Vor einigen Tagen kam eine Anfrage, wie man einen langen Berglauf bestreiten könnte. "Wir, meine Frau und ich möchten im Sommer 2018 den Jungfrau Marathon laufen möchten. Gibt es dafür einen Trainingsplan von dir?"
Beim Nachdenken bekam mir die Erinnerung, dass ich schon vor langen Jahren einen Text über darüber geschrieben habe. Da sich dieses Thema nicht geändert hat. So habe ich diesen Text nachfolgend modernisiert:
Manchmal bringen mich Mails von unseren Clubmitgliedern schwer in das Grübeln. Kann das denn sein, so dachte ich, als mir M. R. aus (CH) Breitenbach einen Textauszug aus der Baseler Zeitung mit dem Titel: "Fettverbrennung: Am Berg spinnt der Körper" sandte?
Die Autorin N. K. schrieb:
"Kürzlich veröffentlichte das SAC-Magazin 'Die Alpen' einen Artikel über die Fettverbrennung von Bergsteigern – basierend auf einer neuen, sehr aufwändigen Studie von Schweizer Höhenmedizinern. Erstmals ist dem Zentrum für Labormedizin des Kantonsspitals Aarau mittels Blutanalysen gelungen, ein Gesamtbild der Stoffwechselveränderung in großer Höhe zu erhalten. Der Körper zapft sofort Fettreserven an, übergeht die Kohlenhydratdepots.
An der Studie haben 30 Höhenbergsteiger teilgenommen. Während sie am Muztagh Ata (7546 Meter, China) und dem Pik Lenin (7123 Meter, Kirgistan) aufstiegen, hat man ihnen regelmäßig Blut entnommen. Die insgesamt 1000 Proben wurden tiefgefroren und in die Schweiz transportiert.
Resultat: Die Blutanalysen zeigten 'nicht nur heftige, höhenbedingte Stressreaktionen', sie gaben auch Aufschluss über die Energiegewinnung des Körpers in großer Höhe. Am meisten Veränderung entdeckten die Forscher beim Fettverbrauch: Je höher die Testpersonen aufgestiegen sind, desto mehr Fett wurde von ihren Körpern verbrannt. Der Kohlenhydrat-Verbrauch blieb dagegen gleich.
Diese Erkenntnis überraschte die Höhenmediziner. Denn normalerweise greift der Körper als erstes auf die Kohlenhydrat-Depots zurück und erst danach auf die Fettreserven. Zudem braucht die Energiegewinnung über Fettreserven mehr Sauerstoff als die Verarbeitung von Kohlenhydraten.
Und bekanntlich wird der Sauerstoff immer knapper, je höher man am Berg aufsteigt. 'Der Körper zapft also trotz Sauerstoffmangel nicht die am einfachsten verfügbaren Energiereserven an, sondern greift im Höhenstress bereits ab 4000 Metern auf die Fettreserven zurück', bilanziert Höhenmedizinerin Jacqueline Pichler gegenüber 'Die Alpen'.
Bereits in 4000 Metern Höhe gerät der Körper in den Ausnahmezustand
Weshalb der Organismus in dieser Extremsituation Fett als Energielieferant bevorzugt und so paradoxerweise Sauerstoff verschwendet, wissen die Forschenden nicht. Sie vermuten aber, dass der Körper aufgrund seines Ausnahmezustandes eine 'normale' Energieaufnahme als nicht mehr möglich erachtet und im Sauerstoffstress 'auf Überleben' und die Verbrennung von Fettreserven schaltet.
Oder kurz zusammengefasst: Über 4000 Metern beginnt der Körper zu 'spinnen'. Anders als etwa vor einem Marathon, sollte man also vor einer Bergtour nicht Spaghetti essen, sondern Fettiges."
Weiterhin kommentierte Natascha Knecht:
"Mich und meine Alpinistenfreunde verblüfft dieses neue Forschungsergebnis wenig. Von Profi-Höhenbergsteigern weiß ich, dass sie während der Vorbereitungsphase wenig Kohlenhydrate essen und kurz vor dem Gipfelsturm eine 'Fett-Kur' machen. Während der Aufstiegsbelastung helfe Koffein, um die Fettreserven schneller anzuzapfen. Und schon Erhard Lorétan hatte sich damals – Jahrzehnte vor dieser Studie – vor seinen Besteigungen der Achttausender im Himalaja ein deftiges 'Fondue einverleibt', wie er im Buch 'Den Bergen verfallen' geschrieben hat.
Wir müssen nicht mal zu den höchsten Gipfeln der Erde, um außergewöhnliche Ess-Erfahrungen zu sammeln. Komme ich nach einer gewöhnlichen Hochtour in der Schweiz zurück ins Tal, habe ich danach tagelang Hunger. Und zwar Extrem-Hunger. Ich fühle nur noch Fleisch und Knochen, das Körperfett ist weg. Und wenn ich danach eine Woche lang nicht so viel esse wie etwa drei Bauarbeiter zusammen, dünne ich noch mehr aus. Ich interpretiere das als Nachverbrennungs-Effekt.
Trotzdem finde ich es gut, gibt es jetzt eine Studie. Wie viel sie gekostet hat, wurde nicht kommuniziert. Aber wenigstens sehen wir jetzt unser bisheriges Bauchgefühl betreffend Ernährung im Hochgebirge schwarz auf weiß bestätigt.
Studie mit Übergewichtigen auf der Zugspitze
Übrigens: Auch die Ludwig-Maximilians-Universität München machte eine Studie. Die Forscher ließen 20 übergewichtige Menschen eine Woche auf der Zugspitze (2650 Meter, Deutschland) verbringen. Das Ergebnis: Ohne Diät und Sport nahmen sie im Durchschnitt 1,5 Kilo ab. Ihr Ess- oder ihr Bewegungsverhalten änderten sie in dieser Zeit nicht."
Wie kann man diese Sache nun betrachten? Sollen wir alle in das Höhentraining gehen, möglichst nach Mexiko auf über 4000 m oder reicht schon ein Aufenthalt in Davos, Seiser Alm oder St. Moritz, um rank und schlank wieder nach unten zu kommen.
Ferner kann man darüber nachdenken, ob nicht der Effekt des Höhentrainings an der Leistungssteigerung danach durch den Gewichtsverlust der Sportler allein oder in Teilen geschuldet ist.
Und wie kann es denn sein, dass der Körper sich derartig an seinen Fettreserven vergreift? Die er doch als eiserne Reserve vorhält? Da ich keine große, aber doch ausreichende Bergerfahrung habe, kann ich auch dort doch Hinweise und Analogien finden.