Im Augenblick sind wir alle in bester Form und hoffen auf überragende Wettkampfresultate. Am 21.04.2013 war so ein Tag an dem man die Sterne vom Himmel holen konnte. Beim Hamburg Marathon herrschten absolute Traumbedingungen, kühl und doch sonnig.
So flogen die Bestzeitenmeldungen in den nachfolgenden Tagen hier bei mir ein wie die Kraniche im März mit großem Getröte und mächtigem Flügelschlag. Der Stolz auf überragende Verbesserungen, sollte den Akteuren auch von ganzen Herzen gegönnt sein. Leistungssteigerung von über 30 Minuten waren keine Seltenheit.
Aber die Lebenserfahrung zeigt, dass solche Bedingungen nicht immer vorherrschen. Vor einigen Jahren, als dort in der Hansestadt die Deutsche Meisterschaft ausgetragen wurde, war es schon am Start 22° und die Temperatur erhöhte sich im Laufe des Rennens ständig. Die Zeiten der meisten Akteure lagen zwischen gerade erträglich und entsetzlich. So auch die Resultate, der dort gekürten nationalen Sieger.
Es waren dann auch Personen, die man eigentlich nicht so weit vorne erwartet hatte. Vielleicht waren sie einfach besser an die Hitze angepasst als andere. Kann man sich eigentlich an Hitzebedingungen anpassen? Ja, das kann man.
Denn im Frühjahr sind wir noch nicht an höhere Temperaturen angepasst, in 2013 war es im Gegensatz zum letzten Jahr sehr lange kalt. Das führt dazu, dass noch Ende April der sogenannte Winterschweiß ausgeschieden wird. Dieser ist deutlich mineralienkonzentrierter und schadet uns bei hohen Temperaturen auf zwei Arten. Einmal verlieren wir deutlich mehr Mineralien mit dem Winter- als mit dem Sommerschweiß.
Das hat die Folge, dass unser Mineralienhaushalt gestört wird. Woraus wiederum Schwäche und Krämpfe resultieren können. Zweitens verdunstet konzentrierter Schweiß deutlich schlechter als dünner und damit wird der Organismus nicht ausreichend gekühlt. Somit wird mehr Schweiß ausgeschieden und noch mehr Mineralien gehen verloren. Wir alle kennen die weißen Schweißränder, die uns nach einem solchen Lauf zieren. So etwas sieht man später im Jahr kaum noch.
Wir können festhalten, dass die Hamburger Läufer und Läuferinnen in diesem Jahr richtig Glück gehabt haben. Eine Woche vorher in Bonn sollen die Bedingung wesentlich schlechter gewesen sein, das berichten einige Teilnehmer und die Bestzeiten Ausbeute war in der alten Bundeshauptstadt doch ziemlich Mau.
Somit musst du dich immer wieder auf solche schlechten, sprich warmen Bedingungen einstellen. Die können schon in der nächsten Woche wieder vorherrschen. Das kannst du nur im Training üben. Dazu möchte ich dir von einem Läufer berichten, der von sich glaubte, dass er niemals bei Bedingungen oberhalb von 20° einen guten Wettkampf absolvieren könne.
Dabei war er ziemlich muskulös, schwer, aber nicht fett. Dieser Läufer machte sich bei jedem Rennen im gehobenen Temperaturbereich schon vorher fast in die Hose. Er war einfach der Überzeugung, dass er aufgrund seiner für einen Marathonläufer ungewöhnlichen Körperbaus nicht bei hohen Temperaturen schnell laufen könne.
Irgendwann hat ihn dann jemand überzeugt, dass man Hitze-Verträglichkeit trainieren kann. Er ging die Sache an, indem er im Frühjahr und Sommer nicht mehr im Wald, sondern auf der freien Straße im vollen Sonnenschein trainierte. Dies auch bei dem Tempo- und langen Läufen.
Und siehe da, nach einer relativ kurzen Zeit von ein bis zwei Monaten wurden seine Resultate auch bei Hitzeläufen deutlich besser. Das überraschende war, dass er sich geradezu auf Wettkämpfe bei hohen Temperaturen freute. Er hatte gelernt wie man mit solchen Bedingungen umgehen muss. Verrate es bitte keinem, dieser Läufer war ich. Aus dem Schisser wurde ein Hochtemperatur-Fighter.
Diese Fähigkeit habe ich dann meine ganze Karriere lang in mir getragen und ich freute mich schon, wenn wieder ein Hitzelauf anstand. Ich wusste ganz genau, dass ich in solch einem Rahmen ein paar Plätze weiter vorne sein würde, im Vergleich zu Normal- oder Spitzenbedingungen.
Das absolute Highlight in diesem Sinne war ein Marathon in Daverden in den achtziger Jahren. Dieser Wettkampf fand traditionell am damaligen Feiertag der deutschen Einheit am 17. Juni statt. Wir sind vorher in die kleine Stadt vor Bremen angereist und übernachteten dort im Hotel.
Schon diese Nacht war unvergesslich. Die Hitze in diesem Gebäude war unerträglich und wir konnten in der Nacht nicht schlafen, obwohl wir nackt und nicht zugedeckt auf dem Bett lagen.
Am Tag des Startes knallte die Sonne vom Himmel herunter, dass es eine wahre Freude war. Nun muss man aber wissen, dass die Strecke in Daverden praktischer schattenlos war, denn sie ging nur durch die Felder. Das Gejammere an diesem Morgen war schrecklich, alle hatten Angst vor den hohen Temperaturen und der starken Sonneneinstrahlung.
Ich nicht, denn ich wusste wie man mit solchen Bedingungen umgehen kann. Am Start stehend wurde uns klar, dass wir alle niemals vorher solch hohe Temperaturen in einem Marathon gehabt hatten. Es war schon morgens um 10:00 Uhr über 30 °C. So überlegte ich mir, dass das ganze Feld unisono ein besonders langsames Anfangstempo einschlagen würde.
Und ich dachte: "Die machen sich heute alle in die Hose und werden nur losschleichen, aber du gehst so schnell an, dass dir auf keinen Fall jemand folgen wird." Gesagt und getan und nach 2 km hatte ich schon fast 400 m Vorsprung, konnte diesen dann auf 1 km ausbauen und ihn bis zum Ende pflegen.
Was nicht zu glauben ist: Ich habe das ganze Rennen keinen einzigen Tropfen getrunken. Ich wurde von einem Radfahrer mit einem Wasservorrat begleitet. Dieses schüttete ich mir in kurzen Abständen über den Kopf und das war wunderbar. Zu meiner Entschuldigung muss ich erklären, dass der einzige ernsthafte Verfolger hinter mir das gleiche Verfahren anwandte.
Meine Endzeit von 2:32 h war schwach, aber der Sieg war bis zum Ende ungefährdet. Das Ganze war nicht ein Gewinn durch körperliche Überlegenheit, sondern durch Vorbereitung und Training auf solche Bedingungen. Das, was sich dort abgespielt hat war psychisch. Ich war einfach überzeugt, dass ich die Sache konnte.
So ein Verhalten ist in jedem Wettkampf von Vorteil. Du musst einfach davon überzeugt sein, dass dein Plan auch aufgehen wird. Natürlich hat jeder von uns auch Selbstzweifel, wenn versucht wird eine Grenze zu überschreiten.
Du solltest auf jeden Fall versuchen, dass dein Kopf an eine 50 zu 50 Chance glaubt. Damit bist du auf der besten Seite. Du wirst nicht nachlässig, weil du dir zu sicher bist und hast aber dennoch den Glauben daran, dass dein großes Vorhaben klappen wird. Dieses Rennen kommt garantiert.