Flüssigkeitsmangel im Marathon-Rennen zieht bittere Folgen nach sich. Aber es gibt genug Tricks, um sich auch bei großer Hitze vor Leistungsverlust durch Wassermangel zu schützen. Man kann einiges vor dem Start und auch im Rennen tun, um nicht einen ärgerlichen Zeitverlust hinnehmen zu müssen.
Wir hatten schon über das Trinken vor dem Start gesprochen. Grundsätzlich gehört vor jedem Marathonstart, sei es auch noch so kühl, mindestens ein halber Liter Flüssigkeit in den Magen. Dieses Vortrinken ist deutlich einfacher als die Aufnahme im Rennen. Wer dort trinkt, kann nicht atmen und nimmt darum einen Leistungsverlust in Kauf.
Dr. Wolfgang Feil: "Zu dem Thema Tricks bei Hitzemangel empfehle ich 10 Minuten vor dem Start 1/2 Liter Ultra-Buffer (halbe Dosierung = doppelt verdünnt) in kleinen Schlucken zu trinken, also eine Flasche zum Wegwerfen in den Startbereich mitzunehmen. Die Flüssigkeit, das Natrium und die Carbos gehen ins Blut beim Start. Dadurch wird die Niere nicht mehr aktiviert und durch das anschließende Renntempo gibt es keinerlei Blutzucker- und Insulinerhöhungen, da die Muskulatur alles weggreift.
Dies muss jedoch im Training geübt werden. Der Magen kann sich an alles gewöhnen - also dem Körper hier 2 Wochen Zeit geben. Wichtig ist jedoch, dass man diese Strategie nicht nur vor den langsamen Läufen anwendet, sondern auch vor einer Trainingseinheit im Renntempo (der Magen muss auch im Renntempo an diese Magenfüllung gewöhnt werden)."
Dieser Empfehlung kann ich nur beipflichten. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass es auch möglich ist bis zu einem ganzen Liter im Magen unterzubringen. Das bekommt nicht jeder/m hin, aber 750 ml macht den Meisten keine Probleme. Du solltest dir besonders vor einem Marathon bei hohen Temperaturen gut überlegen, ob du nicht etwas mehr Flüssigkeit als gewohnt zu dir nimmst. Deine Endzeit wird es dir danken.
Dieses Trinken vor dem Start erzeugt später im Rennen nicht gerade ein Wohlgefühl. Der Magen fühlt sich voll an und die Atmung wird auch etwas erschwert. Aber dieses Gefühl schwindet schnell und macht ab Mitte des Rennes den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage aus. Und Sieg bedeutet für die meisten von uns der Schritt unter die nächsten 10 min unseres Hausrekords. Und ein viertel Liter mehr im Bauch, kann bei extremen Bedingungen am Ende schon ein Viertel-Stündchen auf dem Zeitkonto verhindern.
Ein besonders empfehlenswerter Weg sich auf einen Hitze-Marathon vorzubereiten ist die Hyperhydration mit Glycerin. Glycerin hat die Eigenschaft Wasser im Körper zu binden und wenn es verstoffwechselt wird, dieses wieder frei zu geben. Glycerin ist ein höherwertiger Alkohol, schmeckt leicht süßlich und wird gut vertragen. Glycerin steckt als Grundgerüst in allen Fetten (Triglyceride), ist also bereits reichlich im Organismus vorhanden.
Hyperhydration mit Glycerin | |||
Körpergewicht kg | Glycerin ml | Wasser ml | |
50 | 40 | 1070 | |
60 | 48 | 1284 | |
70 | 56 | 1498 | |
80 | 63 | 1712 | |
Wichtig: Pro Liter jeweils 1,5 g Kochsalz zugegeben! Das Glycerin kann auch anderen Getränken beigemischt werden. Falls diese, wie Ultra-Buffer, bereits Natrium enthalten, kein weiteres Kochsalz zugeben!! 30 min vor dem Wettkampf anfangen zu trinken. Nur bei extremen Hitzebedingungen anwenden!! |
Ich kann nur warnen: Wende dieses Verfahren nur an, wenn du sicher bist, dass es extrem warm wird. Passiert das nicht, dann wirst du öfter hinter den Büschen sein, als du zu träumen wagst. Wir wandten den Glycerin-Trick mit einer Gruppe einmal bei einem sehr heißen Swiss-Alpin-Marathon an und erzielten überragende Erfolge. Weil so viele der anderen Lauf-Teilnehmer wegen der Hitze einbrachen, fuhren wir Altersklassensiege und hervorragende Platzierungen ein, wie nie zuvor.
Im nächsten Jahr waren wir uns mit dem Wetter nicht so sicher und tranken dennoch wieder alle die Glycerin-Mischung und erlebten ein Desaster. Nach dem Start würde es kühler und es fing an zu regnen. Oben lief uns das kalte Wasser auf dem Kopf und unten warmes wieder raus. So viel gepinkelt wie in diesem Rennen habe ich niemals zuvor oder danach.
Ich weiß, dass es einige etwas unerfahrene oder auch unsichere Läufer(innen) gibt, die vor dem Start nichts trinken, weil sie dem leicht ungenehmen Völlegefühl entgehen möchten. Den Betroffenen kann ich nur von ganzen Herzen raten: "Versuche es unbedingt mit dem Vortrinken, die Vorteile überwiegen bei weitem die leichten Nachteile auf den ersten Kilometern. Zu dem hält der volle Magen vom zu schnellen Angehen ab!"
Leider gibt es immer wieder Probleme mit der Verträglichkeit von energiereichen Getränken, wie Ultra-Buffer, verdünnter Saft, Maltodextrin-Lösung, auch gesüßte Tees oder was sonst noch alles geschluckt wird. Manch einem wird im Wettkampf übel von Flüssigkeiten, die im Training gut vertragen werden. Wie Wolfgang Feil schon oben schrieb: "der Magen muss auch im Renntempo an diese Magenfüllung gewöhnt werden". Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob man eine Trinkmischung im Rennen oder im Training zu sich nimmt.
Im Training mit einem entspannten Tempo ist sogar Essen möglich und das was gegessen wird, kann sogar noch verdaut werden. Aber wehe es geht an das Renntempo, dann herrscht Alarmstimmung im Organismus. Alles Blut, was irgendwo abgezogen werden kann, strömt als Sauerstoffträger in die arbeitende Muskulatur. Mit Vorliebe holt sich der Körper dieses Blut aus dem Verdauungstrakt.
Die Folge ist, dass kaum noch etwas verdaut werden kann. Fatal für den Magen-Darm-Trakt ist zudem, dass mit zunehmender Leistungsfähigkeit immer mehr von dem roten Saft abzogen wird, um unsere Speicherstoffe in Energie für die Muskeln umzuwandeln. Spitzenläufer nutzen bis zu 88% ihrer maximalen Sauerstoffaufnahme-Fähigkeit für die arbeitenden Muskeln. Da kann sich auch der Laie vorstellen, dass für den Bauch nur noch die letzte Notversorgung zur Verfügung steht.
Eliteläufer(innen) können somit nur minimalste Mengen ihres Mageninhalts im Rennen auch verarbeiten. Was unterwegs und vorher aufgenommen wird, dient als Trost mehr der Psyche. Ich weiß, dass einige Leute da anderer Meinung sind. Aber ich habe in meiner langen Zeit in der Marathonszene schon einige Läufer sich im Ziel übergeben sehen - auch Siegläufer! Oft kam kaum etwas heraus, aber wenn es sprudelt, dann war es meist ein farblich erkennbares Streckengetränk im völlig unveränderten Originalzustand.
Wenn Gelegenheit dazu war, habe ich die Rauswürgenden befragt, wann sie dann das Letzte getrunken hatten. Die Trockenwürger hatten meist gar nichts oder unterwegs nur ein oder zwei Schluck zu sich genommen. Die Sprudler tranken als Rettungsanker erst Strecken-Getränke oder Eigenverpflegung, als sie ihre Kräfte schwinden sahen. Geholfen haben ihnen diese Getränke aber offensichtlich nichts, denn sie wurden völlig unverändert dem Erdboden zur weiteren Verwendung zur Verfügung gestellt.
Damit will ich nicht sagen, dass die Strecken- oder Eigengetränke zu dieser Übelkeit geführt haben, das hat andere Gründe. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es sichtbar wird, dass das was man als Spitzenläufer unterwegs zu sich nimmt, nicht mehr den erwünschten Weg geht und es wohl besser wäre, auf energiereiche Getränke ganz zu verzichten, wenn es denn die Psyche zulässt.
Diese Psyche spielt einigen in Hinsicht auf die Eigenverpflegung böse Streiche. Ich habe schon sehr gute Läufer(innen) gesehen, die ihr Selbstvertrauen im Rennen augenblicklich verloren, weil sie an einem Getränkestand ihre Flasche mit der Eigenverpflegung nicht erwischten. Auch hier kann ich nur raten: Niemals abhängig werden von der Flasche.
In der nächsten Woche wird über die Maßnahmen zu berichten sein, die von außen anzuwenden sind, bei Hitze im wahrsten Sinne des Wortes gut über die Runden zu kommen.