Die bedeutenden Halb- und Marathons haben wir hinter uns. Und was nun? Weiter trainieren und wenn ja was? Die Füße hochlegen? Auf das Radl umsteigen oder wandern gehen? Wir haben viele Möglichkeiten den Sommer zu verbringen.
Die meisten von uns haben schon einen Plan wie alles laufen soll. Da steht oft ein Urlaub im Vordergrund und da muss man sich ja schließlich erholen. "Im Urlaub mache ich gar nichts!" Gut so, dann wird aus dir auch nichts. Beim nächsten vergurkten Wettkampf stehst du wieder da und jammerst innerlich darüber, dass dein Holger dich wieder abgezogen hat.
"Aber ich muss doch ein bisschen Ruhe haben, man kann doch nicht das ganze Jahr über trainieren." In diesem Falle antworte ich dann sarkastisch: "Natürlich kannst du das ganze Jahr mit Training ausfüllen und im Urlaub kannst du morgens und abends trainieren."
Du kannst dir sicher vorstellen, welche bösen Blicke ich nach solchen Sprüchen ernte. Ich wiegele dann aber gleich ab und erkläre, wie sinnvoll man einen Sommer verbringt ohne großartig an Form zu verlieren und sich dennoch erholt.
Das Zauberwort heißt aktive Regeneration. Diese läuft meist über einen Zeitraum von vier Wochen im Juli ab. Denn die ersten wichtigen langen Rennen stehen schon Mitte bis Ende September an. Das Hauptereignis in dieser Jahreszeit ist der Berlin-Marathon.
Das heißt im Klartext Ende Juli muss es schon wieder losgehen mit der unmittelbaren Marathonvorbereitung. Denn die dauert 8 Wochen und nicht länger. Dazu später mehr. Und wenn einem Läufer(in) dieser Zeitrahmen klar wird, dann neigt er zu sehr unterschiedlichen Reaktionen.
Da gibt es den "Durchtrainierer". Er hat Angst, dass er zu viel von seinen Fähigkeiten verliert, wenn er dann im Juli regeneriert. Ängstlich läuft er weiter, vielleicht etwas langsamer weil es so heiß ist, aber immer mit Freude darüber, das sein Holger nun nur noch ganz wenig läuft und sich mit anderen Sportarten wie Krafttraining und Radfahren beschäftigt.
Dabei weiß der "Durchtrainierer" nicht, dass er in der Regel der geborene "Looser" ist. Und das Schlimme dabei ist, dass er es nicht nur nicht weiß, sondern es auch nicht einmal bemerkt. Warum? Weil er den gleichen Fehler immer wieder macht.
Er ordnet seine Leistung ein und im Laufe seines Trainings- und Wettkampflebens wird er sich trotz solcher Fehler weiter entwickeln. Und warum sollte er etwas ändern, klappt doch. Wenn andere sich schneller und besser entwickeln, dann haben sie mehr Zeit zum Training, sind "Profis" (Profi = mehr als dreimal Training/Woche und mehr als 80 km/Woche) oder einfach talentierter. Das eigene Verhalten wird kaum in Frage gestellt.
Erst wenn bei diesen Personen Stagnation oder sogar Leistungsrückgang einsetzt. Beginnen sie darüber nachzudenken, welche Gründe daran schuld sind. Wenn sie Glück haben und noch nicht zuviel Quatsch über die Greif-Trainingspläne gehört haben, landen sie bei mir. Und wenn sie dem Plan folgen, kommt es in der Regel zu einer Leistungsexplosion.
Und der Witz bei der Sache ist, dass es oft Läufer sind, die schon mehr als 20 Jahre im "Geschäft" sind und dann plötzlich wahre Höhenflüge erleben. 20 verschenkte Jahre!
Es gibt aber mit dem "Easygoing-Typ" auch noch einen häufig landläufig vorkommenden Läufer, der ganz anderes handelt. Erst einmal nach dem Frühjahrsmarathon 14 Tage gar nichts machen. Weil man in der Vorbereitung auf dieses Ereignis vieles entbehren musste, wird jetzt alles nachgeholt. Um es ganz klar auszudrücken: Es wird gesoffen und gefressen!
Wenn dann so langsam die Wampe über den Gürtel quillt, beginnt Easygoing so langsam wieder an zu joggen. Es muss sich zwar den Sprüchen seiner Kumpels erwehren, kann aber mit seiner erzielten Marathonleistung gegenhalten. Eine Regeneration im Juli kennt er nicht, denn er läuft jetzt erst einmal nur um sein Fett wieder runter zubekommen.
In der Zwischenzeit beginnt aber schon wieder der Zeitraum an dem er sich ganz gezielt auf seinen geplanten Herbstmarathon vorbereiten sollte. Aber so richtig schnell kann er ob seines Gewichts nicht laufen und die 35 km schafft er ebenso kaum. Und dann kommt der Punkt, wo so langsam Panik aufkommt.
Dann bricht es in Easygoing durch. Er klappt sein Kampfgebiss aus, stellt die Augen auf Rambo und knallt los. Im Training sieht man ihn nur fliegen. Oft fliegt er aber auch aus der der Kurve, in dem er sich eine Verletzung zuzieht. "Ich war schon so gut drauf und jetzt dieser Mist!"
Wenn er durch kommt mit seinem Training, dann plagt er sich aber auch oft bis kurz vor dem Marathon mit seinem Übergewicht herum. Die Folge ist, dass Easygoing sich keine Ruhe in den letzten zwei Wochen vor dem Rennen lässt. Er hat zwar ein paar kg runter bekommen, ist aber noch genau so weit von seinem Idealgewicht entfernt. Er tönt aber: Alles nur Muskeln und Samenstränge!"
Im Rennen kommt es dann, wie es kommen muss. "Bis 25 war ich total locker!" Und dann geht es abwärts und jetzt arbeitet das vorher lahmgelegte Gehirn von Easygoing. Sein Unterbewusstsein meldet ihm alle Fehler, die er in der Vorbereitung gemacht hat.
Easygoing weint innerlich, ertränkt sich in Selbstmitleid und wird immer langsamer und kleiner. Ist er ein "harter Hund", dann schimpft er mit sich selbst und schwört, dass es beim nächsten Mal alles anders wird. Was aber jetzt nichts mehr hilft, das Rennen ist vergurkt.
Und da gibt es noch den dritten Typen, der Angst hat vor der Regeneration und sich überhaupt keine Ruhe gönnt, weil er das Gefühl hat, dass ihn der Marathon überfordert. "Wenn ich jetzt in die Regeneration gehe, dann verliere ich alles, was ich mir vorher antrainiert habe."
Auch ein Aussage von ihm: "Ich schiebe das ganze Jahr sinnbildlich im Training einen Wagen den Berg hoch und wenn ich jetzt einen Monat Pause mache, dann läuft der doch wieder den Berg runter." Im Gegensatz zum Durchtrainierer variiert er aber sein Training und will es alles so gut wie möglich machen.
"8 Wochen Marathonvorbereitung sind mir viel zu wenig. Ich brauche mindestens 14, besser noch 16 Wochen." Das ist gar nicht so schlecht. Wenn man sich im Frühjahr vorbereitet, da kann man gut 8 Wochen Umfangsvorbereitung machen und dann die 8 Wochen der unmittelbaren daran hängen.
Aber niemals sollte man es im Sommer so machen, dass man die Regeneration streicht, dafür eine Umfangsvorbereitung macht, um anschließend 8 Wochen Marathonvorbereitung anzuhängen. Ein Körper braucht diese Regeneration, nur so ist er wieder bereit sich an höhere Leistung anzupassen.
Und diese Leistungssteigerung kommt nach der Sommerregenration blitzschnell. Schon nach 3 Wochen ernsthaften Training bist du wieder in einer sehr guten Form und kannst zum Beispiel auch gleich wieder eine Bestmarke über 21,1 km setzen.
Was aber ganz gefährlich ist für die Marathonform, ist der zu frühe Beginn der Vorbereitung und dies besonders bei gleichzeitig angewandter Endbeschleunigung. Dann wird die Form nach oben gepeitscht, du bist schon 4 Wochen vor dem Hauptereignis fit wie eine Amsel im Frühjahr und zwitscherst dir selbst und deiner Umgebung das Lied von der Traumzeit.
Leider wird dann zum Marathonstart oft eine Schaumzeit daraus, die auf der Strecke so langsam in sich zusammenfällt. Dann jammerst du deiner Form von vor 4 Wochen nach. Wo ist sie nur geblieben? Zertreten mit den Füßen durch ein zu langes und hartes Training in der Vorbereitung.
Weißt du, warum ich damals 1986 als ich den Trainingsplan "Countdown zur Bestzeit" schrieb, diesen Namen wählte? Weil klar werden sollte, dass man den Punkt festlegen muss, an dem man mit dem unmittelbaren Training zum Marathon hin starten soll.
Und der muss stehen, auch in deinem Kopf, streiche ihn im Kalender an!