Ich glaube, dass wir uns fast alle einig darüber sind, die psychische Leistungsfähigkeit im Wettkampf genau oder sogar noch wichtiger als die körperliche, das beweisen die vielen ausschließlich zustimmenden Mails zu meinem Artikel vom 9.10.2007.
Wenn es denn nun die zentrale Leistungssteuerung gibt in Form des "Central Governor", dann sollten wir uns überlegen, ob wir uns mit dieser Steuerung abfinden sollten oder ob es nicht auch Möglichkeiten gibt diese auszutricksen. Und wenn man nachdenkt, dann wird klar, dass es diese Möglichkeiten gibt.
Der "Central Governor" hat nämlich auch eine Steuerung in Form der Höhe der erkannten Bedrohung oder auch die Größe der Lust, die mit der frei gegebenen Leistung erreicht werden kann. Er wird dir mehr Kraft zur Verfügung stellen, wenn du um den Olympiasieg kämpfst, als bei dem Versuch einen Kreismeistertitel zu erringen. Andererseits haben Medaillen auch zwei Seiten. Denn auch ein olympischer Endlauf kann auch zur Bedrohung werden, wenn bei dem Nichterreichen des 8. Ranges die Optimalförderung wegfällt. Beide Seiten werden den oder die Betroffene/n zu der an diesem Tag möglichen Leistung treiben.
Hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, warum Gruppentraining den Einzelnen erfolgreicher macht, als ein Solotraining? Ich nehme an ja. Wir sagen dann meist, die Gruppe motiviert. Aber warum? So lange ich denken kann, merken unsere Bundestrainer im DLV an, dass es ganz wichtig ist in einer möglichst starken Gruppe zu trainieren und verweisen dabei immer wieder auf die Afrikaner.
Diese laufen von Jugend an in der Gruppe und geben sich dabei die "Keule", dass man es als Europäer kaum glauben mag. Trotzdem entwickeln Sie sich zu hervorragenden Läufern. Jedes Training wird langsam begonnen und endet immer mit einer mehr oder weniger langen Endbeschleunigung, in dem einer nach dem anderen abgehängt wird. Sie lehren ihrer zentralen Steuerung bei dieser Trainingsform die Leistung bitte bereit zustellen, wenn die Post abgeht, weil ihr Rang in der Gruppe dann stark bedroht ist. Somit ist das Training vieler Afrikaner nicht nur ein körperliches, sondern auch ein psychisches Training.
Als zweites Beispiel kann ich unsere Trainingsurlaube anführen. Dort kommen Leute aus ganz Deutschland und auch noch einigen anderen Ländern zusammen, die sich oft nicht kennen. Sie bilden zusammen mit dem Etablierten, die jedes Jahr dabei sind, eine Gruppe. Und jeder Einzelne muss sich in dieser Gemeinschaft seinen Rang erkämpfen.
Und dann kommt es bei den Trainingsläufen zu erstaunlichen Resultaten. Wir laufen in jedem dieser Trainingsurlaube einen 10 km-Lauf ohne Uhr. Das heißt, die Teilnehmer können unterwegs keine Zwischenzeiten nehmen und bekommen auch keine von außen. Dieses Training stellen wir immer ziemlich am Anfang des Urlaubs, wo die Gruppenhierarchie noch nicht feststeht. Und dann laufen jedes Mal mehrere Teilnehmer persönliche Rekorde, ohne auch nur eine Ahnung zu haben, wie schnell sie nun eigentlich rennen. Zwar wird dann oft behauptet, dass die Strecke zu kurz ist, weil ich oder ein Mitarbeiter sie falsch vermessen haben. Aber in diesem Jahr haben wir diesen Lauf auf einen Kurs absolviert, der offiziell vermessen ist. Und trotzdem liefen eine Anzahl von Läufer(innen) Bestzeiten.
Wie ist so etwas zu erklären? Jeder Mensch strebt in einer Gruppe einen möglichst hohen Rang an, dass ist in unseren Genen so festgelegt. So weiß auch jeder in der Trainingsgruppe, dass er sich mit jedem Teilnehmer/in um einen Gruppenplatz streiten muss, denn die Gemeinschaft bleibt ja längere Zeit zusammen. Dieser Zustand wird als Bedrohung empfunden und erzeugt Stress. Dieser Stress ist die Botschaft an den "Central Governor": Gib Leistung was geht! Und der gibt reichlich, wie zu sehen ist.
So eine eng miteinander lebende und agierende Gruppe ist ganz etwas anderes, als die Haufen von Läufern(innen), in dem man sich bei einem Volkslauf bewegt. "Ist mir doch egal, ob mich dieser Fuzzi (den ich nicht kenne) noch überholt." Die enge Gemeinschaft Gleichgesinnter in einem Trainingsurlaub, die auch noch alle bekannt sind, übt deutlich mehr Druck aus als eine Gruppe Fremder. Und das ist auch gut so, denn diese Rivalität schafft einen Vorteil für alle Beteiligten.
Trotz diesen Auseinandersetzungen im Training kommt es dabei fast niemals zu Misstönen, dieser Kampf macht allen Spaß. Und so eine Hierarchie ist auch nicht festgemauert, denn es finden sich innerhalb der Gemeinschaft immer wieder kleine etwa leistungsgleiche Gruppen zusammen, die in jedem Tempolauf den "Gruppenkönig" neu auskämpfen.
Von Einzelnen hört man in den Trainingsurlauben auch oft Aussagen wie: "Ich kann es absolut nicht verstehen. Wenn ich zu Hause 3 x 3000 m renne, dann schaffe ich meine Vorgabezeit aus dem Trainingsplan nur ganz schwer oder bleibe sogar darüber. Hier kann ich aber diese Zeiten ohne Probleme bis zu 30 sec unterbieten."
Wir können jetzt diesen Menschen schon eine Antwort geben. Zu Hause lacht dich dein "Central Governor" aus, wenn du mehr Leistung verlangst. "Warum soll ich mehr Energie bereit stellen, ich sehe nicht ein warum." Stimmt ja auch. Wenn der Betroffene der zentralen Steuerung nicht erklärt warum und wozu er denn mehr Leistung benötigt, wird sie ihre Vorratskammer nicht aufmachen.
Dazu muss der Trainierende seinem Inneren schon den Film zeigen, wie er im nächsten Jahr die Traumzeit laufen will und wie Holger Meier trainiert ein Wilder, um ihn im kommenden Frühjahr abermals nach allen Regeln der Kunst zu zersägen. Wenn die Zentrale diesen Film sieht, dann gibt sie alles was nötig ist, um schneller zu laufen. Denn einerseits winkt als Lohn die neue Bestzeit und andererseits muss mit Holger Meier eine üble Bedrohung ausgeschaltet werden.
Natürlich stellt sich die Frage beim Gruppentraining, ob man sich denn bei so einem Training nicht überlasten kann. Die Antwort ist ja und nein. Die Teilnehmer an unseren Trainingsurlauben sind nach 14 Tagen kräftemäßig am Ende. Sie fliegen dann nach Hause mit den Vorgaben von uns sich zu erholen. Wenn sie diese Vorgaben einhalten, dann kommt es nach 10 - 14 Tagen zu einem gewaltigen Leistungsssprung. Der für manche als ein wahres Wunder erscheint. "Ich kann es nicht fassen, Mittwoch im Training habe ich keinen Fuß hoch bekommen und drei Tage später laufe ich Bestzeit!"
Aber es ist kein Wunder. Man nennt das Ganze in der Trainingslehre eine zeitversetzte Adaption. Der Körper hat im Trainingslager keine Zeit zur Adaption. Weil immer schon die nächste Trainingseinheit ansteht, bevor er diese Anpassung vollziehen kann, holt er das später nach. Wenn man ihm dann die Gelegenheit dazu gibt! Wer auf diesem hohen Niveau weiter trainiert, erlebt ein Desaster. Maximal kann man ein so dichtes Training 3 Wochen durchhalten. Wer es länger versucht, bekommt harte, sehr harte Strafen.
Wie machen es denn dann aber die Afrikaner. Dem Vernehmen nach, kommt es auch bei denen zu Überforderung. Wenn sie dann aber merken, dass sie kraftlos sind, dann brechen sie ihr Training ab und machen einfach gar nichts.
Bevor du nun aber auf die Idee kommst, dein Training abzubrechen, weil du meinst, du hättest zu viel trainiert, solltest du wissen, dass wir in unseren Trainingsurlauben 13-mal und die Afrikaner und andere erfolgreiche Läufer(innen) oft 30-mal in der Woche trainieren. Die meisten unser Trainingsplanbezieher laufen 4 - 5-mal in der Woche, da wäre noch eine Menge Raum für mehr, ohne übertrainiert sein, wenn denn die persönlichen Zeitresscourcen dazu ausreichen würden. Und jeder, der sich mit viermal Training/Woche übertrainiert fühlt, sollte besser seinen Alttag überprüfen, wo meist die größeren Stressoren lauern.
Und allen meinen Gegnern, die in diversen Foren umherjaulen und "Greif-Jünger" als Masochisten bezeichnen, gebe ich mit auf den Weg: "Ihr seit nur ein Haufen Schwätzer, mit dem Hang zur Selbstentschuldigung." Wer glaubt Erfolge ohne harte Arbeit erreichen zu können, der irrt gewaltig. Denn Erfolg erzielt nur der oder die, die sich zu 99% auf die eigene Transpiration verlassen und den Rest mit dem einen % Inspiration vervollständigen.
Die Läufer(innen), die es nicht schaffen mehr als 2 - 3-mal in der Woche zu trainieren, weil sie einfach nicht genug Zeit dazu haben, wissen ganz genau, dass sie mehr tun müssten, um weiter vorn zu sein. Diese Leute schweigen und diskreditieren nicht die, die sich aufraffen, um sich selbst und damit auch Deutschlands Läufergemeinde aus dem tiefsten Leistungsloch seit Menschengedenken heraus zu holen.
Dieses Loch ist bestimmt nicht so tief weil "Greif-Jünger" Masochisten sind, sondern weil....! Ich schreibe hier nicht mehr weiter, weil ich mich vor zu vielen Hassmails schützen möchte. Dir selbst wird zu diesem Thema sicher selbst eine Menge einfallen.