"Gerade vor kurzem rief mich ein Facharzt an und beschrieb seine ziemlich schlimme Verletzungsmisere und meinte dazu: "Der Orthopäde hat mir geraten zu dehnen und auch Krafttraining zu machen. Ich bin ja auch immer nur gelaufen, ich habe einfach keine Zeit zu mehr." So denken und handeln viele von uns. Hauptsache km, alles andere wird schon werden. Außerdem habe ich habe Zeit.
Falls du auch dieser Glaubensrichtung nach hängst, dann kann ich dir ganz unter uns anvertrauen: Den größten Zeitgewinn für private Unternehmungen kannst du erzielen, wenn du ganz konsequent jede Gymnastik, Dehnung und Kraftarbeit weglässt. Es klappt zwar nicht auf Anhieb. Manchmal dauert es gar Jahre, dann hast du plötzlich Zeit in Mengen. Warum? Weil du nicht mehr laufen kannst, in dem sich dein Körper rächt, wenn du ihn so verschludern lässt.
Die Verletzungen kommen bei so einem Verhalten mit 100%-iger Sicherheit. Und wenn du dann keinen Schritt mehr vor dem anderen machen kannst, dann hast du die Zeit, die du dir immer gewünscht hast. Wenn du abends mit dem großen Aua auf dem Sofa sitzt und dir sagst: "Hätte ich doch bloß!"
Die Argumente der Gymnastikphobiker sind immer gleich: "Warum muss ich denn dehnen? Ich laufe jetzt schon 5 Jahre und komme ohne jede Gymnastik aus." Ja, das kann schon sein. In der Jugend sind die Muskeln und Sehnen elastisch und stark. Aber mit jedem Tag den du älter wirst, schwindet diese Elastizität. Das hat zur Folge, dass dein Bewegungsspielraum kleiner wird. Zum Beispiel wird dein Schritt kürzer. Das bemerkst du am Anfang noch gar nicht, du wirst nur langsamer und schiebst es auf nachlassende Ausdauer. Aber das ist es nicht allein.
Am Beispiel eines Teils des Laufschritts möchte ich dir das klarmachen. Zum Laufen musst du dein Knie anheben. Wenn du schon die 40 Jahre überschritten hast, dann weißt du, dass du früher dieses Knie locker bis fast an die Brust heben konntest. Wenn du es jetzt im Stehen versuchst, kannst du deinen Oberschenkel auch noch gut heben. Nun strecke aber deinen Unterschenkel beim Heben einmal nach vorn. Du wirst plötzlich spüren, dass sich das untere Beinteil gar nicht mehr so ganz gut ausstrecken lässt, weil sich deine hintere Oberschenkelmuskulatur dagegen wehrt. Besonders dann, wenn du deinen Oberkörper aufrichtest.
Na ja, wirst du denken, aber zum Laufen reicht es noch locker. Es reicht noch, aber nicht mehr locker. Denn die hintere Oberschenkelmuskulatur stoppt die Streckung des Unterschenkels ja nicht abrupt, sondern schleichend. Und so setzt diese Bremse auch schon ein bevor du es bemerkst. Du läufst und hebst dein Knie und hinten ziehen die Muskeln, weil ungewohnt gedehnt, schon langsam wieder zurück. Du arbeitest gegen deine eigenen Strukturen, wendest also völlig unnötig Kraft auf.
Je schneller du läufst, desto höher musst du das Knie heben und umso stärker wirkt die eigene Muskelbremse. Das hat Folgen und zwar dramatische! Du hast sicher schon von den, wie ich sie nenne, Monotonikern gehört. Das sind die Läufer(innen), die im Rennen von 10 km über Halbmarathon bis hin zum Marathon alles im gleichen Tempo laufen. Sie haben nur einen einzigen kurzen Schritt zur Verfügung, mit dem sie ökonomisch laufen können.
Vielfach haben diese Leute ihren kurzen Schritt mit einem immer währenden langsamen Trainingstempo einfach antrainiert und dieses Bewegungsmuster als das richtige im Hirn hinterlegt. Vielfach ist es aber auch so, dass die Monotoniker durch ihre eigene "Steifheit" zum sogenannten "Pillepalleschritt" gezwungen werden. Sie beugen sich oft lethargisch dieser Schwäche. "Auch wenn ich dehne, werde ich über 10 nicht schneller."
Na klar, ist dieser Schritt erst millionenmal gelaufen, möchte das Gehirn nichts anderes mehr machen, weil der "Pillepalleschritt" immer so superlocker kommt. "Pah, mein Tempo kann ich immer laufen, auch wenn es berghoch geht!"
Brechen kann man diese Schrittmonotonie nur, wenn man seine Muskel- und Tempo-Elastizität verbessert. Dazu müssen immer wieder Steigerungen gelaufen und das Trainingstempo variiert werden. Sehr hilfreich zur Verbesserung der Tempoelastizität ist auch das vom Autor dieser Zeilen erfundene Tempoflextraining. Wie das funktioniert, findest du hier. Es lässt sich aber in der dunklen Jahreszeit nicht so gut laufen, weil man immer wieder auf die Uhr schauen muss.