Thorsten hat Aua, ihm schmerzt die Ferse. Er kann nun nicht mehr laufen. Der Physio verordnete ihm eine Trainingspause, unterstützt von einer Salbe. Sofort schrieb er auch an seinen Trainer, mit der Bitte einen Aufbauplan nach Heilung bereit zu stellen.
Der Trainer, das war ich, antwortete: "Bei einer banalen Sportverletzung über 7 Tage brauchst du keinen nachfolgenden Aufbauplan. Du kannst dann sofort wieder in dein Programm gehen. Nach 3 Tagen Training bist du wieder voll fit."
Du kannst dir gar nicht vorstellen, welche erstaunten und verärgerten Reaktionen ich an den Kopf geworfen bekam, wenn ich anderer Meinung war: "Ich möchte einen Plan, der mich mindestens von 2 Wochen aufbaut - ich war ja so kaputt."
Diese Leier spielen meist Anfänger seit Jahrzehnten. Generationen konnten nicht verstehen, dass der Trainer es besser wusste. Die Erfahrung war meist, dass die Verletzung öfter schneller abgeheilt war als gedacht.
Jetzt ist in dem Newsletter des Wissensmagazin „scinexx“ 05/2018 ein Bericht veröffentlich worden mit dem Titel „Muskeln haben ein Gedächtnis“. Nachfolgend Auszüge von deren Text:
© Kristy Pargeter/ thinkstock
Unsere Muskeln "erinnern" sich an früheres Wachstum: Sie wachsen stärker und schneller, wenn sie schon früher einmal gut trainiert waren. Warum, haben Forscher nun herausgefunden. Verantwortlich sind demnach DNA-Anlagerungen in den Muskelzellen, die die Genaktivität anhaltend verändern. Unsere Muskeln "erinnern" sich an vergangene Wachstumsphasen.
Ob beim Leistungssport, Joggen oder dem Training im Fitnessstudio: Jeder, der schon einmal Sport gemacht hat, weiß, wie anpassungsfähig unsere Muskeln sind.
Werden sie regelmäßig beansprucht, wachsen sie und nehmen an Kraft zu. Sind sie dagegen ruhiggestellt – beispielsweise durch eine Sportpause oder Krankheit, dann schwindet die Muskelkraft rapide.
Doch was ist, wenn man nach einer Pause die Muskeln erneut trainiert? Beeinflussen dann vergangene Erfahrungen das Wachstumstempo und den Kraftgewinn der Muskeln? Bisher gab es auf diese Frage keine eindeutige Antwort. Ob Muskeln ein Gedächtnis haben und wie dieses beschaffen ist, blieb daher unklar – bis jetzt.
Britische Forscher um Robert Seaborne von der Keele University haben jetzt erstmals Belege für die Existenz eines echten Muskelgedächtnisses gefunden. Für ihre Studie ließen sie acht junge Männer zunächst sieben Wochen lang intensiv trainieren. Darauf folgte eine Pause von sieben Wochen und dann erneut ein siebenwöchiges Muskeltraining. In jeder der drei Phasen ermittelten die Forscher die Muskelmasse und Kraft der Probanden.
Doppelter Zuwachs: Wie erwartet machte sich das Training positiv bemerkbar: Die Beinmuskeln der Teilnehmer gewannen in den ersten sieben Wochen 6,5 Prozent an Masse und ihre Kraft stieg um 9,3 Prozent, wie die Forscher berichten. In der Bewegungspause ging beides wieder zurück, wenn auch nicht ganz bis auf den Ausgangszustand.
Das Spannende aber folgte in der zweiten Trainingsphase: Obwohl auch sie nur sieben Wochen lang war, wuchsen die Muskeln der Probanden in dieser Zeit doppelt so stark.
Sie legten zwölf Prozent an Masse zu und 18 Prozent an Kraft. Offensichtlich hinterlässt das frühere Training Spuren im Muskel, die ihn später zu verstärktem Wachstum motivieren. Der Muskel "erinnert" sich demnach an seine früheren Erfahrungen.
Epigenetische Veränderungen: Sitzt hier möglicherweise auch das "Gedächtnis" der Muskeln? Genau dies enthüllte der Vergleich von mehr als 850.000 Bindungsstellen an der DNA. Die Forscher stellten fest, dass das erste Training große Teile der Muskelzell-DNA von den epigenetischen Anlagerungen befreite. Als Folge stieg auch die Genaktivität. Diese Veränderungen blieben während der Sportpause weitgehend erhalten und verstärkten sich dann in der zweiten Trainingsphase noch.
Anhaltende Genaktivierung: Dieser Effekt führt dazu, dass viele wachstumsfördernde Gene nach einer Trainingsphase dauerhaft aktiver bleiben. "Das Wichtige ist, dass diese Gene auch beim Muskelabbau freibleiben", betont Seabornes Kollege Adam Sharples.
"Wenn man dann später erneut trainiert, sorgen diese epigenetischen Veränderungen dafür, dass die Genaktivität und damit das Muskelwachstum noch stärker angekurbelt werden."
Das aber bedeutet: Jede unserer Muskelzellen speichert vergangene Erfahrungen ab – und dies direkt am Erbgut. "Der Muskel hat ein epigenetisches Gedächtnis, durch das er sich an früheres Wachstum erinnert", erklärt Sharples. Das Wissen um dieses Gedächtnis könnte bei der Reha-Behandlung nach Verletzungen helfen.
Wenn man herausfindet, welche Trainingsprogramme das Muskelgedächtnis am besten aktivieren, dann könnte das die Wiederherstellung der Muskelkraft beschleunigen."
Also: Du solltest nicht traurig sein, wenn du dich in der Mitte des Marathons eine Woche verletzt. Du kannst schon nach 3 Tagen wieder auf dem alten Niveau sein oder sogar mit verstärkter Kraft.