Jetzt im November und in den kommenden dunklen Monaten müssen wir unser Tempo ganz langsam nach oben ziehen. D.h. die kommenden Tempoläufe sind deutlich moderater als die in den Frühlingsmonaten. Die Einheiten bleiben immer im aeroben Rahmen.
Dieses Trainingsverhalten zieht aber deine Beweglichkeit in den Gelenken herunter und die Sprungfähigkeit lässt ebenso nach. Wir merken, dass wir insgesamt etwas lahm werden im Winter.
Das Ganze können wir aber verhindern, indem wir lockere Steigerungen im Training einsetzen. Besonders wenn du schon deutlich über 40 Jahre alt bist, sollte dir eines klar werden:
Ein junger Mensch kann seine verlorenen Schnellkraftfähigkeiten rasch wieder zurückholen, ganz anders ist es aber, wenn jemand schon fünf Lebensjahrzehnte in den Beinen stecken hat. Bei diesen Läufern und Läuferinnen wirkt sich die Unachtsamkeit in Richtung Schnelligkeit fatal aus.
Es ist zwar möglich, die Schnelligkeit später wieder zu trainieren, aber es bleibt immer ein Rest im Mülleimer des Lebens liegen. Dieser Müll sind die Synapsen, die Kontaktstellen zwischen Nerven- und anderen Zellen. Wenn du diese Synapsen nicht reizt, ihre Arbeit zu tun, dann schlafen sie ein und sterben schließlich. Du hast damit ein Stück Fähigkeit verloren.
Was solltest du also machen, um deine Schnellkraftfähigkeiten zu erhalten, ohne dafür hochintensive Tempoläufe zu absolvieren? Du ahnst es sicher schon:
Das Mittel der Wahl sind Steigerungen. Mit ihnen kannst du deine Wettkampfleistung sichern, ohne dafür eine Menge Ermüdungsstoffe wie Laktat zu produzieren.
Leider scheint es so, dass eine große Anzahl von Läufern und Läuferinnen so gar keine Ahnung von Steigerungen haben. Wenn dann überhaupt Steigerungen absolviert werden, dann wird meist daraus ein Lauf mit langsamem Beginn und 90 Prozent Sprint.
Es gibt in jeder Gruppe ganz heiße Typen, die jede Steigerung gewinnen müssen. Je nach Können wird möglichst schnell angetreten, um schon im Vorfeld einen Vorsprung zu haben oder im andern Fall dann ab der Mitte eine maximale Sprintbelastungen durchzuziehen.
In meinen vielen Jahren als Trainer, ist es mir niemals gelungen, eine Gruppe so zu trainieren, dass sie locker und gleichmäßig das Tempo bis zum Ende steigert. Dabei sollte das höchste Tempo auf den letzten fünf Metern erreicht werden. In der Realität aber wird von Anfang bis zum Ende gekämpft.
Du wirst sicher schon einmal etwas von Steigerungen gehört haben. Bist du dir eigentlich sicher, ob du weißt, was eine Steigerung nun genau ist?
Wenn ich so das Verhalten einiger im Training sehe und die Anfragen zu diesem Thema betrachte, dann liegt der Verdacht nahe, dass das kollektive Wissen der Läufergemeinschaft über Steigerungen ziemlich schwammig ist.
Grundsätzlich wird bei einer Steigerung aus einem Tempo X heraus die Geschwindigkeit gleichmäßig bis zu einem Tempo Y erhöht. Dass dies so ist, weiß so ziemlich jeder, der schon einmal einen Sportplatz gesehen hat. Damit erschöpfen sich aber die Gemeinsamkeiten.
Die Damen und Herren aus dem oberen Leistungsbereich kennen meist nur eine Form der Tempoprogression. Das ist die deutsche Brachialsteigerung. Diese wird immer dann eingesetzt, wenn mehrere Läufer(innen) gemeinsam zu einer Steigerung starten.
Das sieht dann so aus: Nach dem Startkommando und einigen Metern mit einer behutsamen Tempoerhöhung, dreht einer der Herren (immer die!) so richtig auf und holt durch einen kraftvollen Antritt ein paar Meter raus.
Alle anderen "knallen" hinterher und aus der Steigerung wird ein Sprint bis zum festgelegten Ziel. Der Sieger, meist einer der sonst beim Tempolauf die eigenen Überrundungen zählt, streckt die Faust in die Luft und sieht sich triumphierend um.
Alles menschlich und auch kein Problem. Aber es geht auch anders! Ich möchte dir heute mit der Leicht-Steigerung eine Trainingsform vorstellen, die du gerade jetzt in dieser Jahreszeit einsetzen solltest. Diese Übung dient besonders in der augenblicklichen Regenerationszeit dazu, deine Schnelligkeit zu erhalten.
Gerade Steigerungen sind ideal zur Erhaltung dieser Fähigkeit. Nun ist es aber nicht so, dass wir nur einen einzigen Tempobereich erhalten müssen, sondern es ist die ganze Bandbreite an Geschwindigkeiten, in der wir Wettkämpfe laufen.
Als Erinnerungsreiz an unseren Organismus sollten darum bei einer Steigerung auch alle diese Tempobereiche angesprochen werden. Es nützt dir wenig, wenn du schon nach wenigen Metern Steigerung im Sprintbereich bist. Das ist zur jetzigen Zeit auch völlig unerwünscht, weil du so in den anaeroben Bereich hinein laufen wirst.
Laufe lieber eine Leicht-Steigerung. Dazu gehst du folgendermaßen vor: Du suchst dir auf deiner Trainingsstrecke mehrere etwa 100 m lange Abschnitte aus, die ganz leicht abfallen.
Du legst jeweils Start und Ziel fest. Aus deinem ganz normalen Trainingstempo beginnst du dich zu steigern, dies aber mit einer möglichst exakten Gleichmäßigkeit.
Wenn du dein Tempo grafisch auftragen würdest, sollte dabei eine schnurgerade Linie herauskommen. Visualisiere das vorher unbedingt!
Am Ziel sollte deine Geschwindigkeit nur wenig höher sein, als das schnellste von dir angestrebte Wettkampftempo auf deiner kürzesten Wettkampfstrecke. Vermeide es unbedingt, länger als 10 m im Sprinttempo zu laufen.
Hast du den Zielpunkt überlaufen, dann behältst du die Knie oben, so wie du am Ende der Steigerung angekommen bist. Dann trudelst du noch 10 m aus, bis du wieder in deinem gewohnten Dauerlauftempo liegst und läufst dann in deiner gewohnten Technik weiter.
Apropos Technik: Laufe die gesamten Steigerungen nach Möglichkeit auf dem Vorderfuß, wenn du es nicht perfekt kannst, nimmst du den Mittelfußaufsatz. Nutze auf keinen Fall den Jogging-Schleiffuß-Schritt.
Träume, du wärest ein afrikanischer Elitemarathonläufer, der sich einläuft. Diese Menschen zeigen dir, wie man eine Steigerung läuft. Mehr Schweben als Laufen und dabei möglichst wenig Kraft verschwenden.
Du musst nicht mit langwierigen Technikübungen versuchen, einen Mittelfußaufsatz hinzubekommen. Dieser entwickelt sich allein durch ein erhöhtes Trainings-und Wettkampftempo.
So müssen wir uns keine großen Gedanken machen über den Fußaufsatz, sondern eigentlich nur unser ursächliches Ziel des schnelleren Laufens anstreben.
Du bekommst das am besten hin, wenn du am Ende nicht die Frequenz erhöhst, sondern deine Schrittlänge maximal ausnutzt. Damit hast du dann auch noch einen zusätzlichen Krafttrainings-Effekt.
Nach dieser eingeschobenen Übung fällst du sofort in dein normales Dauerlauftempo zurück und bereitest dich auf die nächste Steigerung einige km weiter vor.
Warum nun aber soll eine Leicht-Steigerung auf einem leichten Gefälle gelaufen werden? Der Grund ist, dass du dir in der jetzigen Regenerationszeit Schonung auferlegen solltest.
Auf einem leichten Gefälle setzt du den Tempoerhaltens-reiz durch die Steigerung mit weniger Kraftaufwand, als auf einer Geraden oder gar auf einer Steigung.
Solche leichten Gefälle findest du auch im Flachland z.B. im Verlauf eines Bach-/Flusslaufs auf parallel laufenden Wegen oder hinter einer Brücke hinab. Hüte dich aber vor Gefällen von über 5%! Gerade der geforderte lange Schritt und starkes Gefälle sind prächtige Knorpelkiller.
Wenn du auf deiner Runde 3 - 5 Abschnitte gefunden hast, auf denen du deine Steigerungen absolvierst, ist das schon genug, um deine Tempofähigkeiten zu erhalten. Setze dieses Training 2-, 3-mal in der Woche ein.
Noch einmal im Klartext: 3-mal wöchentlich je 50 - 100 m Steigerungen. Fange mit den 50 m Steigerungen am Anfang der Regeneration an und verlängere sie langsam bis 100 m zum Ende hin. Du wirst sehen, es wird dir Spaß machen und deine Muskeln danken es dir.