Es gibt so richtig fiese Typen, die mir Fragen stellen, die ich eigentlich gar nicht beantworten kann, weil ich keine Antwort weiß. Könnte ja zurückmailen, habe keine Ahnung. Aber da sitzt dann so ein blödes altes häßliches Ding auf meinem Hals, welches an zu denken fängt und mir keine Ruhe lässt.
Und das war auch bei der nachfolgenden Frage von Burkhard Widera so, der schrieb:Warum kann ich als alter Sack nicht mehr so schnell rennen wie früher? Und das trotz aller Bemühungen:
"Ich habe mich da mit meinem Kumpel Helmut Schweer (Jg 1958, PB Ma = 2:24h, 9 x unter 2:30h) wiederholt auseinandergesetzt. Wir beide haben das gleiche Problem, zugegeben auf etwas unterschiedlichem Niveau, doch das tut nichts zur Sache und wir sind uns einig. Grundsätzlich sprechen wir über uns von einem "gebrauchten Körper" bei dem der "Verschleiß" nicht mehr wegzutrainieren ist.
Da kommt so ein alter "Sack" von Rennradfahrer, noch ein paar Jahre älter als wir. Der kriegt auf dem Rad die Kurbel nicht mehr in die Runde und vom Laufen hat der früher nie was gehalten. Der leiht sich ein paar "olle Laufschuhe" und zieht uns beide böse ab, und das quasi ohne Training.
Der läuft heute noch Zeiten, die wir nur zu unseren besten Zeiten (vor 20-25 Jahren) toppen konnten. Wir trainieren am Limit und der lacht da auch noch drüber. Den können wir nicht halten. Doch wenn ich mich jetzt auf das Rad schwingen würde, dann ergeht es ihm so wie mir beim Laufen. Gebrauchte Laufmuskeln und neue Radmuskeln bei mir, beim ihm genau anders herum.
Die gebrauchten Muskeln voll mit Narbengewebe, ausgeleiert und überdehnt, einfach verschlissen, die Gleitbahnen beschädigt, rauh und ungeschmiert, sind nicht mehr in der Lage die Spannung, die Gleitgeschwindigkeit, den Zug und Explosivität hinzubekommen wie früher als neue Teile. Viele Muskelfasern von Schnellkraft auf Ausdauer umprogrammiert. Wir sind physiologisch verbraucht in der Laufmuskulatur und nicht nur dort, auch beim Herzen, dem Blut, den anderen Organen und auch die Birne ist jetzt weicher. Noch nicht "uppe", aber eben "gebraucht.
Ich wünsche alles Gute und verbleibe mit freundlichen und sportlichen Grüßen, Burkhard Widera
Das Schlimmste ist, dass Burkhard auch noch schlau ist, denn solche Gedanken habe ich mir noch nicht gemacht. Obwohl ich auch schon einmal so etwas mit einem Radrennfahrer erlebt habe.
Ich meine es war 1984 bei einer niedersächsischen Seniorenmeisterschaft über 25 km, die ganz stark besetzt war. Ich war in Höchstform und wollte dieses Rennen gewinnen. Und es ging gleich im Höllentempo von 3:15 min/km los. Wir waren eine Fünfergruppe. Ich kannte alle Mitläufer bis auf einen. Auf Nachfrage bekam ich erklärt: "Das is´n ehemaliger Radrennfahrer aus Hannover."
Achso, also kein Gefahr, den zersäge ich auf den letzten 10 km. Denkste, der Typ trat bei km 15 selber an und hatte sofort 30 m Vorsprung. Mein Blick in die Rund sagte mir, dass niemand die Lust und die Kraft hatte hinterherzulaufen. Nee, dachte ich, so nicht und beschleunigte auch.
Ich holte ihn zwar wieder ein, aber als ich dran war, war ich schon ziemlich kaputt. 1 - 2 km kam ich noch mit und dann musste ich abreißen lassen. Was dann kam, war nicht schön. Denn es dauerte nicht lange und meine drei Mitläufer kamen von hinten auf und vorbei.
Ich hatte mich übernommen und konnte nicht mehr mithalten. So siegte dann der Radrennfahrer und ich wurde Fünfter. Das wurmte mich ungemein, denn meine Form war überragend und dann zieht mich so ein Kurbelhansel ab.
An dieses sportliche Abenteuer erinnerte ich mich natürlich nach der Mail von Burkhard. Und motivierte mich, einmal meine Biblothek zu Hilfe zu nehmen. Ich wurde unerwarteter Weise schnell fündig im Buch: Sportbiologie, 10. Auflage von Jürgen Weineck. Erschienen im Spitta Verlag. Und siehe da, die beiden Läufer Schweer und Widera hatten die Problematik fast genau erfasst.
Denn Weineck schreibt in seinem Kapitel Alter und Sport, durch was es zu den Leistungsbegrenzungen in den fortgeschrittenen Lebensjahren kommt:
- "Psychosomatische Überlagerung von Schmerz- und Muskel(hyper)tonus
- Inaktivität (mit psychovegetativen Erkrankungen verbundene Verhaltens- und Bewegungsänderungen)
Beweglichkeitseinschränkungen - Muskuläre Faktoren
- Verkürzungen der Muskulatur (Sarkomerverlust)
- Gleitstörungen (Verklebungen)
- Verdickung der Bindegewebe, Ödeme
- Vermehrte Einlagerungen von Bindegwebe in die Muskulatur (Immobilisation, Alterseinfluss)
- Massenhemmungen (z. B. Adipositas, Muskelmassenhemmung durch Bodybuildung u. a.)
- Intramuskuläre Volumenänderungen durch vegetative Einflüsse
Beweglichkeitseinschränkungen - Bindegewebige und knöcherne, mechanische Faktoren
- Anlagebedingte knöcherne Vorgaben (Anatomische Varianten)
- Erworbene knöcherne, osteophysäre Ausziehungen, Randzackenbildung, Einschleifen von Gelenken u. a.
- Narbenbildung (Haut, subkutanes (Binde-)Gewebe, Kapsel, Bänder, Sehnen, sonstige Strukturen nach Verletzung/Op.-Trauma)
- Einklemmungen von Menisken, Bund- und Kapselstrukturen, periartikuläre Gewebe
- Verklebungen (H-Brückenbildung, Cross-Links, Lipidbrücken)
Beweglichkeitseinschränkungen - Sonstige Ursachen
- Intra- und interindividuelle pathologische, pathogenetische Faktoren
- Nichtgebrauch des vorhandenen Bewegungsmaßes (ROM)
- Schädigung der Gewebe durch extremen Gebrauch und reaktive Beweglichkeitseinschränkung"
Das erklärt natürlich nicht, warum es diese Muskulärendifferenzen zwischen uns Läufern und den Radrennfahren gibt. Aber der gesunde Menschenverstand kann schon erkennen, dass die beiden Sportlergruppen unterschiedliche Belastungsstrukturen haben und somit auch die negativen Auswirkungen sich in anderen Bereichen postulieren.
Der Schluss aus diesem Artikel kann nur sein: Wenn du im Alter schnell sein willst, dann reicht ein Lauftraining allein nicht aus. Du musst dafür für sorgen, dass deine Kraftfähigkeitenn und besonders deine Flexibilität erhalten bleiben.
Das heißt für dich und auch für mich: Mehr Krafttraining deutlich mehr Gymnastik. Wer nicht mehr mit den Fingerspitzen an seine Zehen kommt, der kommt auch bald nicht mehr auf´s Treppchen.