Vielleicht wirst du dich erinnern, dass ich schon seit Jahren den erfahrenen Marathonläufern empfehle, auf der Langen Runde keine Kohlenhydrate zu sich zu nehmen. Aber nur und wirklich nur den unerfahrenen und Läufer(innen) empfahl ich auf den 35 in der Anfangszeit ihres Trainings zuckerhaltige Getränke zu trinken.
So wie diese lange Strecke dann aber nach Anfangsschwierigkeiten beherrscht wird, sollte sofort auf Kohlenhydrate unterwegs verzichtet werden. Das ist nicht sehr angenehm, denn der Organismus hat sich an eine zusätzliche Versorgung unterwegs gewöhnt und schreit dann so ab km 25 nach Futter.
Bleibe hart, dieses Futter bekommt er nicht mehr und wenn er noch so laut randaliert. Der Grund ist, dass der Organismus durchaus noch jede Menge Nahrung hat und zwar in Form von gefüllten Fettzellen. Die mag er aber nicht, möchte lieber Zucker, weil er nicht gewohnt ist das Fett zu verdauen.
Unser Körper muss sich erst einen optimalen Fettstoffwechsel verschaffen, um in Notzeiten darauf locker zurückgreifen zu können. Er wird dies aber nur lernen, wenn du nicht darauf reagierst, wenn er laut nach Zucker = Kohlenhydrate ruft. Einfach weghören. Aber das ist nicht einfach, denn diese Schweinebacke von Organismus rächt sich, in dem er dir so langsam die Energielieferung runterschraubt.
Er will dich einfach zwingen nun einen Riegel zu essen oder einen tiefen Schluck aus der Saftpulle zu nehmen. Und wenn du das nicht tust, dann geht es dir schlecht, du wirst jeden km schlapper und langsamer. Manchmal musst du sogar dein Training abbrechen.
Das macht aber nichts. Du bist zwar dann tief enttäuscht und frustriert, aber dein Körper hat seine Lektion schon gelernt und fängt an, seinen Stoffwechsel vermehrt auf Fett umzustellen. Wenn du nicht nachlässt, geht es dann damit so weit, dass es dir nach einigen Wochen danach überhaupt kein Problem mehr macht die Lange Runde ohne Verpflegung durchzulaufen.
Du kannst dir aber auch helfen, in dem du dir ein Getränk aus reinem Eiweißpulver anrührst ohne Zucker. Das ist die Empfehlung von Dr. Uli Strunz. Ähnlich rät Dr. Wolfgang Feil. Wenn du schon in der Lage bist, die 35 km sicher und ohne Qualen durchzulaufen, dann empfiehlt er eine Trinkflasche mit einer Messerspitze Salz zu versetzen und dann ein Beutelchen Addon Amino rein zu geben.
Bist du noch nicht in der Lage die 35 km sicher und ohne übermäßigen körperlichen Einsatz zu schaffen, dann trinke unterwegs doppelt verdünnten Buffer. Vergiss aber nicht später, wenn du die Sache im Griff hast, auf die kohlenhydratlose Kost umzustellen.
Lange hat Wolfgang Feil mit mir darüber gestritten, wie man unsere persönliche Erfahrung des Seesener Trainings mit dem kohlenhydratfreien Laufen auf der Langen Runde umsetzen könnte, damit sie auch in den wissenschaftlichen Rahmen passt. So sind wir zu dem Konsens gekommen, den relativen Anfängern auf der Lange Runde Kohlenhydrate zu empfehlen, den Fortgeschrittenen aber nicht.
Wie richtig wir mit diese Empfehlung lagen, zeigen zwei Studien, die das Magazin "Triathlon" auf ihrer Webseite veröffentlichte. Die erste Studie aus dem Jahr 2006, der dänischen Forscherin Anne K. Hansen sorgte für Aufregung. Ihr Team hatte heraus gefunden, dass die Beinmuskeln bei Radfahrern stärker werden, wenn sie mit aufgebrauchten Kohlenhydratreserven in der Beinmuskelatur trainiert wurden.
Die dänische Forschergruppe hatte einen Ernährungsplan aufgestellt, der dafür sorgte, dass die Muskelzellen der Probanden zu unterschiedlichen Zeitpunkten einmal voll mit Glykogen und einmal völlig entleert waren. Dann belastet man ein Bein dann, wenn die Speicher voll waren und das andere bei einem späteren Versuch im entleerten Zustand.
Das Resultat verblüffte die Fachwelt. Nach zehn Wochen Training war nicht nur die maximale Leistung des "glykogenarm" trainierten Beins geringfügig höher als das der Gegenseite, sondern auch die Kraftausdauer war deutlich höher als das beim gut versorgten Bein. Und das gleich um 70%. Kraftausdauer wird besonders bei schnellen Läufen wie 5- und 10000 m Läufen benötigt.
Wie konnte aber so ein Resultat zusammen kommen? Alles deutet darauf hin, dass das Kohlenhydrat unterversorgte Bein seine Energie vermehrt aus dem Fettstoffwechsel gezogen hatte. Aber warum sollte nun gerade der "langsamere" Fettstofwechsel eine Leistung wie die Kraftausdauer fördern, die man zu den "schnellen" Leistungen zählt und von der man erwarten sollte, dass sie dazu die "schnelle" Energie aus Kohlenhydraten nutzen würde. Eine Erklärung konnten die Dänen dafür nicht liefern.
Etwas Licht in das Dunkel brachte erst eine bisher unveröffentlichte Studie der Universität von Birmingham an Leistungssportlern. Hier wurde nicht die Kraft der Beine verglichen, sondern zwei Gruppen von gut trainierten Radfahrern absolvierten ein identisches Ergometerprogramm.
An drei Tagen pro Woche wurde ein gleichmäßiges Ausdauertraining über 100 min bei 70 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme bis zum Entleeren der Glykogenspeicher durchgeführt. Am nachfolgenden Tag mussten die Probanden wieder auf den Ergometer, um ein sehr intensives Intervalltraining von acht mal fünf Minuten Dauer an der absoluten Belastungsgrenze abzuleisten.
Das heißt die Probanden mussten am Anschlag fahren, bis sie nicht mehr konnten. Dann bekamen sie eine Pause von 5 min, um danach in die nächste Wiederholung zu gehen.
Der eigentliche Trick bei dieser Untersuchung war, dass die eine Gruppe vor der Intervallbelastung eine sehr kohlenhydratreiche Diät (High Carb) bekam und die andere musste sich einer Kohlenhydratmangeldiät (Low Carb) unterziehen, die dafür sorgte, dass die Glykogenspeicher dieser Gruppe entleert waren.
Bei der Auswertung dieser Untersuchung stellten die Forscher fest, dass beide Gruppen ihre durchschnittliche Leistung bei den intensiven Leistungen über den Zeitraum der Studie von 3 Wochen verbessert hatten.
Die bei der "Low-Carb"-Gruppe ermittelte Wattzahl lag fast zehn Prozent unter der der Probanden aus der "High-Carb"-Gruppe. Das war auch so erwartet worden, denn diese Gruppe konnte ihre gespeicherten Kohlenhydrate einsetzen, die bei maximaler Belastung verstärkt herangezogen wird.
Die "Low Carb-Gruppe" befand sich im gleichen Zustand, in dem sich ein 35 km Läufer im Training befindet, wenn er sich vorher unterwegs nicht mit Kohlenhydraten versorgt ht. Die "Schlaffheit" des Läufers, hat die "Low Carb" Gruppe sicher auch gespürt.
Die große Überraschung aber kam, als sich beide Gruppen zu einem abschließenden Training mit vollen Glykogenspeichern trafen. In einem Zeitfahren über 40 km konnte die "Low-Carb-Gruppe" nicht nur mithalten, sondern ihre Durchschnittsleistung war mit 29 Watt sogar etwas stärker angestiegen, als die der Kohlenhydrat-Gruppe (27 Watt).
Aber das ist das entscheidende Resultat dieser Studie. Die veränderte Nutzung der körperlichen Ernergiequellen spricht eine besondere Sprache. Sie belegt erstmals, dass unsere Empfehlungen bei langen Ausdauerbelastungen im Training keine Kohlenhydrate zu sich zu nehmen, auch wissenschaftlich belegt richtig ist.
Während sich die Fettverbrennung während der langen Ausdauerbelastung bei der "High-Carb"-Gruppe mit 7,6 Prozent nur wenig steigerte, war sie bei den "Low-Carb"-Radlern um 27,5 Prozent angestiegen. Die Fettsäuren werden durch den stärker involvierten Fettstoffwechsel schneller an die Mitochondrien gebracht und verarbeitet.
Verschiedene die Fettverbrennung steuernde Enzyme zeigten eine deutlich gesteigerte Aktivität. Die Schlussfolgerung der Forscher: Intensives Training mit entleerten Kohlenhydratspeichern führt zu den gleichen Leistungssteigerungen wie jenes mit vollen Glykogenspeichern.
Die Fähigkeit bei langen Ausdauerbelastungen die ökonomischere und praktisch unbegrenzte Energiequelle Fett zu nutzen, verbessert sich durch ein Kohlenhydratmangel-Training aber erheblich. Das lässt den Schluss zu, dass es bei einem Marathon zum Ende hin kaum zu einem Energiemangel kommen wird, wenn man dieses Training anwendet.
Das deckt sich 1 : 1 mit unseren Erfahrungen seit Jahrzehnten. Diese sind wie oben nachzulesen auch in die allgemeinen Trainingsempfehlungen des Greif Clubs eingegangen.
Die Forscher fanden sogar Hinweise darauf, dass die Verbesserung der Fettverbrennung langfristig zu einer höheren Gesamtleistung führen könnte. Was auch zu erwarten war und von dem Autor dieser Zeilen schon mehrfach beschrieben wurde. Denn die Aktivität der Glukosetransportenzyme in der Muskelzelle war im Verlauf der drei Wochen bei der "Low-Carb"-Gruppe wegen nur ganz geringer Belastung fast auf Null runter gefahren.
Es hat sich aber bewahrheitet , dass sich diese Enzyme mit einigen intensiven Trainingsreizen unter "High Carb" wieder reaktivieren lassen, so Dr. Keith Baar, der die Hulston-Studie im Rahmen der 3. Sport Nutrition Conference in Birmingham vorstellte. Auch das wird von uns so schon seit Jahrzehnten empfohlen.
Das bedeutet für dich vor einem Marathon nach einer Kohlenhydrat-Hungerperiode, dass du früh genug wieder Kohlenhydrate zu dir nimmst. Die Erfahrung zeigt das 7 Tage reichen. Damit bringst du deinen Kohlenhydrat-Stoffwechsel wieder in Schwung und füllst die Glykogenspeicher auf. Dein Fettstoffwechsel bleibt in dieser Zeit weiter auf hohem Niveau. Denn auch dass zeigt die Erfahrung: Ist er erst einmal aktiviert, dann läuft er auch auf einem hohen Niveau weiter, wenn es wieder Zucker zum Futtern gibt.
Man sollte hier nur nicht den Fehler machen, jetzt wieder ganz auf Kohlenhydrate umsteigen. Besser ist eine Kohlenhydrat-Eiweißmischung, die zu dem auch deutlich gesunder ist. Nachzulesen bei Dr. Ulrich Strunz und Dr. Wolfgang Feil.
Dieses Trainingssystem kommt so ähnlich daher, wie die alte Saltindiät. Diese hatte aber den unangenehmen Nachteil, dass die Kohlenhydrathungerperiode unmittelbar in der letzten Woche vor einem langen Ausdauerwettkampf liegt. Selbst habe ich mit dieser Diät nur ganz schlechte Erfahrungen gemacht.
Aber es zeigt sich, wenn man diesen Diätweg über einen deutlich längeren Zeitraum geht, dass sich ein erheblicher Leistungsvorteil einstellen kann. Erst heute wird mir klar, dass dies, was wir schon seit Jahren in der Marathonvorbereitung machten, nichts anderes war als eine lang gezogene Diät. So werden wir dieses Verfahren in Zukunft auch Greif-Diät nennen.
Auf noch eines sollte ich hinweisen: Die Aktivierung des Fettstoffwechsels durch "Low Carb" oder Nüchternläufe hat nach 14 Tagen Anwendung den wunderbaren Effekt, dass man mit einer verblüffenden Geschwindigkeit abnimmt. Und das setzt sich auch fort, nach der Wiederaufnahme des Trainings mit moderatem Kohlenhydratanteil. Das habe ich in bestimmt mehr als 20 Jahren an mir selbst ausprobiert.
Dazu aber mehr in einem anderen bald erscheinenden Artikel in diesem Newsletter. Bis dahin wünsche ich dir einen freudigen Übergang in das neue Jahr und für 2010 Glück, Geld und Gesundheit. Und mögen deine Wünsche in Erfüllung gehen.
In diesem Sinne: Es gibt bereits alle guten Vorsätze, wir brauchen sie nur noch anzuwenden.
(Blaise Pascal 1623-1662)