Es gibt unter uns Läufer, die ganz schnell ungewöhnliche Fortschritte auf der Marathonstrecke aufweisen können. Parallel dazu laufen sie auch auf den Unterdistanzen fast schon Traumzeiten. Leider aber kommt dann speziell auf der Marathonstrecke der Punkt, an dem der Fortschritt über diese Distanz stockt, obwohl sich die Zeiten auf den kürzeren Distanzen hervorragend entwickeln.
Ein Beispiel eines Läufers, der im ersten Marathon 4:28 h erreichte und den zweiten schon in 3:48 lief. Das war ein mächtiger Satz und der Betroffene wollte im dritten Rennen auch gleich unter die 3:20 kommen.
Seine Halbmarathonzeit von 1:34 zeigte auch an, dass er diesen Schritt wohl ohne große Anstrengung vollziehen könne. Aber es zeigte sich, dass dieser Athlet trotz harten Kampfes nur auf eine 3:29 kam. Er war tief enttäuscht, obwohl er eine persönliche Bestleistung erzielt hatte und konnte nicht verstehen, warum er sein Ziel nicht erreicht hatte.
Dieses scheinbare Versagen kommt auf jedem Niveau vor. Und speziell dann, wenn dieser Läufer oder die Läuferin sich ihrem Spitzenniveau nähern. Aber fragt man sich dann, warum denn die Leistung auf den Unterdistanzen steigt und im Marathon kommt es dann zu einer scheinbaren Stagnation. Dazu später mehr.
Auch sehr talentierte Läufer sind von diesem geheimnisvollen Versagen nicht ausgenommen. Ein mir gut bekannter Athlet läuft im Training überragende Zeiten. Im Wettkampf aber bringt er nicht die adäquaten Resultate. Er kommt zwar vorwärts, aber seine eigenen Erwartungen kann er oft nicht erfüllen.
Meine eigene Erfahrung zu dieser Sache ist schon lange her, aber ich spüre die Schmerzen immer noch. 1973 lief ich meinen ersten Marathon in einer Zeit von 2:41 h nach etwa 18 Monaten Training. Ich fand das ganz normal und alles eigentlich ziemlich langsam. So war für mich und auch meiner Umgebung klar, dass es im nächsten 42,2 Kilometer-Rennen eine Zeit von unter 2:30 Stunden sein müsse.
1974 dann, bei der deutschen Marathonmeisterschaft in Husum, wollte ich die Sterne vom Himmel holen. Der Kurs war eine Wendestrecke und auf dem Hinweg blies der Wind mächtig von hinten und an der Wende hatte ich schon einen halben Stern in der Hand.
Eine schier unglaubliche Halbmarathonzeit von 1:09:xx. Aber leider mussten wir alle gegen den Wind wieder zurück. Es war schrecklich! Ich kühlte völlig aus und kam mit 2:37 h in das Ziel. Nix war‘s mit den Sternen, sinnbildlich konnte ich nur die Kohlen aus dem Keller holen.
Natürlich war mein Wagemut noch lange nicht gestoppt, es musste nur weniger Wind sein, dann würde Peter schon die 2:30 h in Kleinteile zerlegen. Aber Pustekuchen, auch das nächste lange Rennen wieder näher an 2:40 als an 2:30 h.
Nun hat man aber ja seinen Kopf und dieser fängt ab und zu auch mal an zu denken. „Vielleicht ist es sinnvoll sich erst einmal schrittweise der erwünschten Schwelle zu nähern.“ Und so war es dann auch! 1975 ging ich in Dülmen langsamer an, daraus folgte eine 2:33. Und endlich im Folgejahr kam dann die erwünschte 2:29 an der Ködeltalsperre.
Es wäre möglich hier noch viel mehr Beispiele aufzuführen, aber ich denke, wir sollten zu dem praktischen Nutzen kommen. Die Frage ist, warum uns gerade die Marathonstrecke solche Probleme macht?
Da kann ich nur spekulieren. Ein Rennen über die 42,2 Kilometer ist eine maximale Anstrengung und dabei wird unser Organismus erheblich überlastet. Beim ersten Mal ist unser Gehirn noch ziemlich dumm und unerfahren und lässt eine solche Anstrengung zu.
Aber dieses Gehirn vergisst nie und wenn du ihm nach einer schweren Belastung noch ein weiteres Mal ein solches Rennen anbietest und dieses noch viel schneller laufen willst, dann hustet es dir etwas. Dein Steuerzentrum dreht dir den Leistungshahn einfach zu. Dies ist eine Schutzfunktion deinem Organismus gegenüber.
Anders ist es, wenn du dich in kleinen Schritten deiner neuen Bestleistung näherst. Dann sagt dein Instinkt: „Es ist beim vorigen Mal nicht alles kaputt gegangen, so kann ich auch eine etwas höhere Leistung zulassen.“
Alles in allem kann ich dir versichern, dass es nichts Schöneres gibt, es einmal richtig krachen und die Konkurrenz in ihren Tränen schwimmen zu lassen. Und genauso sicher ist, dass dein Gemüt nicht besonders fröhlich ist, wenn du dann weit weg von der erhofften Zeit bleibst.
Und ganz sicher ist es auch kein schöner Anblick, wenn du in das Ziel kommst und Holger tanzt dort schon im Wechsel Tango, Rock ‚n‘ Roll und Gangnam Style. Und dann dieses Grinsen noch!
Das Beste aber ist für dich ist, wenn du ein langes und erfolgreiches der Läufer- oder Läuferinnenleben anstrebst, deine persönlichen Rekorde in kleinen Schritten versuchst zu verbessern. Du begibst dich seltener in Versagensgefahr und die Freude eine Bestzeit zu laufen, kommt deutlich öfter vorbei.