In der letzten Woche haben wir ja hier die Probleme und den Abbau von Alkohol behandelt. Ich möchte nun einmal auf die eigenen Erfahrungen mit Alkohol eingehen und dabei auch die Menschen aus meiner Umgebung betrachten. Dabei meine ich speziell die von mir trainierten Läufer und Läuferinnen und die Sportler, die ich im Verlauf meines Lebens näher kennen gelernt habe.
Als erstes sollte ich einmal erklären: Sportler trinken nicht weniger Alkohol als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung, ich glaube sogar etwas mehr. Und wir hatten ja im letzten Newsletter in einem Fall schon angeschnitten, dass selbst gut trainierte Langstreckenläufer Alkoholiker sein können.
Hierbei handelte sich es aber um einen mäßigen Alkoholiker. Was ist denn nun aber mit den schweren Alkoholikern? Auch die gibt es genug in unserer Szene. In meiner Erinnerung habe ich fünf männliche höchst qualifizierte Marathonläufer und zwei Marathonläuferinnen kennengelernt, die sich täglich betranken.
Diese sieben Personen waren über Jahre regelmäßig in der deutschen dreißiger Marathonbestenliste vertreten. Mit einigen war ich sogar Trainingslager zusammen. Da gab es einen norddeutschen Läufer, den man das Tier nannte. Der soff sich jeden Abend in einen erheblichen Trunkenheitszustand.
Das Erstaunliche war, dass sich dieser Mensch jeden Morgen pünktlich zum Training einfand und keinerlei Anzeichen von Schwäche zeigte. Einige Läufer, die ihn nicht kannten und seinen abendlichen Zustand noch in Erinnerung hatten, versuchten ihn beim Morgentraining abzuhängen.
Das war überraschend kaum jemals möglich. Dieser Läufer keulte los bis der Kies spritzte und die aufmüpfige Konkurrenz kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. "Wie macht er das bloß, wenn ich diese Menge Bier getrunken hätte wie er gestern Abend, dann könnte ich heute Morgen keinen Schritt mehr geradeaus laufen," so einer von den mäßigen Trinkern, die den Spitzensäufer herausgefordert hatten und schmählich von ihm abgebügelt wurden.
Bei einem anderen Läufer bemerkten wir lange nicht, dass er ein Alkoholiker war. Der hatte den Trick drauf, dass er abends in die Kneipe ging und drei Bier trank. So war jeder überzeugt, dass er ein gemäßigter sozialer Trinker war. Nur wurde dabei übersehen, dass er am Abend bis zu zehn Lokale aufsuchte.
Dies alles erzählte er uns, nachdem er einen Alkoholentzug hinter sich hatte und auch mit seiner Umgebung reinen Tisch machen wollte. Soweit ich weiß, ist er auch niemals wieder rückfällig geworden.
Ganz anders ging es einem Jugendlichen, der schon ganz früh anfing das Weizenbier literweise in sich hinein zu schütten. Er war ein absolutes Talent und Teilnehmer an einer Cross-Weltmeisterschaft. Bei dieser lief er ein ganz starkes Rennen und war bis zur Hälfte der Distanz schneller als Dieter Baumann, der schon bei den Junioren startete.
Das war ein legendäres Rennen, aber nach diesem Rennen betrank der Jugendliche sich dann so schlimm, dass ein Nationaltrainer sagte: "So etwas habe ich bei einem Jugendlichen noch nie gesehen!".
Diese Alkoholexzesse gingen leider in seinem ganzen Leben weiter. Es gab immer wieder Zeiten, auch über Jahre in denen er nichts mehr trank. Aber genauso oft gab es die Rückfälle in den Alkoholismus. Wenn er raus war aus seiner Krankheit, dann kommunizierte er mit mir, wenn er aber wieder soff, war es nicht mehr möglich ihn irgendwie anzurufen oder anzuschreiben.
So habe ich jetzt auch schon seit einigen Jahren keinen Kontakt mehr mit ihm. Vor einigen Monaten hörte ich von Dritten, dass er wieder einmal weg vom Stoff sei. Aber das kann im Augenblick schon genauso wieder vorbei sein. Bedauerlich aber ist, dass man wohl dieser Personengruppe am schlechtesten helfen kann. Festzuhalten ist noch: Dieser Läufer lief mit Alkohol genauso schnell wie ohne.
Auch vom meinem eigenen Verhalten in Bezug auf Alkoholkonsum kann ich berichten. Dazu muss ich noch einmal auf die Energiemangel-Sache aus dem letzten Newsletter zurückkommen. Wir waren in den neunziger Jahren jahrelang im Frühjahr auf der Insel Djerba in Tunesien in einem Trainingslager.
Dort veranstalteten wir eine läuferische Wüstentour mit Geländewagenbegleitung. In den ersten Jahren mussten wir in sehr mäßigen Hotels schlafen und das Essen war wirklich mäßig. Das Problem war aber eigentlich die Größe der Portionen. Die Restaurants waren auf bescheidene Tunesier eingestellt und nicht auf ausgehungerte Marathonläufer.
So wurden wir kaum jemals richtig satt. Ein Teller Couscous mit einem winzigen Stück Huhn und etwas Gemüse drin macht keinen verhungerten Läufer satt. Nachschlag gab es nicht, es wurde nur so viel gekocht wie nötig war. Das einzige was es reichlich gab war Bier und so haben wir notgedrungen deutlich mehr Bier in uns hereingeschüttet, als wir es gewohnt waren.
Aber es half unseren Kalorienbedarf zu decken. Andere Möglichkeiten hatten wir nicht, denn es gibt in der Wüste keinen Kiosk am Wegesrande, wo wir uns mit ein paar Schokoladenriegel hätten eindecken können.
Und das Witzige war daran, dass wir keinerlei Probleme mit den großen Mengen Alkohol hatten. Jeden Morgen ging es los durch ddie felsige Sahara und das bis zu 35 km. Auch da wurde mir weiter klar, dass es andere Möglichkeiten der Alkoholverbrennung als nur über die Leber geben musste. Dies ist im Grunde genommen genau das gleiche, wie in der Vorwoche beschrieben: Der direkte Abbau des Alkohols über die Zelle.
Im normalen Trainings-Rahmen ging es mir persönlich so, dass ich in meinem Hochleistungs-Zeitraum immer Appetit auf Alkohol hatte und mir jeden Abend zumindest eine Flasche Wein oder drei halbe Weizenbier in den Bauch schüttete.
Nur wunderte ich mich, dass diese Appetit auf Alkohol in Regenerationszeiträumen nachließ. Das kann ich auch heute noch erfahren, wo ich nur noch Ausdauer-Gesundheitstraining betreibe. Mein abendlicher Bedarf nach Alkohol ist sehr eingeschränkt.
Es schmeckt mir ein Glas Wein oder auch zwei und dies in der Regel mit Wasser verdünnt, mehr mag ich nicht. Schade! Nur im sozialen Rahmen kriege ich dann wieder einmal 3-4 Glas Wein oder drei Halbe herunter.
In meiner besten Zeit versuchte ich auch einmal völlig abstinent zu leben. Für drei Monate stellte ich meinen Alkoholkonsum komplett ein. Das Resultat: "Ich konnte weder besser trainieren, noch wurden meine Zeiten besser." Ich konnte keinen Unterschied zwischen Suff und Abstinenz feststellen.
Nun ist es an der Zeit ein Fazit zu ziehen. Aus meinen langjährigen Praxiserfahrungen kann ich keine negativen Auswirkungen des Alkoholkonsums in Bezug auf Leistung feststellen. Beurteilen kann ich natürlich nicht wie er sich in Bezug auf Krankheiten wie zum Beispiel Krebs auswirkt.
Das kann mit großer Sicherheit niemand, denn wer macht schon eine lebenslange Studie mit Ausdauersportlern in Bezug von Alkoholkonsum und den daraus resultierenden Erkrankungen. Diese Studie wird es niemals geben, davon bin ich überzeugt.
Darum musst du dich mit den Erfahrungen aus der Praxis wahrscheinlich auf Dauer zufrieden geben. Natürlich haben auch andere Erfahrungen mit Alkohol gemacht. Trotzdem warnen Mediziner immer wieder vor den negativen Auswirkungen des Alkohols auf die Gesundheit.
In der Fachzeitschrift Runners World nimmt dazu eine Ernährung-Spezialistin Stellung: "Dürfen Läufer Alkohol trinken. "Ja, sie dürfen", meint Dr. Nancy Clark, Spezialistin für Sporternährung vom American College of Sports Medicine.
Ich will niemanden zum Trinken animieren, doch wenn sich Sportler ab und zu ein Gläschen gönnen, kann das der Gesundheit durchaus förderlich sein, sagt Nancy Clark.
Hinzu komme auch ein psychologischer Nutzen, wenn man mit Freunden in angenehmer Runde einen Tropfen genießt."
Dem schließe ich mich an Frau Doktor und in diesem Sinne Prost!