Weißt du, welche Texte verschiedener Medien in mir den meisten Ärger verursachen? Du wirst es nicht ahnen, es sind die Artikel über Trinken bei Ausdauerwettkämpfen, besonders beim Marathon. Jahrelang schreibe, rede und bitte ich darum in einem Rennen angepasst Energie aufzunehmen und zu trinken.
Leider kämpfe ich seit Jahren gegen fast undurchdringliche Mauern, diese werden jetzt aber so langsam durchlässig. Seit den Studien von mehr als zehn Jahren des Südafrikaners Tim Noackes bricht die Wand der Dauersäufer. Jetzt meldet sich auch die Medizinszene massiv zu Worte.
Als ich am 12.09. 2006 einen Artikel über trinken im Marathon schrieb, erklärten mich einige Sportwissenschaftler als nicht ernst zu nehmenden Autor. Ein Medizinprofessor rief mich auch an - aus Höflichkeitsgründen möchte ich hier seinen Namen nicht nennen - und versuchte mich in einem herablassenden Ton fachlich auseinanderzunehmen.
Das schaffte er leider nicht, denn wir beide mussten feststellen, dass er zwar einen theoretischen Durchblick hatte, aber praktisch eine Null war. D.h., er war vom Ausdauersport sportlich völlig unberührt. So beendeten wir dieses Telefonat nicht gerade als Freunde. Ich habe auch niemals wieder etwas von ihm gehört.
Aber wie gesagt, auf die Praktiker wird nicht gehört, es muss nur erst einmal ein Afrikaner kommen, der praktische Studien vornimmt. Bei uns ging es von 1990 an nur nach Annahmen der Industrie und die Sportmedizin hakte sich der locker ein, obwohl wir Praktiker wussten, dass die Vorgabe trinken, trinken, trinken, falsch war.
Nun wird diese Sache anders gesehen und wir kennen diese Vorgänge ja schon, die Sportmedizin sagt nun, das haben wir schon immer gewusst. Stimmt auch, es waren mehr die Mediziner die auf der Gehaltsliste einiger Unternehmen standen. Aber dieses Gehalt reicht heute nicht mehr aus um die Wahrheit vom Tisch zu wischen, jetzt kommen Texte, wie der aus der Ärztezeitung online vom 03.08.12 auf dem Markt. Titel: "Trinken bis zum Firmenödem" von dem Autor Thomas Müller auf dem Markt.
Nachfolgend Zitate aus diesem Text:
"Sportler sollen vor dem Sport, während des Sportes und danach viel trinken - solche Ratschläge gibt es zuhauf. Alles Quatsch, sagen inzwischen viele Sportmediziner. Man soll trinken, wenn man Durst hat, alles andere ist sogar gefährlich.
Die 41-jährige Marathonläuferin hatte die Strecke zwar in fünf Stunden geschafft, fühlte sich danach aber nicht besonders wohl: ihr war übel, der Kreislauf war am Zusammenbrechen.
Sie gab an, genug getrunken zu haben, die anwesenden Ärzte verabreichten ihr aber Infusionen, weil sie einen Flüssigkeitsmangel vermuteten.
Das war fast fatal: Kurze Zeit später lag die Frau mit Hirnödem und Hyponatriämie auf der Intensivstation. Nicht zu wenig Wasser, sondern zu viel, war das Problem, wie Notfallmediziner um Dr. Stefan Trautwein vom Klinikum Kassel berichteten (Notfall Rettungsmed 2009; 12:287-289).
Offenbar passieren solche Unfälle immer wieder: Nach Marathonläufen haben bis zu 13 Prozent der Sportler zu niedrige Natriumspiegel (unter 136 mmol/l), schwere Hyponatriämien mit Werten unter 120 mmol/l kommen immerhin bei 3 bis 6 von 1000 Läufern vor, schreiben Trautwein und Mitarbeiter.
Tipp: Diese Hyponatriämien verhindert Greif-Krampfblocker.
Dagegen ist die Gefahr einer Dehydrierung eher gering. "Wir konnten in der Literatur keinen einzigen Fall von Dehydrierung als Todesursache bei Marathonläufern feststellen, es gibt aber zahlreiche Berichte über Läufer, die an einer Überhydrierung starben", schreiben Forscher um Dr. Carl Heneghan von der britischen Oxford University in einer aktuellen Publikation (BMJ 2012; 345:e4848).
Trinken auch ohne Durst?
Trotzdem glauben immer noch viele Sportler, dass man nie genug trinken kann und am besten auch dann noch Wasser in sich hineinschüttet, wenn man längst keinen Durst mehr hat.
Sportmediziner sind an dieser Haltung nicht ganz unschuldig, denn in der Zunft besteht bis heute ein Dissens, wann und wie viel man beim Sport trinken soll.
So warnte Professor Heinz Liesen, der an der Universität Paderborn ein Sportmedizinisches Institut aufgebaut und viele Leistungssportler betreut hat, noch vor einigen Jahren: "Wir haben kein gut entwickeltes Durstgefühl. Es gibt nicht wieder, was der Körper braucht."
Liesen rät, bereits eine halbe Stunde vor dem Sport die Flüssigkeitsreserven des Körpers aufzufüllen. Wer zu wenig trinke, könne weniger Leistung bringen und empfinde den Sport als belastender.
Liesen: "Jeder Flüssigkeitsmangel über einem Prozent des Körpergewichts kann gravierende Veränderungen bewirken."
Leichte Dehydrierung verbessert die Leistung
Solchen Auffassungen widersprechen Heneghan und Mitarbeiter vom Zentrum für evidenzbasierte Medizin in Oxford vehement: In Studien über Körpergewichtsminderungen hätten selbst Flüssigkeitsverluste bis knapp über drei Prozent die Leistung der Athleten nicht geschmälert und auch keine Probleme verursacht, eher im Gegenteil, die Leistung sogar noch verbessert.
So wurden in einer Studie Sportler unter starker Belastung geprüft: Die einen durften während des Trainings trinken, die anderen nicht. Bis zu einem Flüssigkeitsverlust von 2,3 Prozent des Körpergewichts schnitten die Dehydrierten deutlich besser ab.
Die einfache Erklärung: Sie waren durch den Flüssigkeitsverlust leichter und mussten ihr Training nicht ständig zum Trinken unterbrechen.
Der Rat zu trinken bevor man Durst hat, führe oft dazu, dass Sportler zu viel Wasser konsumieren würden. Das schmälere ihre Leistung und gefährde ihre Gesundheit, so Heneghan.
Marathon mit acht Prozent Gewichtsverlust
Der Sportmediziner Dr. Tim Noakes von der Universität in Kapstadt in Südafrika warnt sogar davor, bei Athleten pauschal eine Prozentzahl für eine schädliche Dehydrierung anzugeben und nennt als Beispiel den US-Amerikaner Alberto Salazar.
Dieser hatte bei den olympischen Spielen 1984 in der Hitze von Los Angeles über acht Prozent seines Körpergewichts beim Marathon verloren. Dennoch lief er eine Zeit von zwei Stunden und 14 Minuten (Timothy Noakes im Magazin "Runner's World", Mai 2005).
Viele gute Marathonläufer, so Noakes, kommen mit einem halben Liter Wasser während des Wettkampfs aus. Viel gefährlicher sei ein Zuviel an Wasser. Bereits eine Zunahme von zwei Prozent des Körpergewichts durch Wasser könne generalisierte Ödeme erzeugen.
Der Sportmediziner verweist auch gerne auf afrikanische Buschmänner, die bei 40 Grad in der Savanne oft Marathonstrecken zurücklegen, ohne dass ihnen alle paar Kilometer eine Wasserflasche gereicht wird.
"Haben wir nicht ihre Physiologie geerbt?", fragt Noakes. Der Mensch habe durch seine Evolution in einer solchen Umgebung wie kein anderes Säugetier die Fähigkeit entwickelt, auch unter extremer Anstrengung und Hitze einen hohen Flüssigkeits- und Elektrolytverlust zu verkraften.
Dieses Defizit werde in aller Regel nach, nicht von Industriegetränke während der Anstrengung ausgeglichen. Dass man vor dem Sport trinken soll, auch wenn man keinen Durst hat, weil das Blut verdickt rasch dehydriert, hält Noakes daher für "eine unsinnige Auffassung, die sich zu einer Art Mantra entwickelt hat."
"Bisher konnte nicht nachgewiesen werden, dass es irgendeinen Nutzen bringt, mehr zu trinken, als der Durst uns signalisiert." Er sieht in diesem Mantra letztlich nur eine Marketingstrategie der Getränkeindustrie (BMJ 2012; 344:e4171 )."
Diese Zeilen kann ich ohne Einschränkungen auch unterschreiben. Aber die Getränkeindustrie gibt sich nicht geschlagen. Nachfolgend eine Stellungnahme eines Diplom-Ökotrophologen, der für das scheinbar neutrale Institut für Sporternährung in Bad Nauheim spricht.
Auffällig ist nur, dass dieses Institut fast ausschließlich von dem Sportgetränk "Rosbacher" schreibt. Ich blicke durch die Rechtsform und die Eigentumsverhältnisse dieses Instituts nicht durch, das Wort "neutral" erscheint aber in deren Veröffentlichungen nicht.
So liest man auch aus den Zeilen des Autors Uwe Schröder die Angst heraus, dass die Sportlerwelt zu wenig trinkt. Er konterkariert ganz klar die oben beschriebenen wissenschaftlichen Empfehlungen.
Schröder warnt davor diese Studien nicht auf ältere Leute anzuwenden, die chronisch zu wenig trinken. Spürst du auch die per Perfidität dieser Worte? Was hat ein Institut für Sporternährung mit den titulierten älteren Person zu tun? Nichts! Diese Worte sollen nicht nur verwirren. Nachfolgend der Text von Schröder, den du sehr kritisch lesen solltest:
Eine deutlich moderatere Position vertritt hingegen der Diplom-Ökotrophologe Uwe Schröder vom Institut für Sporternährung in Bad Nauheim.
"Büromenschen und Senioren dehydrieren leichter
Entscheidend ist das richtige Trinken. Weder ein Zuwenig noch ein Zuviel ist leistungsfördernd. So muss im Freizeitsport während der meisten Aktivitäten nicht getrunken werden, wenn die Aufnahme vorher ausreichend war."
Schröder hält schweißbedingte Wasserverluste von bis zu maximal zwei Prozent des Körpergewichts, das sind etwa 2,5 Liter bei einem 70 kg-Sportler, noch für akzeptabel. Er warnt zudem davor, Empfehlungen für Athleten auf Freizeitsportler zu übertragen.
Personen, die chronisch zu wenig trinken, seien besonders gefährdet zu dehydrieren. "Hierzu zählen oft Senioren wegen des verminderten Durstempfindens. Auch Berufstätige, die über längere Zeit aufgrund der Arbeitssituation zu wenig trinken, können betroffen sein."
Schröder: "Kinder, Jugendliche, aber auch Untrainierte haben ein erhöhtes Risiko eines Hitzeschadens, da sie weniger Schweißdrüsen besitzen und ihre Thermoregulation nicht optimal funktioniert."
Im Freizeitsport, rät Schröder, sollte jede körperliche Aktivität gut hydriert begonnen werden und das Trinken vor allem bei hohen Außen- oder Hallentemperaturen geplant werden.
Ein über den Tag verteilter Getränkekonsum von zwei Litern ist empfehlenswert zuzüglich des Ausgleichs der Schweißverluste. Diese lassen sich durch Wiegen vor und nach einer Sporteinheit leicht abschätzen.
Apfelschorle nicht optimal
Für den Flüssigkeitsausgleich hält Schröder die beliebte Apfelschorle, im Verhältnis 1:1 gemischt, nicht für optimal: "Sie enthält viel Fruchtzucker, der nur langsam Energie liefert und in größeren Mengen abführend wirkt."
Schröder: "Die Fruchtsäuren verzögern außerdem die Magenentleerung. Auch ist die Apfelschorle kalorienreich und kann, je nach verwendetem Wasser, zu wenig Natrium enthalten."
Er empfiehlt ein anderes Mischungsverhältnis, etwa mineralstoffreiches Mineralwasser, Apfelsaft und Traubensaft im Verhältnis 6:2:1.
Auch natürliche isotonische und kalorienarme Sportgetränke aus unterschiedlichen Fruchtsäften auf Mineralwasserbasis seien geeignet, ebenso alkoholfreie Biersorten nach dem Training.
Er warnt Freizeitsportler jedoch vor energiereichen Getränken, die für Profiathleten konzipiert wurden. Damit ist die Energieaufnahme schnell höher als der Verbrauch."
Die letzte Zeile ist auch ganz klar Interessen gesteuert. Das ist wieder ein Hinweis auf das Rosbacher-Mineralwasser. Ehrenhalber muss man aber auch darauf hinweisen, dass er andere Getränke wie zum Beispiel die alkoholfreien Biersorten als tauglichen Weg erwähnt. Eines möchte ich noch klarmachen: Ich bin kein Gegner der Rosbacher-Mineralwässer. Im Gegenteil, seit Jahrzehnten empfehle ich das Trinken von Mineralwässern.
Ich bin es nur leid dieses hinterlistige Hinleiten von scheinbar neutralen Personen hin zu Produkten von Herstellern, mit denen man freundschaftlich verbunden ist.
Die Firma Greif ist freundschaftlich verbunden mit der Firma Ultrasports. Dennoch habe ich mich mit Dr. Wolfgang Feil, dem Chef von Ultrasports jahrelang verbal gekloppt. Er wollte nicht einsehen, dass speziell für das Training von ambitionierten Läufern in den meisten Fällen Wasser reicht. Ebenso gefiel ihm nicht, dass ich empfahl sein Produkt Ultra-Buffer doppelt mit Wasser zu verdünnen.
Wir sind aber zu einem Konsens gekommen, weil wir beide zusammen überlegt haben, dass Trinkempfehlungen für Rennen und Training grundsätzlich unterschiedlich sein müssen. Dazu muss man unbedingt den Trainingszustand und auch die Ziele eines Ausdauersportlers betrachten.
Es ist einleuchtend, dass zwei Läufer die bei einem Halbmarathon mit der gleichen Zeit in das Ziel kommen einen unterschiedlichen Flüssigkeitsbedarf haben können. Denn wir alle wissen, dass einer von beiden die Zeit erreicht hat, in dem er sich das gespaltene Ding bis zum Anschlag aufgerissen hat und der andere locker joggend ins Ziel lief.
Zudem hat noch nie jemand erklärt, dass es zwei Arten von Durstgefühl gibt. Und ich weiß aus Erfahrung, dass dies die eigentliche Trinkfalle ist. Dazu mehr in der nächsten Woche, in der ich dich in einige weitere Geheimnisse einweihen werde.
Bis dahin genieße den Sommer und denke daran, dass du auch ohne Durstgefühl ein leckeres Kristallweizen oder einen eisgekühlten Weißwein mit Genuss trinken darfst. Willst du noch ein Geheimtipp von mir? Ja!
Es gibt eine neue Studie, die belegt, dass Alkoholgenuss so wie wir ihn in der Regel betreiben, wenn überhaupt keinen oder nur ganz geringen negativen Einfluss auf unsere Leistung hat.
Ich weiß ja, dass Uli Strunz mich für diesen Satz stundenlang verprügeln wird. Aber ich beuge mein Haupt mit den Worten: "mea culpa".