Du wirst sicher schon einmal gesehen haben, wenn sich Sportler in Gedanken auf ihren Start vorbereiten. Besonders gut zu sehen bei Hochspringern vor dem Sprung. Mit scheinbar geschlossenen Augen gehen Sie den nächsten Jump durch. Ihre Bewegungen folgen vorweggenommen dem Ablauf des nächsten Sprungs.
Genaustens gehen die Springer(innen) in Gedanken ihren Sprung durch. Wenn sie sich bei dieser Übung nicht mental die aufgelegte Höhe überqueren, werden Sie sie diese auch in der Praxis nicht überqueren. Auch Skifahrer sieht man sich in Gedanken wiegend die Strecke vor dem inneren Auge herabzufahren.
Berühmte schon ältere Versuche mit Basketballern zeigten auch, das Probanden die Körbe besser trafen, die in ihren Gedanken den Ablauf und Erfolg des Korbwerfen übten, als die jenigen die eine gleiche Anzahl von Versuchen in der Praxis durchführten.
Und was machen Marathoner vor dem Start, in einem Wettkampf mit vielfach höherem Risiko und einem überwältigenden körperlichen Aufwand? Und dies auch noch in einer Sicherheit, diesen Versuch nun in den nächsten vier Wochen nicht noch einmal wiederholen zu können: Sie albern vor dem Start umher und quatschen. Konzentration sieht man ab Reihe 5 nicht mehr.
Viel wichtiger ist es, sich auch vor dem Start zu konzentrieren und sich noch einmal klar zu machen, wie man seine Strecke optimal läuft und wie Fehler zu vermeiden sind. Dann muss man - was ganz besonders wichtig ist - visualisieren, wie man in der angestrebten Zeit glücklich in das Ziel läuft. Aber eines steht über allem: Du musst auch daran glauben, dass du dein Ziel erreichen kann.
Ich selbst mußte während meiner aktiven Laufbahn einmal eine bittere Erfahrungen machen, die daraus resultierte, dass ich nicht daran glaubte ein besonders hoch gestecktes Ziel erreichen zu können. Beim Berlin-Marathon 1985 war ich in einer absoluten Hochform und schon 42 Jahre alt. Und ich sagte mir: Wenn du noch einmal eine Chance haben willst eine 2:19-er Zeit zu laufen, dann an diesem Tage in Berlin.
Innerlich war ich aber nicht davon überzeugt, dass ich diese Zeit auch schaffen könne. Ich müsste nämlich meine damalige Bestzeit über 25 km von 1:23 h auch über 42,2 km glatt durchlaufen. Von meinem 10 km-Rekord von 31:52 min ganz zu schweigen, danach hätte ich sogar niemals eine 2:24 h laufen können.
So sehr ich mich auch stark redete, im Inneren blieben die Zweifel. So hielt ich dann das 3:20 min/km-Anfangstempo auch nur 15 km durch. Als ich bemerkte, dass es nicht mehr locker vorwärts ging, hisste ich sofort die weiße Flagge und lief langsamer.
In anderen Rennen hatte ich schon Ähnliches erlebt, aber nicht aufgesteckt, sondern auf Kampf umgeschaltet. Weil ich genau wußte: "Du kannst es, Peter". Ich weiß noch wie heute welches unangenehme Gefühl dieses Aufstecken mir bereitet. Es kam noch eine gute 2:27 h dabei heraus, aber ich konnte mich keine Sekunde darüber freuen, weil ich mich einfach mental nicht richtig vorbereitet hatte.
Du wirst dich fragen, was diese ganze Sache mit dem Thema Koordination zu tun hat. Eine ganze Menge! Wenn du koordinativ sauber und energiesparend laufen willst, dann brauchst du erst einmal ein Idealbild. Vielleicht kennst du jemand, der effektiv und "schön" läuft. Hast du dieses nicht, dann nimm dir den Laufstil von Haile Gebrselassie zum Vorbild.
Er ist der perfekte Langstreckenläufer. Sein Laufstil ist nahezu perfekt - wie soll es auch anders sein. Besonders auffällig sein Mittelfußaufsatz mit der stark abgekippten Fußaußenseite. Sein Sprung- und auch das Stützbein sind bis zum idealen Winkel gestreckt. Hailes Lauftechnik ist das große Vorbild.
Dein ganzes Streben sollte darauf gerichtet sein ein Idealbild eines Läufers zu erreichen. Dazu musst du auch anfangen, deine Laufbewegungen in Einzelteile zu zerlegen. Diese sind dir sicher bekannt, man nennt sie läuferische Koordinationsübungen oder auch Sprint-ABC. Auf unseren Webseiten findest du ein schon etwas älteres, aber sehr gutes Video zum Sprint-ABC. Mindestens zweimal wöchentlich solltest du in dieser Form üben.
Was du jetzt von dir benötigst ist dein Eigenbild. Jemand muss eine Videoaufnahme in Zeitlupe und Echtzeit von dir machen. Diese schaust du dir an und vergleichst dein Eigenbild mit dem von Haile. Dann beginnst du im Geiste wie er zu laufen. Das machst du, ohne dass du läufsts und auch immer wieder während des Laufens. Das nennt man neuronales Training.
Leider brauchst du aber dazu auch eine Kontrolle. Jemand muss dich filmen und du musst dann immer wieder deine Bewegungen mit dem Idealbild vergleichen. Natürlich kann dich ein erfahrener Trainer(in) auch anleiten, dazu muss dieser kein Langstreckentrainer sein, Sprinttrainer beherrschen die Materie meist sogar besser.
Bei einem beschränkten Zeitbudget darfst du aber nicht dein Lauftraining vernachlässigen, um die Zeit dafür mit Koordinationsübungen zu verbringen.
Bevor du mit den Lauftechnik-Übungen beginnst solltest du dich in einen bestimmten hormonellen Zustand versetzen. Das hört sich etwas komisch an, aber ich erkläre das gleich. Sehr gut beschrieben ist das auch in einem Artikel aus Sport und Training, den ich in Auszügen wiedergeben möchte:
"Die Wahrscheinlichkeit, ein erstklassiger Läufer zu werden, hängt auch davon ab, ob man die spezifischen motorischen Fähigkeiten in frühen Jahren erlernt hat.
Diese motorischen Fertigkeiten entstehen durch die Bildung von neuronalen Schaltkreisen oder "Karten" im Gehirn, die wiederum bestimmte Wachstumsfaktoren benötigen, z. B. das menschliche Wachstumshormon (HGH), um das Wachstum neuer Neuronen (Neurogenese) anzuregen und die neuronalen Schaltkreise der einzelnen Hirnkarten fest zu "verdrahten".
Das HGH ist in jungen Jahren in großen Mengen vorhanden, aber bis vor kurzem dachte man, dass die Ausschüttung dieses bei Kindern überreichlich vorhandenen Hormons mit Anfang 20 drastisch abnimmt. Wissenschaftler entdeckten jedoch, wie bestimmte Trainings- methoden die Ausschüttung von HGH und auch andere Wachstumsfaktoren bei Erwachsenen stimulieren.
Die Fähigkeit, eine Bewegung zu erlernen, wird oft auch als "Muskelgedächtnis" bezeichnet. Doch aus physiologischer Sicht ist das eine ungenaue und irreführende Bezeichnung. "Motorisches Gedächtnis" wäre viel treffender. Dieser Begriff verweist nämlich auf den motorischen Cortex und die entsprechenden Regionen des Gehirns, die das "Bewegungsgedächtnis" speichern. Einfach gesagt: "Nicht der Muskel erinnert sich an die Bewegung, sondern das Gehirn."
Das Menschliche Wachstumshormon HGH wir aufgrund seiner vielen wichtigen Eigenschaften auch als "Lebenselixier" bezeichnet. Es steuert beispielsweise die Konzentration von chemischen Botenstoffen im Gehirn (Neurotransmitter) und kurbelt die Produktion vieler Wachstumsfaktoren an. HGH wirkt auf den Kern der Zellen, in dem es die Gene einschaltet, die für das Wachstum von Neuronen zuständig sind, und die Verdrahtung von neuronalen Schaltungen für die Hirnkarten anregt. Und genau dieser Vorgang ist erforderlich, damit Sie die notwendigen Hirnkarten zum Erlernen neuer motorischer Fertigkeiten bilden können.
HGH wird in der Hypophyse gebildet und dann ins Blut ausgeschüttet. Mit zunehmendem Alter nimmt die HGH-Menge ab und macht bei Männern und Frauen mittleren Alters schließlich nur noch 10% der Menge aus, die in der Kindheit vorhanden war. Neue wissenschaftliche Untersuchungen kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass ein hochintensives Intervalltraining zu einem deutlichen Anstieg an HGH führt. HGH bleibt normalerweise nur für wenige Minuten im Blutkreislauf.
Doch schon ein kurzes Sprinttraining kann dafür sorgen, dass die Hormonkonzentration 4 Stunden erhöht bleibt. Ein zusätzliches hochintensives 30-Sekunden-Intervall beim Laufen, Radfahren, Schwimmen oder an der Herz-Kreislauf-Maschine steigert die Konzentration des menschlichen Wachstumshormons sogar bis zum 6-Fachen".
Auf einige wichtige Punkte muss man beim Erwerb einer Fähigkeit und der Bildung neuer motorischen Karten allerdings achten. Die 1. wichtige Regel ist die, dass man Übung, Beharrlichkeit und Geduld haben muss.
Es ist ein weit verbreiteter Mythos, dass alle Elitesportler "von Natur aus begabt" seien. Natürlich haben wir alle unterschiedliche Anlagen, und manche Leute haben eine genetische Prädisposition, die ihnen die Ausführung bestimmter Sportarten erleichtert.
So besitzen z. B. manche afrikanischen Elite-Langstreckenläufer einen vergleichsweise höheren Anteil an Slow-Twitch, d. h. langsam kontrahierenden Muskelfasern. Sie verfügen daher über eine größere Ausdauerfähigkeit.
Aber die allein sind nicht ausschlaggebend für unsere Entwicklung. Es kommt in hohem Maße darauf an, wie wir oder andere sie stimulieren und was wir daraus machen."
In der Praxis bedeutet das, dass du, bevor du mit den Koordinationstraining beginnst, 2 - 4 h vorher ein Intervalltraining absolvieren solltest. Dadurch wird die Produktion von HGH stimuliert, das iniziert die Anlage einer neuen Hirnkarte, auf der die neu zu lernende Bewegung abgelegt wird.
Leider geht diese Empfehlung an der Trainingspraxis vorbei. Wir sind alle Freizeitläufer und wir werden kaum in der Lage sein, 2 - 4 h nach einem Tempolauf noch einmal mit einem Koordinationstraining zu starten.
Was aber für uns ein Weg ist, dass wir nach unseren Tempoläufen noch ein Koordinationstraining anschließen. Auch das wird schwer durchzusetzen sein. Es ist möglich, aber die inneren Widerstände gegen solche Maßnahmen werden groß sein.
Ich sehe schon meine Jung's von der Bahn verschwinden, wenn nach 3 x 4000 m noch ein Koordinationstraining angesagt wird. Dann haben plötzlich alle etwas Wichtiges vor. Vom Geburtstag, über Kinderhüten bis zur anstehenden Versammlung wird dann alles aufgeführt.
Wir werden innerhalb unserer Trainingsgruppe mal beim Bier darüber sprechen. Da auch Sprints allein schon ein hervorragendes Koordinationstraining sind, werden wir versuchen nach dem Tempotraining noch fünf - sechs Sprints über 50 - 80 oder die gleiche Anzahl von 100 m-Steigerungen zu absolvieren. Hierbei wird ja wie beschrieben auch noch HGH produziert.
Wir sollten nicht vergessen, dass das HGH auch grundsätzlich aufbauend auf Knochen, Muskel und Leber wirkt. Und dann werde ich noch einfließen lassen, dass es auch anabol auf die sexuelle Potenz wirken soll. Das stimmt zwar nicht, aber ich werde begeisternde Zustimmung bekommen.
Das werden wir schon hin bekommen mit den Sprints. Den mittleren Aufstand werde ich mit dieser kleinen Notlüge sicher deutlich mildern können. Ich werde darüber berichten.