Gestern beim Training (10.03.2008) fiel mir etwas an dem Laufstil von Rüdiger Birkner auf. Dies passte genau zum heutigen Thema, der Verbesserung der Laufeffizienz durch Koordinationstraining. Schon in der letzten Woche hatten wir an dieser Stelle darüber berichtet.
An ihn werden sich viele von uns erinnern, war er doch der "Star" über den RTL einen Film drehte, bei seinem Versuch 2006 beim Berlin-Marathon die 3:15 h zu knacken. Es wurden dann zwar nur 3:18, aber Rüdiger lief dann 2007 schon eine 3:08, verletzte sich dann Eingangs des Sommers aber. Da er so oder so vor seiner Laufkarriere ein passionierter Radfahrer war und noch weitere Läufer(innen) unserer kleinen Laufgruppe im Sommer Rad fuhren, schwang er sich auch auf das Zweirad und wir rasten dann jeden Tag durch die Harzer Berge und Flure.
Als der Sommer vorbei war, war auch Rüdigers Verletzung verschwunden und er fing wieder an zu laufen. Und es war fast unglaublich, sein Laufstil war verstorben. Rüdiger lief Fahrrad! Wie ein Radfahrer, dem man sein Rad geklaut hatte, ohne dass er es bemerkt hätte. Wie ein Z zusammen gesunken, schlich er über die Straßen. Im Training lief der Seesener lächerlich traurige Zeiten. Es dauerte Wochen, bis er sich wieder aufrichtete und einen Sprung in seinen Schritt bekam.
Aber nun gestern: Wie ein Uhrwerk immer in 4:13 min/km rannte Rüdiger locker seine 15 km runter. 63:05 am Ende waren Trainingsrekord auf der Bahn. Er blieb den ganzen Lauf über "groß", das heißt aufgerichtet, seine Frequenz war völlig gleichmäßig und der gesamte Bewegungsablauf sah gut aus. Vergessen war der Schweineeimerstil vom November. Rüdiger ist wieder zurück bei den Läufern.
Ich schreibe dir diese Zeilen, damit du bemerkst, wie schnell man einen guten Laufstil "versauen" kann. Dazu brauchst es nur ein viertel Jahr einer völligen Hinwendung zu einer Sportart die keine läuferischen Elemente enthält.
In früheren Jahren hatten wir in unserer Trainingsgruppe etliche Skiläufer, die im Langlauf ziemlich erfolgreich waren. Wenn die ihre Saison beendeten und wieder im Laufbereich auftauchten, platzten denen fast die Hosen, so dick war ihr Hinterteil geworden. Ihr Laufstil war verwrungen, der Schritt zu lang und der Sprung im Laufschritt war verschwunden. Alles sah nach Kraft aus und nichts glitt.
Natürlich fanden auch diese Sportler ihren ökonomischen Schritt wieder, aber wenn es ein langer Winter war, dann wurden die ersten Rennen des Frühjahrs erstampft und nicht erlaufen.
Damit es dir nicht so geht, wie den vorher beschriebenen Personen, hatte ich in der letzten Woche versprochen ein neues Programm vorzustellen, mit dem du während deines Lauftrainings an dir selbst arbeiten kannst, um deine Koordination zu verbessern.
Wir fangen heute mit zwei leichten Übungen an. Du arbeitest diese während eines regenerativen oder extensiven Dauerlaufs ab.
Beginne mit dem sogenannten Anfersen, hierbei schlägst du rhythmisch während des Laufens jeweils einen Unterschenkel in Richtung Po. Bei jungen Läufer(innen) sollte dabei die Ferse die Pobacke berühren.
Der Ablauf sieht idealerweise so aus: Du läufst ein bis zwei km auf deiner normalen Dauerlaufstrecke im gewohnten Tempo. Danach guckst du dir einen 4 - 500 m langen Abschnitt aus. (Von hier bis zur Eiche oder so etwas). Alles ohne stehen zu bleiben. Jetzt setzt du dein Lauftempo um etwa 30 sec/km herab und beginnst im Neuner-Rhythmus anzufersen.
Du zählst deine Laufschritte 1, 2, 3, 4 , 5, 6, 7, 8 und Anfersen. Dann beginnst du sofort die Schritte des anderen Beines zu zählen und ferst nach 8 wieder an. Das machst du so lange, bis du die vorher festgelegte Strecke durchgelaufen bist.
Anfersen im Neuner-Rhythmus: Auf dem folgenden Video kannst du sehen, wie das aussehen soll!
Denke immer daran: Das ist Laufen und keine Sonderübung. Ich hüpfe nicht dabei und führe meine Arme wie beim Laufen. Meine Vorlage (Vorbeugen) ist auch wie beim Laufen. Ich versuche möglichst bei jedem Anfersen bis zum Po zu kommen. Mir ist klar, dass ich den anfersenden Unterschenkel sehr schnell in Richtung Po schlagen muss, dann kann ich schön rhythmisch laufen.
Laufe unter allen Umständen im Rhythmus. Einfach nach Gutdünken irgendwann einmal dein Bein hinten hochheben ist verboten (ich sehe alles!). Der Rhythmus gehört unabdingbar dazu. Wenn du kein Tänzer bist, wirst du damit zuerst Probleme haben, aber das lernt jede(r).
Verstöße gegen diese Regeln werden mit Trainingsverbot von nicht unter 3 Tagen bestraft.
Danach erhöhst du dein Tempo wieder etwas und nach einem km beginnst du mit der nächsten Koordinationsübung, dem Knieheben. Die Vorbereitung ist genau so wie beim Anfersen. 500 m festlegen, Tempo senken und es geht los; 1, 2, 3, 4 , 5, 6, 7, 8 und Knieheben. Wechsel auf das andere Bein und so weiter immer im selben Rhythmus, bis du die vorher festgelegte Strecke geschafft hast.
Das Knieheben ist etwas schwieriger als Anfersen. Einige Läufer(innen) neigen dazu im Augenblick des Hebens einen Hüpfer zu machen.
Knieheben im Neuner-Rhythmus: Auf dem folgenden Video kannst du sehen, wie das aussehen soll!
Um das zu vermeiden, visualisiere Folgendes: Das ist eine Laufübung, ich laufe wie gewohnt, ich muss nur bei jedem Schritt einen Oberschenkel bis möglichst zur Waagerechten anheben. Ich muss ihn schnell anheben, sonst kann ich nicht rhythmisch laufen. Ich muss darauf achten, dass ich mich nicht zu weit zurück lehne, um den Oberschenkel möglichst hoch zu bekommen. Es ist besser, diesen etwas weiter unten zu lassen, wenn ich ihn nicht ohne Zurücklehnen hoch genug bekomme.
Wenn ich den Rhythmus drin habe, achte ich auf meine Arme, ob ich sie auch wie beim Laufen führe.
Hast du das Knieheben durch, erhöhst du wieder ganz bequem dein Tempo etwas. Läufst ein bis zwei km weiter und beginnst dann noch einmal mit dem Anfersen, dem du genau wie vorher noch einmal einen Abschnitt Knieheben folgen lässt.
Wenn deine Laufstrecke weniger als 10 km lang ist, reicht auch ein Durchgang. Diese beiden Übungen machst du an zwei Wochentagen und zwar für erst einmal drei Monate. Es kommen in der nächsten Ausgabe noch mehr Übungen dazu, aber es bleibt immer bei den zwei Tagen in der Woche.
Du wirst sehen und nicht nur du, wie sich dein Laufstil langsam, ganz langsam verbessert und du wesentlich leichter laufen kannst. Dazu bedarf es aber viel Arbeit und Geduld, wenn du zu früh aufgibst, ist die Sache für die Muschi.
Ich habe mit Absicht diese beschriebenen Übung in ein reines und ruhiges Dauerlauftraining gelegt, weil die Erfahrung zeigt dass, wenn ein Koordinationstraining isoliert durchgeführt, sich um dieses oft gedrückt wird. Und drücken tun sich meistens die, die es am Nötigsten haben.
Aber ich weiß ja, dass du nicht zu diesen Sublimierern gehörst und ab sofort beginnst, deinen Laufstil zu veredeln. Und wenn du in deiner Umgebung noch so einen alten Jutebehälter hast, der dir bei jedem dritten Training erzählt, wie gut er früher war, dann antwortete ihm: "Auch für die über 50-jährigen gilt ab jetzt: Knie hoch, denn mit dem Alter wird der Laufstil immer schlechter, wenn du nicht daran arbeitest."