Die Gründe warum man objektiv oder vermeintlich nicht laufen gehen kann, sind vielfältig. Klar, eine Krankheit oder Verletzung ist übel. Da muss das Lauftraining wohl einige Zeit ausfallen. Aber was ist mit Motivation oder dem Faktor Zeit? Das kennt wohl jede Läuferin und jeder Läufer. Man würde zwar gern noch den Halbmarathon oder gar Marathon in 2 Monaten absolvieren, aber die Arbeit stresst gerade massiv oder man kann sich irgendwie nicht aufraffen in die Schuhe zu steigen. Der Berg an Trainingseinheiten für ein akzeptables Wettkampfergebnis erscheint einfach unüberwindlich hoch. Da lässt man es gleich ganz oder geht, wenn überhaupt, nur eine Runde joggen.
Viele haben in diesen Phasen, wie es scheint, ein zu hohes Ziel. Hohe Ziele sind ja wünschenswert, müssen aber auch realistisch sein. Wenn mir aktuell die Zeit fehlt und ich mich, weil ich den Schlaf dringend benötige, nicht aufraffen kann morgens um 5 Uhr zu trainieren, dann kann es doch auch ein kleineres erreichbares Ziel sein. Oder wenn man Anfang September aus einer Verletzung kommt, dann muss das Ziel für Ende Oktober kein Halbmarathon mehr sein.
Warum sich nicht einen 10 km oder gar 5 km Wettkampf als Ziel setzen? Fast jeder Volkslauf bietet eine kurze Strecke von 5 km an. Ist man kein vollwertiger Läufer wenn man nicht mindestens den HM absolviert? Ich finde doch. Um 5 km zufriedenstellend und mit Spaß ins Ziel zu laufen, reduziert sich auch der erforderliche Aufwand. Plötzlich sieht man Licht am Ende des Trainingstunnels und die benötigte Zeit reduziert sich. Wenn du nach Feierabend an einem verregneten Herbstabend nicht mehr auf deine extensive 20 km Runde oder 18 km TDL für einen Marathon gehen musst, sondern dich für 30 Minuten auf den Weg machst.
Ja, 30 Minuten täglich. Eine halbe Stunde! Das kann wohl jeder, ob mit Stress auf der Arbeit, Familie oder sonstigen Verpflichtungen irgendwie einrichten. Peter Greif hatte es mal sehr schön beschrieben. Wenn keine Zeit für ein Training war, die Frau schon wartete weil etwas anlag, dann verabschiedete er sich zum "duschen" ins Bad. Klar, im Bad kann man schon mal 20 min verbringen. Im Bad zog er die Laufsachen an, ging zur Hintertür raus und rannte 3 km am Anschlag. Das dauerte rund 10 oder 11 Minuten. Ein kurzes knackiges Training. Dann wieder rein ins Bad, duschen und nach weniger 20 min stand er abfahrtbereit vor seiner Frau. Es braucht halt keine ewigen Vorbereitungen auf das Training.
Daher das 30 Minuten-Training. Du kommst eine halbe Stunde an die Luft, hast Bewegung und anschließend ein gutes Gefühl. Diese halbe Stunde kann man wohl auch einrichten wenn man viele um die Ohren hat, verletzt oder krank war. Sie lässt sich sogar mit Besorgungen verbinden. Man kann sich zu einer kleinen Runde sicherlich auch eher motivieren.
Nun meine ich nicht täglich 30 min "joggen". Klar ist das auch schon mal etwas, aber damit lässt sich keine "Form" aufbauen. Ewig im gleichen Tempo daherschleichen, macht dich nicht schneller. Hast du mal überlegt was du in 30 min Lauftraining alles unterbringen kannst? Bei den 30 min gehe ich mal grob davon aus, dass du mit etwa 5 min/km (plus/minus) unterwegs bist. D.h. du kannst rund 6 km in dieser Zeit laufen. Gut, wenn du etwas langsamer unterwegs bist, dann brauchst du vielleicht 2 min länger.
Den 5 km Maximallauf haben wir letzte Woche schon besprochen. In den folgenden Beispielen für ein 30 min/6 km Training bedeutet WU = Warmup/Einlaufen, CD = Cool Down/Auslaufen. Das Einlaufen kannst du auch durch 3 min Seilspringen (SSP) ersetzen/ergänzen.
- 6 extensiver DL
- 6 regenerativer DL
- 6 km intensiver DL
- SSP, 6 km Tempodauerlauf
- SSP, 6 km gesteigerter DL (jeden km schneller)
- SSP, 6 km gesteigerter DL (alle 2 km Tempo deutlich erhöhen)
- SSP, Tempowechsellauf 500 m im TDL-Tempo und 500 m im intensiven DL-Tempo
- SSP, Tempowechsellauf 1000 m im TDL-Tempo und 1000 m im intensiven DL-Tempo
- SSP/0.5 km WU, 5 km Maximallauf/Testlauf, 0.5 km CD
- SSP/1 km WU, WHL 10x200 m mit 200 m Trabpause, 1 km CD
- SSP/0.5 km WU, WHL 8x400 m mit 200 m Trabpause, 0.5 km CD
- SSP/0.4 km WU, WHL 4x1000 m mit 400 m Trabpause, 0.4 km CD
- SSP/0.5 km WU, WHL 2x2000 m mit 1000 m Trabpause, 0.5 km CD
- SSP/0.5 km WU, Pyramide 500 m, 1000 m, 2000 m mit gleicher Trabpause nach den 500 m und 1000 m, 0.5 km CD
usw.
Du siehst, du kannst eine Vielzahl von Trainingselementen in 6 km unterbringen und so auf rund eine halbe Stunde herunterbrechen. Der Fantasie sind da nahezu keine Grenzen gesetzt. Das Ganze ist abwechslungsreich und schnell zu absolvieren. Es bringt deine Leistungsfähigkeit deutlich stärker voran als die übliche kurze immer gleichförmige Jogging-Runde. Eine kurze Dehnung absolvierst du dann später parallel zur Tagesschau oder als kleine Yoga-Einheit vor dem Schlafengehen.
Erinnerst du dich noch an die Ermittlung der Trainingsbelastung mit dem Stryd-Leistungsmesser? Alle o.g. Einheiten werden im Bereich von ca. TSS = 30-40 liegen. Das heißt, die Belastung (aus aufgebrachter Leistung und Belastungsdauer) ist sehr gering. Damit hast du sogar die Möglichkeit, 3 kurze Tempoeinheiten pro Woche (jeweils mit einem lockeren Tag dazwischen) zu absolvieren oder aber das Grundtempo der lockeren Läufe zu erhöhen.
Ach ja, da war ja noch der lange Lauf. Wenn du es konsequent bei 30 min pro Tag im Schnitt lassen möchtest, dann streichst du eine Einheit unterhalb der Woche und läufst am Wochenende dafür einmal 1 h.
Mit diesem Mini-Training bist du in der Lage, bei einem 5 km oder auch 10 km Wettkampf an den Start zu gehen und eine ordentliche Leistung abzuliefern. Ehe du aus Zeit- oder Motivationsgründen gar nicht die Schuhe schnürst, wäre dies ein möglicher Weg um erstmal wieder in die Gänge zu kommen. Die großen Ziele wie HM oder Marathon kannst du dir anschließend wieder vornehmen.