus den Augen verlierst. Bleibe hartnäckig, lasse dich nicht von Niederlagen, Verletzungen oder Erkrankungen stoppen. Alle großen Sportler sind mehr oder weniger durch ein Meer von Handicaps geschwommen, bevor sie ihr großes Ziel erreicht hatten.
Denke immer daran, wie viele Leute sich deutlich verbessert haben, obwohl sie nicht talentierter waren als du. Sie waren nur fleißiger, mutiger, hartnäckiger und glaubten an sich selbst. Gehe nach den Lesen dieser Zeilen möglichst bald ein paar km laufen und baue ein Konzept auf, wie du deinen Traum verwirklichen kannst. Du schaffst es!