Im Vorfeld des Fußballspiels Österreich/Deutschland bei der Euro 2008 las ich in einem medizinischen Newsletter über den Psychologen der deutschen Nationalmannschaft Hans-Dieter Hermann folgendes:
"Ich mache Training im Kopf und für den Kopf", sagt der 1960 geborene Hermann, der bei einem der international bekanntesten Sportpsychologen, Professor Hans Eberspächer, in die Lehre gegangen ist. Er selbst ist seit 1988 als Psychologe im Leistungssport tätig. 1994 half er der österreichischen Skinationalmannschaft dabei, die Trauer um Super-G-Weltmeisterin Ulrike Maier zu verarbeiten, die während eines Rennens tödlich verunglückt war. Zehn Jahre später coachte er in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Athen die deutschen Turner, die durch einen schweren Sturz ihres Mannschaftskollegen Ronny Ziesmer verunsichert waren - Ziesmer sitzt seither im Rollstuhl. Zum Fußball holte ihn 1999 Ralf Rangnick, damals noch Trainer des SSV Ulm, heute Coach bei TSG Hoffenheim.
Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt darin, den Spielern klassische Methoden der Konzentrations- und Leistungsförderung zu vermitteln. "Man kann sich die eigene Stärke buchstäblich einreden", sagt Hermann, der in Schwetzingen wohnt und an der Universität Heidelberg als Dozent für Sportpsychologie tätig ist. "Ich bin stark" oder "Ich gebe nicht auf" sind Beschwörungsformeln, die sich die Spieler wie ein Mantra selbst aufsagen. Mit Erfolg, wie Hermann weiß: "Man kann ganz schlüssig demonstrieren, dass Spieler körperlich erst dann aufgeben, wenn der Kopf sagt: Jetzt ist Schluss. Diesen Zeitpunkt möglichst weit hinauszuschieben, das ist ein relativ leicht zu erreichendes Ziel."
"Man kann sich die eigene Stärke buchstäblich einreden", das ist ein wunderbarer Satz, der auch uns Läufer(innen) ungemein helfen kann. Hast du auch ein Mantra? Ich habe drei: Eines für den Einsatz im Wettkampf mit mir allein und zwei für den Kampf Mann gegen Mann.
Wenn ich in einem Rennen eine gute Zeit erzielen wollte, dann redete ich mir immer ein: "Du bist locker und stark!" Und? Ich war stark, wenn ich mir dieses Mantra innerlich vormurmeln konnte. Mein Problem war dabei aber, dass ich, wenn ich mich ärgerte, nicht in dieses Mantra kam. Mein Gehirn beschäftigte sich dann zu stark mit den Gründen des Ärgers.
Erst als ich dieses Mantra auch im Training anwandte, wurde es langsam besser. Aber so ganz gelang es mir niemals diese psychische Schwäche zu beseitigen. Aber wenn ich drin war in meinem seelischen Singsang von Stärke und Lockerheit, dann lief es im wahrsten Sinne des Wortes.
Im Kampf Mann gegen Mann wandte ich dann je nach Situation das Mantra bezogen auf meinen Gegner oder gänzlich bezogen auf mich selbst an. Einmal redete ich mir ein: "Der (mein Gegner) ist kaputter als ich!" und ein anderes Mal schaltete ich auf "Ich bin härter als du!" Da klappte wunderbar. Natürlich konnte ich mit diesen Beschwörungsformeln nicht immer siegen, aber es half weiter vorn zu sein.
Dieses Kampfverhalten hat mir früher einen ganz schlechten Ruf eingetragen. Oder war es in Wirklichkeit ein guter Ruf? Wie dem auch sei, meine Gegner fürchteten mich ob meines Kampfgeistes. Einer hat mal gesagt: "Der Lange ist erst tot, wenn er nicht mehr zuckt!" Ja, so war es wohl auch, obwohl ich durchaus auch aussichtslose Rennen aufgegeben habe.
Ich kann dir nur raten, suche dir ein oder zwei eigene Mantras und über sie ein. Sie werden dir helfen stark zu sein. Nun wirst du eventuell sagen können, wie kann ich mir einreden, dass ich stark bin, wenn ich mich schwach fühle. Dann musst du dir klar machen, dass du stark bist, denn immer ist im Rennen jemand hinter dir. Dieser Mensch ist im Vergleich zu dir schwächer. Und der vor dir? Den kannst du packen, es ist ja nur eine Winzigkeit.
Wenn du dich immer wieder beschwörst: Ich bin stärker als du!" Dann wirst du ihn überholen können und nicht nur ihn, das schwöre ich dir.
Wenn du die ersten "Holgers" "zersägt" hast, dann steigt dein Selbstbewußtsein in ungeahnte Höhen und du kommst immer weiter nach vorn.
Ein sehr gutes Mittel zur Steigerung des Selbstbewusstseins sind auch die Endbeschleunigungen auf den langen Trainingsstrecken, besonders auf den 35 km in der Marathonvorbereitung. Ich kenne genügend Leute, die hatten vor den 35 km Angst und vor dem Marathon Furcht. Als sie sich dann überwunden hatten, die 35 km zu laufen, waren sie erstaunt, dass sie nach dem dritten Mal gar nicht mehr so schlimm waren. Noch mehr staunten diese Leute, dass sie dann auch noch eine Endbeschleunigung auf dieser Trainingsstrecke hin bekamen.
Der Verwunderung waren keine Grenzen mehr gesetzt, als dann die Betroffenen auch noch bemerkten, dass sie völlig die Angst vor dem Marathon verloren hatten. Sie beherrschten den Marathon und nicht dieser sie. Sie agierten auf der Strecke, verloren die Ergebenheit und den Glauben an den Hammermann. Denn: Endbeschleunigung macht Hammermann kaputt!!
Sehr gut zur Entwicklung des Selbstbewusstsein ist auch ein guter Trainingsplan. Wenn du an ihn glaubst, hast du einen Riesenvorteil. Die Sicherheit, das Richtige trainiert zu haben, gibt dir seelische und körperliche Kraft. Du bekommst ein Überlegenheitsgefühl und landest immer weiter vorn.