Aus aktuellem Anlass werde ich mich nicht wie vorgesehen mit den Maßnahmen beschäftigen, die von außen anzuwenden sind, um bei Hitze gut über die Runden zu kommen, sondern ich möchte heute mehr darauf eingehen, wie man mit dem Umstand umgeht, in einem Marathon nicht das Ziel erreicht zu haben, welches man sich erträumt hat.
Besonders in diesen Tagen häufen sich die Mails, die von geradezu großartigen Leistungssteigerungen berichten. Es wurden speziell in München und Köln Zeiten von einer schier unglaublichen Qualität gelaufen. In unseren Highlights wird darüber noch zu berichten sein.
Nicht berichtet wird meistens über die, die ein angebliches Versagen im Marathon melden. Das sind meist Läufer oder Läuferinnen, die sich eine bestimmte Zeit in einem Marathon vorgestellt hatten, diese aber leider nicht erreichen konnten. Die Gründe sind vielfältig, aber fast alle haben eines gemeinsam, die Betroffenen liefen Bestzeiten, waren aber total unglücklich, weil diese Bestzeiten nicht ihrem Traum entsprachen.
Es sind nicht wenige, die sich eine Zeit unter drei Stunden vorstellten und sich am Ende dann zum Beispiel nur mit einer 3:07 h zufrieden geben musste. Von den Betroffenen scheinen einige, aufgrund dieses angeblichen Versagens, seelisch schier durchzudrehen. Die schöne gelaufene eigene Bestzeit wird gar nicht betrachtet, sondern nur das verfehlte Traumziel fokussiert. Natürlich ist das verständlich, wir haben alle unsere Traumziele. Diese Ziele sollten wir auch nicht verlieren, sondern ihnen wie einem Wegweiser folgen.
Nur, eine Selbstzerfleischung wegen eines nicht erreichten Ziels ist völlig sinnlos. Auffällig ist, dass die Verzweifelten nicht gerade die sind, die nun eben gerade ihre Bestzeit von 3:02 auf 2:59 bringen wollten, sondern es sind die Läufer oder Läuferinnen, die davon träumten den großen Sprung zu schaffen. Von 3:20 auf 2:58, dass ist für viele der große Traum. Es muss der große Big Bäng sein!
Ich kann nur jedem wünschen - das hört sich jetzt etwas gemein an - dass es diesen großen Knall für ihn nicht gibt. Denn ich kenne eine Vielzahl von guten und ehrgeizigen Marathonläufer(innen), die in ihrem Leben unter optimalsten Bedingungen einmal eine Traumzeit erreichten. Leider waren die Folgeversuche diesen Rekord zu knacken, oft mit Misserfolg gekrönt. Diese Leute hatten kein schönes Sportlerleben mehr. Was sie auch immer liefen, immer waren sie am Ende enttäuscht.
In der Sicht auf einen Big Bang wird vielfach ein Umstand vergessen, der oft anzutreffen ist: Jemand strebt eine ganz bestimmte Zeit an. Alle Unterdistanz-Zeiten weisen auch daraufhin, dass diese Zeit erreichbar ist. Nur leider liegt die angestrebte Bestzeit sehr weit von dem bisherigen Marathonrekord entfernt. Ich kann es mir selbst nicht erklären warum, aber oft gehen die Versuche schief, mit einem großen Sprung den Hausrekord zu verbessern. Die Enttäuschung ist in diesen Fällen besonders groß.
Das heißt mit anderen Worten: Für das seelische Wohl sollte man sich seinem Rekord besser in kleinen Schritten nähern. Es kommt sehr selten vor, dass jemand mit einer Bestzeit von über 3:10 h, gleich eine Zeit unter drei Stunden läuft. Das passiert in der Regel nur "Frischlingen", die in der Regel größere Sprünge machen. Besser ist es, sich der 3-Stunden-Marke erst einmal auf drei bis fünf min zu nähern, um sie dann mit Ziel 2:57 - 2:58 anzugreifen.
Wenn nun dieses Ziel dennoch nicht erreicht wird, dann ruft dieses scheinbare Versagen in den Augen des Betroffenen nicht selten eine Panikreaktionen hervor. Diese Reaktion mündet nicht selten in eine Frage an mich, die lautet: "Kann ich in Frankfurt oder anderswo noch einen weiterer Marathon laufen? Ich brauche ein Erfolgserlebnis."
Natürlich kann man drei bis vier Wochen nach einem Marathon einen weiteren Lauf starten, aber die Erfahrung zeigt, dass diese Marathons in der Regel in die Hose gehen. Das liegt einmal an dem Umstand, dass in unserem Trainingsystem die Form zur Zeit gnadenlos in den Keller geht. Zweitens wird in den letzten 14 Tagen vor dem Marathon nicht mehr richtig trainiert, und nach dem 42,2 km-Rennen muss dann auch erst einmal eine Regeneration von 2 Wochen nachgeschaltet werden.
Realistisch betrachtet, wurde dann fast vier Wochen kein adäquates Marathontraining mehr betrieben. Darum sind die nachgeschalteten Panikmarathonläufe auch selten von Erfolg gekrönt. Grundsätzlich sollte jeder, der nicht zufrieden ist mit seiner aktuellen Herbst-Marathonzeit, jetzt in die Regeneration gehen, um später einen neuen Aufbau zu starten. Man muss es auch einmal mit Demut hinnehmen, dass es nicht bei jedem Marathonstart so klappt wie geplant.
Und wenn Holger Meier während des Wintertrainings wieder von seiner tollen Bestzeit aus 2006 schwärmt, lasse dich motivieren, im nächsten Jahr bekommt der Druck, dass ihm die Tränen in den Augen stehen.