"5 x 1000 m mit jeweils 1000 m Trab- oder Gehpause. Das soll ein Training sein? Da machst du ja genau soviel Pause, wie du läufst. Ist doch völlig klar, dass es viel mehr bringt, wenn du gleich 5 km durchläufst!", meint ein Stammtischbruder und fügt hinzu: "Die Chinesinnen laufen jeden Tag einen Marathon!" Ehe ich meinem übergewichtigen Gegenüber antworten kann, schiebt der nach: "Das ist genauso, wie mit den Afrikanern: Die holen die Medaillen und ihr messt Laktat." Beifälliges Nicken in der Runde, das Wort vom Pausenläufer fällt. Mein Einwand, dass auch die Asiatinnen als zweite Einheit Tempoteile mit Pausen trainieren, wurde ebenso als schwaches Argument abgetan.
Laien sind nun mal fest davon überzeugt, dass ein Läufer zur Gattung "Schlaffe Type" zählt, wenn er während eines Lauftrainings eine Pause einlegt. Hat sich doch in den Hirnen festgesetzt, dass nur der ein guter Sportler sein kann, der eine Strecke ohne Stehen bleiben absolviert: "Das war doch schon in der Schule so!" Auch bei uns Speedjoggern ist so eine "nicht stehenbleiben Mentalität" zu erkennen, stammend aus Zeiten, in denen man sich noch durch eine sogenannte "lohnende Pause" einen maximalen Trainingserfolg erhoffte. Aber davon später mehr.
Und dann gibt es bei uns im Verein auch noch einen Spruch, der lautet: "Jetzt Pause bis zur allgemeinen Erschöpfung." Wie kann man Pause bis zur Erschöpfung machen? Gibt es etwa ein Pausen-Paradoxum? Da muß doch etwas dran sein, an dieser Pause?
Eins steht fest: Pause ist nicht gleich Pause. Eine Pause kann man rennend, laufend, trabend, gehend oder auch schlafend gestalten. Ja schlafend, die Super-Ultras sollen bei ihren 48-Stundenläufen wohl schon mal ein Nickerchen einlegen. Diese Art der Pause brauchen wir wohl nicht zu beachten, weil vom Sieger solch eines Laufes meistens berichtet wird, er habe nicht geschlafen. Viel wichtiger scheint die Frage zu sein, in welcher Form und Länge ein Läufer innerhalb einer Serie von Wiederholungsläufen seine Pause gestalten sollte.
Wissenschaftlich ist die Wirkung einer Pause innerhalb eines Lauftrainings so gut wie nicht erforscht. Belegen können die Sportwissenschaftler kaum etwas. Aber die Praktiker, die wissen was! Wer lange genug im "Geschäft" ist, weiß um die Wirkung und auch die Gefahr einer Pause, hierbei speziell einer zu kurzen. Seit Generationen werden junge Mittelstreckler durch eine zu kurze Pause so lange überfordert, bis sie schließlich und endlich überhaupt kein hohes Tempo mehr laufen können, auch nicht im Wettkampf.
Die Gefahr einer zu kurzen Pause liegt in der Kumulation des Laktats (Laktat ist das Salz der Milchsäure) während anaerober Belastungen in der Zelle und im Blut. Eine ständige "Überproduktion" von Laktat an zu vielen Tagen in der Woche, erkennt der Körper als Krankheit und unterbricht schließlich den Regelkreis, der diese Laktatproduktion zulässt. Ist diese Regulierung aber nicht mehr intakt, kann der Betroffene auch nicht mehr schnell laufen, sein Stoffwechsel brennt sinnbildlich auf Sparflamme.
Aber dennoch sind solche intensiven Belastungen nötig. Einmal pro Woche verabreicht, stellt eine intensive anaerobe Belastung mit einer hohen Laktatproduktion eine Leistungsdroge für den Organismus dar. Wobei natürlich nicht zu vergessen ist, dass ein Mittelstreckler eine höhere Dosis benötigt, als ein Marathoner. Weitere ein bis zweimal Schwellentraining im niedrigen bis mittleren Laktatniveau wirken Wunder in Hinsicht auf die Leistungsstärke.
Aber wehe den wilden Buben und Mädels (auch den älteren!!), die meinen jeden oder auch jeden zweiten Tag um die Bahn "knallen" zu müssen. Deren Aussage nach Wettkämpfen ist allen bekannt: "War nicht mein Tag heute!"
Was diese Laktatgefahr nun mit den Pausen zu tun hat, soll folgendes Beispiel wieder anhand der 5 x 1000 m zeigen. Das schnellste Tempo, in welchem die km Abschnitte gelaufen werden können, geht in die Nähe des 3000 m Renntempo (1. Form). Ein Athlet, der also eine Zeit von 9:00 laufen kann, absolviert die 2,5 Runden in 3:00 - 3:05 min. Dazu muss er sich ganz gewaltig anstrengen und eine ziemlich hohe Milchsäurebelastung in Kauf nehmen.
Diese Bürde kann er auch ganz genau spüren, denn solch eine Form der Trainingsbelastung bereitet ziemliche Schmerzen. Nach Beendigung des Tempostücks kann man in seinem Blut vielleicht 6 mmol Laktat messen. (Alle Laktatwerte sind nicht allgemeingültig, sondern nur Einzelbeispiele) Macht er jetzt eine kurze Trabpause von 400 m, so hat er unter Umständen 2 mmol Laktat abgebaut. So liegt sein Milchsäuregehalt bei Beginn des 2. Tempostücks, demnach bei 4 Laktatmaßeinheiten.
Jetzt wird er in der Regel schon ein wenig langsamer, kann die angestrebte Intensität nicht mehr halten, der erwartete Trainingseffekt wird nicht erreicht. Dennoch hat er am Ende der zweiten 1000 m wohl schon ca. 10 mmol im Blut. Ist er nun ein begabter Mittelstreckler, dann kann er bei gleichem Verhalten noch einen dritten Lauf absolvieren, der aber meist noch langsamer wird.
Nun aber hängt auch er, wie sein Kollege Langstreckler, über der Barriere und schimpft auf die Hitze, Wind und den guten Pflaumenkuchen seiner Oma, von dem er zwangsweise 5 Stücke noch eine Stunde vor dem Training zugeführt bekommen habe. Den vierten Lauf geht er unter diesen Bedingungen schon gar nicht mehr an.
Kaum jemand ist hart genug, nun eine längere Trabpause von 1 - 2 km einzulegen, dass gebildete Laktat zu eliminieren und danach die restlichen Läufe zu absolvieren. Es sei denn, da steht ein Trainer, der den Athleten mit "Druck" dazu bringt, seine Serie zu Ende zu laufen: "Wenn ich sage 400 m Pause, dann meine ich auch 400 m."
Der Betroffene quält sich langsam und total übersäuert um die Bahn, Psyche und Zelle nehmen Schaden. Er hätte dann vielleicht schon 14 mmol im Blut und das ist schon ein absoluter Wettkampfwert. Bei den meisten von uns Freizeitlangstrecklern ist aber schon bei 10 mmol der "Ofen aus". Wir sind im exakten Sinn des Wortes sauer.
Ganz anders sieht es hingegen aus, wenn die Trabpause z.B. 1000 m lang ist, dann wird unser guter Läufer so in etwa 4 mmol abbauen und startet mit dem erträglichen Gehalt von 2 Maßeinheiten. Er kommt dann mit einem ständig leicht steigenden Laktatgehalt gut an das Ende seiner Serie. Zwar wird auch er am Schluss des Trainings einen hohen Laktatgehalt im Blut haben, aber das ist durchaus erwünscht. Dieser Läufer hat in seinem Organismus den Reiz gelegt, Laktat rasch abzubauen, unter einer moderaten Übersäuerung schnell laufen zu können und die aerob-anaerobe Schwelle anzuheben. Nebenbei hat er auch noch durch das hohe Tempo seine koordinativen Fähigkeiten verbessert. Alles zusammen ist genau das, was er wollte.
An dieser Stelle kommt ganz sicher folgender Einwand: "Was soll der ganze "Quatsch" mit dem Laktat, das kann sowieso kaum jemand messen, ich laufe nach Pulsmesser und wenn dieser wieder unter 120 anzeigt, ist auch meine Pause zu Ende." Da kann man nur antworten: "Dann wird der Pulsmesser zum Meuchelmesser!". Erstens ist ein allgemeiner Pulswert von 120 schon deshalb nicht zulässig, weil es riesige individuelle Unterschiede im Pulsverhalten gibt. Für eine Person kann eine Pulsfrequenz von 120 eine erhebliche Belastung darstellen, für eine andere hingegen kann es im wahrsten Sinne des Wortes herzlich wenig sein.
Weiterhin kann eine Herzfrequenz innerhalb der ja sehr langsamen Trabpause durchaus unter 120 fallen, ohne dass das vorhandene Laktat auf ein lauffähiges Maß abgebaut ist. Es gibt aber auch den Fall, dass der Puls während des gesamten Trainings nicht unter diese 120 fällt, denn einige Sportler(innen) müssen schon gehen, um unter diesen Wert zu kommen.
Auch für die Belastungeinstellung während der 1000 m-Läufe ist die Pulsmessung untauglich. Die Herzfrequenz kommt nämlich dort ihren maximalen Werten nahe und in diesem Bereich ist der Pulsanstieg in der Regel nicht mehr linear. Wir haben auch Fälle beobachtet, in deren Verlauf sich z.B. bei einem Athleten innerhalb eines Trainings bei 3:04 min/km ein durchschnittlicher Puls von 188 und in der Zeit von 2:59 min/km ein Schnitt von 186 einstellte.
In einem anderen Fall lief eine Läuferin die 1000 m 10 sec schneller als die vorhergehenden und der durchschnittliche Puls stieg nur um einen einzigen läppischen Schlag. So sinnvoll die Messung der Herzfrequenz in vielen Leistungsbereichen ist, bleibt für die hochintensiven Läufe nur ein Fazit, welches im Sportlerjargon ausgedrückt lautet: "Kannste vergessen!"
Eine Frage sollten wir aber nicht vergessen zu beantworten: Woher kommt denn diese Sache mit den 120 Pulsschlägen, bei denen man seine Pause beenden soll? Dieser Pulswert hat auch seinen Grund. In früheren Jahren gab es das sogenannte Intervalltraining Freiburger Prägung. Eine wissenschaftlich ausgetüftelte Übungsform, mit einem allein seligmachenden Anspruch. Man rannte dabei auf der Bahn einen schnellen 100 m Lauf, trabte anschließend so lange bis der Puls wieder unter 120 war und startete dann zu dem nächsten 100er und wiederholte das Ganze bis zu 50 mal.
Besonders wichtig war es, dabei nicht stehen zu bleiben, denn so war die Hauptidee des Verfassers, sollte sich die Trabpause lohnen. Der Freiburger Professor Reindell rechnete aus: Wenn das Herz nach Ende der Belastung noch sehr schnell schlägt, braucht es eine Zeit um sich wieder Normalbereichen zu nähern. Da man annahm, der Trainingseffekt würde sich hauptsächlich auf das Herz auswirken, war es schon ein phantastischer Gedanke, dass der Athlet nur trabte, während sein Herz aber noch von der vorhergehenden Belastung raste.
Dadurch sollte es zu einem hohen Trainingseffekt kommen, obwohl sich der Betroffene alles andere als anstrengte. Erst wenn der Puls unter 120 fiel, sollte sich das Ganze nicht mehr lohnen. Der nächste 100er musste das Herz wieder in Schwung bringen. So kam der Satz von der lohnenden Pause auf und in gleicher Weise entstand der Mythos vom nicht Stehen bleiben während der Pause.
Wer dieses Intervalltraining durchzog, dessen Erfolg sollte garantiert sein. Wie das aber so ist, nicht jede Garantie wird eingelöst. Andere rannten schneller, das Freiburger Training wurde von der Dauermethode überrollt. Die klassische Intervallmethode wird auch heute noch sporadisch angewandt, aber nicht mehr aus Gründen, von denen ihre Väter glaubten, sie schaffen zu müssen. Heute wissen wir, dass erst einmal der Muskel trainiert wird und dass das Herz seinen steigenden Ansprüchen Rechnung trägt.
Ist damit nun alles rund um die Trabpause geklärt? Mitnichten, denn auch eine kurze Pause kann bei Wiederholungsläufen angebracht sein! Wenn wir bei unserem Beispiel von der 1000 m Serie bleiben, so gibt es weitere überaus sinnvolle langsamere Geschwindigkeiten, die auch einen hervorragenden Trainingseffekt haben. Wir wenden noch zwei andere 1000 m Wiederholungsläufe an, die einmal in etwa der 5- (Form 2) anderes mal der 10000 m (Form 3) Renngeschwindigkeit entsprechen.
Bei dieser erniedrigten Geschwindigkeit kann die Pausenlänge stark herabgesetzt werden. Sinnvoll kann es auch sein, innerhalb eines Aufbaues z.B. für ein 10000 m Rennen mit den 1000 m Läufen die Renngeschwindigkeit zu trainieren, am Anfang bei noch niedriger Leistungsfähigkeit 1 km Trabpause zu machen und diese mit steigender Form immer weiter zu verkürzen.
Nun bleibt noch die Frage zu klären, welche Geschwindigkeit man denn nun innerhalb der Pause läuft. Bei Form 1 und 2 ist es sinnvoll nach Ende der Belastung erst einmal 100 m zu gehen. Schon aus dem Grunde, damit sich die überlasteten und Pflaumenkuchengeschädigten wieder vom Rasen erheben können oder Zeit zur Beendigung des Barrierenstützhangs haben. Die Geschwindigkeit der nächsten 900 m bzw. 500 m schält sich eigentlich automatisch heraus, wenn die Trainingsgruppe einigermaßen homogen ist.
Zu schnell laufen eigentlich immer nur die, die sich nicht hoch genug belasten, zu erkennen an dem Satz nach der halben Trabpause: "Geht es nicht bald wieder los?" Wer allein und nicht auf der Bahn trainiert, kann bei Form 1 die doppelte Zeitdauer des Tempostücks traben, das kommt sehr gut hin.