Heute müssen wir uns einmal an ein ganz heikles Thema heran machen. Dieses wird in der Läuferszene mehr oder minder unterdrückt. Über Alkohol wird nur im Spaß geredet, aber eine ernsthafte Diskussion über Alkohol und Alkoholiker im Laufsport wurde bisher, soweit ich weiß, noch nicht geführt.
Indiziert hat diesen Text einer, und zwar mit dem Namen Michael, der sich an mich wandte und bat das Alkohol Problem von Läufern einmal aufzugreifen. Er schrieb:
"Hi, Peter! Ich möchte Dich nicht nerven, habe aber leider wieder ein Problem, was ich gerne öffentlich machen würde. Vor Jahren hatte ich mit Alkohol schon einmal zu tun und mir damit so manchen Wettkampf, auf den ich mich lange vorbereitet hatte, versaut. Heute laufe ich zwar keine Wettkämpfe mehr, sondern nur noch für mich, allerdings auch täglich.
Das Alkoholproblem ist nun leider aber wieder zurückgekehrt, was mich ganz schön nervt. Vielleicht mag der eine oder andere denken, dass man ja einfach damit aufhören muss und schon ist es vorbei, aber so leicht löst es sich offenbar nicht auf. Ich selber würde mich als einen bezeichnen, der über einen ziemlich starken Willen verfügt.
An sich gelingt mir das, was ich mir vornehme und was ich will. Beim Alkohol sieht es aber anders aus, hier hilft die Willenskraft nicht wirklich. Ohnehin ist diese Kraft in aller Regel maßlos überschätzt. Eine viel wesentlichere Kraft ist die der Vorstellung, dass ich etwas schaffen kann. Nur das, was ich mir wirklich zutraue, was ich quasi in der Fantasie schon erledigt habe, gelingt mir auch. Das nur am Rande.
Ich habe über die Jahre, die ich jetzt aktiv laufe, den Eindruck gewonnen, dass unter Läufern relativ oft dieses Alkoholproblem zu entdecken ist. Vielleicht fällt es bei den meisten nicht so auf wie bei mir, weil sie im Suff eben nicht auffällig werden, aber ich glaube, dass es relativ oft vorhanden ist. In manchem Sportverein hatte ich den Eindruck, dass viele gerade des anschließenden Bieres wegen dorthin gehen und eben gar nicht sooo sehr des Laufens wegen.
Heute beginne ich einen neuen Versuch in die absolute Abstinenz, die ein wunderbarer Zustand ist. Alkohol wird ja nie getrunken, weil er schmeckte, sondern allein der Wirkung wegen. Das aber, würde ich behaupten, ist schon krank. Ich meine das keinesfalls als Vorwurf. Krank aber ist es. Ist aber etwas krank, fehlt in aller Regel etwas und im Falle von Alkohol ganz bestimmt. Danach also mache ich mich jetzt auf die Suche!
Servus und besten Dank, dass ich Dir die Zeit stehlen durfte! Michael.
P.S. Solltest du mal einen Newsletter zum Thema machen wollen, kannst Du mich guten Gewissens auch namentlich zitieren. Je öffentlicher mein und das Problem allgemein gemacht wird, desto besser. Nur das, was man kennt und anschauen kann, kann auch die Macht über einen verlieren. Und Fakt ist, dass der Alkoholiker, der ich zweifellos bin, vom Alkohol beherrscht wird. Er ist also unfrei. Das soll, das wird sich jetzt in meinem Leben ändern. Daran will ich glauben!"
Ja, alles was Michael hier schreibt können wir, glaube ich, alle unterschreiben. Wir wissen was los ist, aber warum diskutieren wir die ganze Sache nicht ernsthaft unter uns. Auch ich habe mich um dieses Thema immer gedrückt und jetzt lege ich mir dieses Ei selbst ins Nest. Und das ist von der einen Seite der schwarze und der andern Seite der weiße Ritter.
Um es vorweg zu nehmen bin ich nicht der Meinung von Ulrich Strunz, der sagt das Alkohol grundsätzlich schädlich ist. Damit mag er richtig liegen bei Normalbürgern, aber nicht bei uns. Und ich werde dies auch erklären warum. Und im Geheimen kann ich auch verraten, dass der Doktor speziell nach schweren Wettkämpfen auch das ein oder andere Bier trinkt.
Heute werde ich erst einmal darauf eingehen, was chemisch und biologisch im Organismus passiert, wenn ein Läufer mehr oder weniger Alkohol trinkt. In ein oder zwei weiteren Kapiteln wird dann hier an dieser Stelle über Dinge gesprochen, wie Alkohol vor dem Wettkampf und innerhalb der Trainingsphase.
Ich will dir keine Angst machen, aber auch die Gefahren des Alkoholgenusses nicht herunter reden. Es gibt in unserer Szene eine erhebliche Zahl von Alkoholikern. Wahrscheinlich mehr, als du es glauben magst.
Der Schreiber dieser Zeilen aber ist seit 40 Jahren in dieser Szene und du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele von uns sich heute und früher dem Trunk ergeben hatten oder haben und dennoch sehr gute Zeiten liefen.
Diesen Umstand hat der Michael oben genauestens beschrieben. Ich würde mich freuen wenn einige Leute mehr zu dieser Problematik Stellung nehmen würden. Dann hätten wir in unserem Bereich die ganze Sache einmal aktuell ausdiskutiert und könnten auf gesicherte Erfahrung zurückgreifen. ich denke es würde auch der Triathlonszene helfen, in der die gleichen Probleme vorherrschen.
Ich habe mich sehr früh mit der Problematik Alkohol beschäftigt. Und zwar konnte ich nicht verstehen warum ich nach einem normalen Training von drei halben Kristall schon schwindelig war und nach einem Marathon nach sechs Flaschen noch geradeaus laufen und einwandfrei artikulieren konnte.
Das geht nicht nur mir, sondern auch vielen anderen, besonders hoch leistungsfähigen Läufern so und sie berichten davon. Ich habe dann mehrfach mit Wissenschaftlern gesprochen und sie nach diesen Phänomen gefragt. Sie hatten dafür keine Erklärung.
Meine eigene Ideen dazu sah ganz anders aus: "Es muss einen zweiten Weg des Alkoholabbaus neben der Leber geben." Da wurde ich dann völlig ausgelacht. "Da müsste aber die Biologie ganz neu geschrieben werden", war das Argument. Und ich schwor mir: "Und den gibt es doch, die können reden was sie wollen." Ich habe nämlich während des Studiums der Brauerei zwei Semester Biologie und vier Semester Mikrobiologie belegt. Diesen Erkenntnissen nach musste es den zweiten Weg geben.
Und wie immer früher, kam von einigen dieser Experten: "Greif ist ein Spinner!" Stimmt ja auch, dass ich ein Spinner bin aber ich kann trotzdem klar denken. Sobald ich die Herren Professoren dann einmal eine Studie zu machen bat, mit einem Alkoholkonsum nach Alltagstraining und nach einem Marathon-Wettkampf, lehnten alle unisono ab. Ihre Begründung war wörtlich: "Dann saufen die noch mehr!"
Immer wieder probierte ich es, ob jemand etwas von diesem möglichen sekundären Weg des Alkoholabbaus wusste. Du wirst es nicht glauben, ich habe das bestimmt fünf oder sechs Mal probiert und immer die gleiche blöde Erklärung der Wissenschaftler bekommen. Ich hab's dann irgendwann aufgegeben weiterhin zu insistieren, aber nachgelassen zu denken, habe ich nicht.
Irgendwann in diesem Jahr 2012 lernte ich eine ältere in Frankreich lebende deutsche Biologin kennen. Die liebte ihren Rotwein und wir kamen dann auch auf das Problem Alkohol zu sprechen. Und ich berichtete von dieser Diskrepanz der Alkoholverträglichkeit zwischen nach Training und nach Marathonwettkampf und sagte zu ihr, dass es einen zweiten Weg des Alkoholabbaus geben müsse.
Und sie antwortete ganz nonchalant: "Selbstverständlich gibt es den, die Zelle allein kann auch Alkohol abbauen." In meinem Gehirn schlugen diese Worte wie eine Bombe ein. Na klar, die Zelle kann allein alles das, was der Körper in seiner Gesamtheit auch kann. In jeder einzelnen Zelle ist die gesamte Genetik unseres Organismus gespeichert und somit auch die Fähigkeit Alkohol abzubauen.
Mann, haute mich das um. Diese ganzen Fuzzys von Professoren hatten keine Ahnung und diese ältere Dame erklärte es mir ganz beiläufig. Damit war auch sofort die so hohe Alkoholverträglichkeit nach dem Marathon geklärt.
Nach Ende dieses Wettkampfes ist der Körper in einen schweren Energiemangelzustand und versucht natürlich diesen Mangel auszugleichen. Und da kommt ihm der zu Verfügung stehende Alkohol gerade recht. Dieser wird sofort verheizt und die Abbauprodukte wie das giftige Acetaldehyd verstoffwechselt.
Alles einfach und logisch und es ist bisher noch niemand darauf gekommen. Damit möchte ich für heute schließen. Die weitergehenden Probleme des Alkoholkonsums werde ich in der nächsten Woche an gleicher Stelle hier behandeln. Bis dahin: "Saufe nicht so viel!" Kommt uns irgendwie bekannt vor, oder?