Vor zwei Wochen schrieb mir ein 55-jähriger, welcher Umfang denn für seine Altersklasse der richtige sei. Mann, dachte ich, können die Menschen mir nicht leichtere Fragen stellen. Eigentlich wollte ich nicht antworten, weil diese Frage zum großen Teil nicht beantwortbar ist.
Aber leider hat man so ein Ding oben im Kopf, welches autark vor sich hinarbeitet. Der Hintergrund dieser Frage ist wohl die Idee eines Läufers, zu wissen, wie viele Kilometer er laufen muss, um seine Leistung auch im fortschreitenden Alter halten zu können.
Auch nach längerem Nachdenken bleibt klar, dass diese Frage so nicht zu beantworten ist, denn es gibt zu viele Parameter, die einer Leistungsstagnation entgegenarbeiten. Dazu gehört insbesondere die Trainingsintensität und auch im hohen Maße die Trainingsplanung.
Wer immer nur joggt oder - im Gegenteil - ständig durch die Botanik rast, wird weniger Erfolg haben, als jemand, der gezielt und geplant seine Einheiten abwickelt.
Da ist aber ein Parameter, der nicht genug beachtet wird. Nachfolgend eine Grafik aus dem Buch „Greif –for running life“:
Wenn du diese Grafik betrachtest, bekommst du ganz sicher einen Schreck, denn hier siehst du, dass es schon mit 35 Jahren mächtig bergab geht mit der Leistung.
Aber Vorsicht: Ich halte die Zeiten innerhalb der Grafik nicht für repräsentativ für den gesamten Langstrecken-Laufbereich.
Die Untersuchten, die hier aufgeführt sind, sind offensichtlich Leistungssportler. Die natürlich von ihrem schnelleren Ausgangswert auch ganz andere Leistungs-Abstürze im Alter zu verzeichnen haben. Nach dem Motto: Wer hoch steht, kann auch tief fallen.
In unserer Szene der ambitionierten Laienläufer, sieht das aber ganz anders aus. Der Eintritt in diesen Bereich erfolgt über ein weites Zeitfenster. Es gibt durchaus Siebzehnjährige, die Freude am Joggen haben und 65-jährige, die im Rentenalter anfangen ambitioniert zu trainieren.
Und so können wir uns nicht untereinander vergleichen, sondern müssen immer wieder nachfragen, wann denn dieser Mensch angefangen hat, gezielt zu trainieren. Wer als Sechzigjähriger erstmalig richtig los legt, der wird größere Leistungssteigerungen erfahren, als ein gleichaltriger, der schon 30 Jahre Lauftraining auf dem Buckel hat.
Man kann sich das ganz einfach vorstellen: Wenn du den Läufer oder die Läuferin als einen Wischlappen betrachtest und dazu das Wasser, welches er speichert, die Leistung ist. Das Auswringen ist das Training und das dabei gesammelte Wasser der Erfolg.
Derjenige, der schon 30 Jahre ausgewrungen wurde, kann nicht mehr so viel Wasser aus sich herauspressen, wie jemand, der sich in diesem Zeitraum ausgeruht hat. Der ist zwar auch schon etwas ausgetrocknet, aber mit entsprechender Kraft holt man aus ihm noch erheblich viel Wasser heraus.
D.h. wer im fortgeschrittenen Alter in die Laufszene einsteigt, hat ein erheblich größeres Leistungspotenzial, als der alte Laufhase. Dabei sollten wir aber nicht vergessen, dass dieser Mensch ein großes Potenzial von Wissen und Gefühlen in sich trägt, welches dem Anfänger fehlt.
Insgesamt ist es aber klar, dass der frühe Start in die Laufszene den größtmöglichen Gesamterfolg bringt. Selbst ich frage mich, welche Leistungen zu erzielen gewesen wären, wenn ich nicht erst mit 29 Jahren mit dem Training begonnen hätte.
Nun, was macht aber der ältere Läufer, der schon viele Wettkämpfe hinter sich hat, wenn er sich noch steigern will?
Natürlich kann dieser ältere Herr oder Dame noch viel ändern, um sich zu verbessern. Mehr Trainingstage, planmäßiger trainieren, Umfang und oder Intensität steigern, mehr Krafttraining, Gymnastik und bessere Ernährung. Es gibt eine Menge Möglichkeiten, die den Opa oder die Oma auf das Treppchen bringen.
Aber was dann, wenn diese Menschen schon alles ausgeschöpft haben? Dann sollten sie sehr zufrieden sein mit einer stagnierenden Leistung, denn diese ist immer wie ein großartiger Erfolg zu bewerten. Leistungsstagnation ist nicht normal, sondern die Normalität ist der ständige Rückgang der Laufzeiten.
Es gibt eine Faustregel, die auch aus dem oberen Leistungsbereich stammt, die aussagt: "Du verlierst über 10000 m oberhalb der 40 Jahre im jedem Jahr 30 sec". Auch diese Regel ist nicht sicher, weil die Erfahrung an Hand von ehrgeizigen Altersklassensportlern zeigt, dass dies bei vollem Trainingseinsatz deutlich weniger als 30 sec sein können.
Bei der 30-sec-Faustformel kommt natürlich auch noch der Umstand zu tragen, dass es die meisten Leistungssportler oberhalb der 40 Lebensjahre etwas ruhiger angehen lassen.
Ein typischer 45-min-Läufer würde auf 10 km dann bei gleichbleibendem Verhalten 27 sec im Jahr verlieren. Es entsteht dann aus diesem prozentualen Verlust eine Kurve, die, wie auch oben in der Grafik zu sehen ist, zum höheren Alter hin immer steiler wird. Was ja auch die Praxis zeigt.
Natürlich gibt es eine große Anzahl von Ausnahmen von dieser Regel. Wer erst spät, zum Beispiel mit 42 Jahren, anfängt mit einem leistungsorientierten Training, wird natürlich mit 45 Jahren noch keinerlei Leistungsstagnation oder -rückgang hinnehmen müssen. Da geht es noch Jahre aufwärts. Bis dann auch diese Gruppe von Läufern und Läuferinnen die Last des Alters verspürt, die sich schließlich durch mangelnden Leistungsfortschritt ausdrückt.
Kommen wir zu den Resultaten dieses Textes: Wenn du schon über 45 Jahre alt bist, dann rechne deine zu erwartende Leistung für das Jahr 2015 aus, indem du deine Zeiten aus 2014 jeweils um 1 % erweiterst. Damit hast du die Vorgabe des zu erwartenden normalen Leistungsrückschritts.
Du wirst diesen Rückschritt natürlich auf keinen Fall hinnehmen wollen, sondern deine Zeiten aus dem Vorjahr halten oder sogar noch verbessern wollen. Du hast somit ein Instrument in der Hand, dich auch bei einer Leistungsstagnation als erfolgreicher und dynamischer Läufer(in) zu sehen.
Damit du mit dem Rechnen nicht so viel Arbeit hast, haben wir dir hier einen Rechner bereit gestellt, der kalkuliert, welche Zeiten du in den kommenden Jahren aufgrund deiner aktuellen Leistungsfähigkeit zu erwarten hast.
Die Resultate dieses Rechners sind nicht Gott gegeben. Du kannst sie als Ansporn nehmen und die Vorgaben des Rechners schlagen. Somit hast du einen Holger bzw. Olga mehr. Und wie jeder weiß, ist es ein Hochgenuss, diese beiden Fieslinge zu übertrumpfen.