Wusstest du, dass ein Greif-Trainingsurlaub schon 10 Tage vor dem offiziellen Start beginnt? An diesem Tag werden die Trainingspläne und die Teilnehmerliste versandt. Während die mehr als zweidrittel Wiederholer hauptsächlich die Liste der zu erwartenden Personen lesen, kommen die Neulinge gar nicht erst dazu. Sie verfallen beim Lesen des Trainingsplans regelmäßig in einen Schockzustand.
Frank Hamel als "Mitleidender" sieht die Situation in seinem Blog so:
"Winterzeit in Deutschland ... davon hatte ich langsam genug und entschied vor einigen Wochen, den Winter mit einem 2-wöchigen Urlaub im Süden etwas zu verkürzen. Da ich im Urlaub nicht vor hatte zu faulenzen und meinen eher bescheidenen Trainingszustand im Warmen etwas auf Vordermann bringen wollte, verbrachte ich die Zeit mit einer 60-köpfigen Laufgruppe in südlichen Andalusien.
Die Gruppe war bunt gemischt und bildete sich aus Läufer und Läuferinnen aus allen Teilen Deutschlands, Österreich und der Schweiz. Das Angebot auf den Webseiten von Peter Greif klang sehr verlockend. "Laufurlaub in Conil" hörte sich für mich im ersten Moment nicht sonderlich anstrengend an. Andalusien bietet eine Vielzahl von Unternehmungen und Sehenswürdigkeiten, die sich mit einigen ambitionierten Läufchen schön zu einem abwechslungsreichen Urlaub verbinden lassen. Mit diesen Gedanken buchte ich den Urlaub bei Peter Greif.
Etwa acht Tage vor Urlaubsbeginn bekam ich die Reiseunterlagen zugeschickt. Ein kurzes Anschreiben, eine Teilnehmerliste und ..... einen Trainingsplan fand ich neben dem Flugticket in dem Postumschlag. Jetzt traf mich etwas der Schlag, denn das Wort Laufurlaub hatte ich wohl etwas fehlinterpretiert. Das Wort Trainingslager war wohl eher zutreffend. Sicherlich kennt der eine oder andere von euch die Trainingspläne von Peter Greif und weiß spätestens jetzt, was ich in Andalusien zu erwarten hatte."
Ja, so ist aus der Sicht der "Neuen". Die geforderten Einheiten erscheinen als nicht erfüllbar und ein zweimaliges Training pro Tag gefährden doch ganz sicher Leib und Seele. Die Wiederholer nehmen das alles ganz locker. Erfahren wie sie sind, kennen sie die Abläufe und wissen ganz genau, was ihnen blüht. Für sie ist es viel wichtiger, wer alles zu diesem Trainingsurlaub erscheint.
Und für die Alleinstehenden ist nur eines interessant: Gibt es unter den Teilnehmer(innen) einen möglichen Partner? Natürlich gibt es ihn oder sie. Wie aber sieht sie/er aus? Welche Persönlichkeit steckt hinter dem Namen? Verheiratet oder nicht? Dann wird bei den üblichen Verdächtigen aus den vergangenen Trainingsurlauben erst einmal rund gerufen oder gemailt. "Kenn´ste die oder den?"
Was bleibt ist die Spannung. Die Frischlinge haben andere Sorgen. Die lassen ihre Verbindungen spielen um bei früheren Teilnehmern anzufragen, ob es denn bei dem angebotenen Programm möglich ist auch nur die erste Woche zu überleben.
Diese trösten dann die Ängstlinge: "Keine Angst, dass schaffst du schon, du musst doch nicht jede Einheit mitmachen." Stimmt! An den ersten beiden Morgeneinheiten kommen fast 80% der Teilnehmer an den Strand zum Athletiktraining. In der zweiten Woche sind es dann meist nur noch 50%.
Frank beschreibt das so: "Repräsentativ für das tägliche Trainingsprogramm unseres zweiwöchigen Aufenthalts war das Antreten um 7:45 Uhr am weitläufigen Strand des Atlantik. Dynamische Stabis, Übungen für Kraft und Koordination, Dehnung und ein abschließender 7 - 10 km regenerativer Lauf standen auf dem Plan.
Erst dann konnten wir guten Gewissens den Gang zu dem üppigen Frühstücksbüffet antreten. Anschließend traf die Gruppe zusammen, damit sich jeder kurz mit einigen persönlichen Daten vorstellen konnte. Peter legte sehr viel Wert darauf, dass auch jeder seinen Familienstand nannte ;-). Teil zwei eines Trainingstages war das tägliche Nachmittagstraining um 16:45 Uhr."
Wer so ein Training aus Kraft, Koordination, Flexibilität und Sprint nicht gewohnt ist, der bekommt natürlich einen dicken Muskelkater. Aber dieses Training lohnt sich ungemein, was gerade beim Sprinttraining deutlich zu sehen war.
Zu Beginn laufen die meisten Teilnehmer wie alte Gäule. Nach dem Anschauen eines Videos über Lauffehler, gaben sich alle deutlich mehr Mühe. Was vorher aussah wie der Einlauf zum Gicht- und Rheuma-Festival, wandelte sich innerhalb von wenigen Tagen zu einer sauberen leichtathletischen Stilprobe.
Sprints in der Morgendämmerung
Beim ersten Sprinttraining vergoss der Trainer Tränen. Zu augenbeleidigend war der Laufstil zahlreicher Läufer(innen). Aber innerhalb von 10 Tagen wurde zu seiner Überraschung aus dem Stoß- und Hampel-Jog ein sauberer Sprint. Die Damen und Herren konnten plötzlich laufen.
Selbst D., den ich einige Tage vorher mit dem Satz beleidigte: "Du läufst wie deine eigene Großmutter!" lief jetzt wie eine Konkurrenz von Haille. Das mit der Großmutter hatte ich kurz vorher noch entschärft. Eigentlich wollte ich sagen: "Du läufst wie die Großmutter von Joopie Heesters."
Jeden Morgen 5-mal 35 m Sprint reichten zu dieser Stilwandelung aus. Vorgaben waren möglichst langer Schritt, flacher Sprung und hohes Knie. Zum Schluss konnten alle diesen kraftsparenden und raumgreifenden Laufstil. Böse Stimmen behaupteten, dass dies alles nur so gut aussah, weil die "Sprintblinden" zum Zeitpunkt des Trainings alle noch im Bett lagen.
Du wirst dich sicher fragen, warum wir denn nun gerade den Sprint trainieren. Sprint ist die Mutter des Laufs. Wer ihn kraftsparend beherrscht, kann ausdauernder laufen, obwohl der Sprintstil während der Langstreckenwettkämpfe kaum angewandt wird.
Das Abendtraining lief die ganzen 14 Tage im Belastungs- und Entspannungsrhythmus ab. Das heißt, an einem Tag wird Tempo oder lange gelaufen, dem folgt dann eine lockere Einheit zwischen 10 und 20 km.
So sollte es sein, aber Menschen und besonders Läufer haben zu solchen Trainingsvorgaben ganz andere, manchmal seltsame Ideen. In meinen Anfangsjahren als Trainer hatte ich noch an das Gute, heißt die Tempodisziplin, geglaubt.
In den langen Jahren meiner Tätigkeit bin ich völlig desillusioniert wurden. Dies hat zur Folge, dass ich bei der anfänglichen Konkurrenzsituation in einer sich noch findenden Gruppe gar nicht erst versuche die Laufgeschwindigkeit der Tempoläufe zu bremsen.
Die erste Tempolauf-Einheit ist ein 10 km-Lauf ohne Uhr. Hier gilt es seine vorher angegebenen Zeit ohne Hilfsmittel möglichst genau zu erreichen. Das klappt, der Sieger(in) schafft es manchmal sogar sekundengenau, aber meist kommt es zu einer Abweichung bis zu 5 sec.
Start zum 10 km-Lauf ohne Uhr
Aber was da eigentlich abgeht, ist die Festlegung einer Rangordnung in der Gruppe. Und da stehen dann am Start einige Typen, denen ragt das Messer schon sinnbildlich aus den Augen.
Andere sind hochkonzentriert, weitere Teilnehmer schauen eher ängstlich und besonders bei den Männern sind Gesichtsmuskeln angespannt. Vor dem Start scheint die ganze Seelenwelt durch die Haut der Läufer und Läuferinnen zu schimmern.
Du wirst es kaum glauben: Auf unserer genau vermessenden und nicht leichten 1200 m Runde mit jeweils 9 Höhenmetern laufen nicht selten einige 10 km-Lebensbestzeiten. Da siehst du, wie stark eine Motivation steigt, wenn man in einer neuen Gruppe einen erwünschten Status einnehmen möchte.
Frank Hamel kommentiert das aus seiner Sicht: "Heute war ein 10.000 m Lauf unter Wettkampfbedingungen angesagt. Das Besondere daran, das Tragen von Uhren wurde verboten, und jeder Teilnehmer der Gruppe nannte am Vormittag seine Zeit, die er zu laufen vermag. Sieger würde derjenige sein, der seiner angekündigten Zeit am nächsten heran kommt. "Startgeld" waren 3 Euro und der gesamte Topf sollte an den Sieger gehen. Ein ungeschriebenes Gesetz jedoch besagt, dass der Sieger eine Runde Getränke an die Gruppe bezahlen wird.
Nach einer gemeinsamen Aufwärmrunde auf einer recht welligen 1200 m asphaltierten Strecke rannte die Meute blind los. Da ich nicht wusste wie hoch das Tempo ist, rannte ich erst einmal kräftig mit. Recht schnell musste ich aber erkennen, dass ich es mit dem Tempo übertrieb und drosselte etwas. Die Sonne brannte für uns noch ungewohnt und die Steigungen der Strecke taten schon nach wenigen Runden sehr weh. In Runde 7 und 8 musste ich sogar kleine Gehpausen einlegen, damit ich nicht vollends eingebrochen wäre. In 44:04 Min finishte ich den Lauf. Getippt hatte ich 44:44 Min. Die spätere Siegerin des Spiels lag nur 2 Sekunden mit ihrem Tipp daneben."
Dieses Staffel-Team hat noch gut lachen
Wenn du das alles liest, dann wirst du sicher denken, so etwas hält doch kein Mensch aus. Doch, trotz alle Jammerei wird gelaufen und ohne jeden Einfluss vom Trainer immer schneller. Das Unglaubliche ist, dass eine große Anzahl von Läufer(innen) im letzten schnellen Training - ein 18 km Tempolauf im Marathon-Renntempo - dann im Schnitt noch schneller laufen, als 10 Tage vorher beim 10 km-Tempolauf.
Auch nicht ernst gemeint!
Aber eines war gegen Ende des Trainingsurlaubs auch zu sehen: Zahlreiche Teilnehmer hatten spitze Nasen bekommen und waren deutlich schlanker im Gesicht geworden.
Ein junger Mann nun war eindeutig König der Spitznasen. Nicht nur das, er pflegte seine spitze Nase auch mit Hingabe. So verließ er beim letzten 35-er gegen jede Planung seine Gruppe sofort nach dem Start, um nach 2:16 h schon im Ziel zu sein. Das ist ein Schnitt von 3:54 min/km. Eine zu große Anstrengung innerhalb eines Trainingslagers, für die er hoffentlich nicht zu sehr zahlen muss. Die Erfahrung zeigt, dass solche Tempoausflüge eher kontraproduktiv wirken. Soll heißen: So etwas steckt kein Körper ungestraft weg.
Dazu sollte man aber auch wissen, dass er das erste Mal einen Trainingsurlaub mitgemacht hat und somit die Auswirkungen von dieser Art von Husarenritten noch nicht kennt. Dennoch kann ich sein Verhalten kaum kritisieren. Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen. Wichtig ist nur, dass man daraus lernt.
Ein anderer Läufer musste eine unangenehme Erfahrung noch direkt in Conil machen. Er stolperte im Tempolauf und brach sich dabei das Handgelenk. Dieses wurde im Krankenhaus von Puerto Real operiert und er kam schon nach 3 Tagen schick geschient wieder zurück zur Gruppe. Die Verletzung verheilt so wie es im Augenblick aussieht komplikationslos.
Damit ich nicht wieder böse Mails bekomme: Ab hier bis zum Ende ist dieser Artikel als reine Satire zu lesen:
Was gab es noch? Es wurde viel gelacht, gequatscht, gesonnt und geflirtet. Eigentlich so wie in jedem anderen Urlaub. Der Trainer trank wie üblich jeden Abend eine Flasche Wein, damit er am nachfolgenden Tag noch die Kraft hatte seinen allseits bekannten Sadismus auszuleben.
Zu dieser Flasche muss ich noch eine Erklärung abgeben: Ich würde mich ja auch mit einer halben Flasche zufrieden geben. Aber dies würde mir sofort als Schwäche ausgelegt, welche meine beiden allgegenwärtigen "Sauf- und Laufkumpel" R.J. und Dr. F.B. ausnutzen würden, um den Rest sofort herunter zu gurgeln.
Der hintere Teil von Gruppe 1 beim extensiven Dauerlauf
Da aber beide im Gegensatz zu mir im vollen Training stehen, würden sie durch den zusätzlichen Weingenuss einen Formschaden erleiden. Und davor muss ich sie schützen und als Folge davon musste ich selbst den restlichen Wein vernichten.
Nicht allein wegen dieser überdurchschnittlichen Aufopferung für die 60-köpfige Läufer(innen)schar bezeichnete man mich bald als die Mutter Theresa der Trainergilde. Diese Sichtweise der Teilnehmer hat mich zutiefst berührt. Im nächsten Trainingsurlaub in der Türkei, ab dem 25.3.11, werde ich aus tiefen Dank heraus die Umfänge um 10 und das Tempo um 5% erhöhen.
Auch wenn es dadurch zu Dankensorgien kommen sollte, lehne ich eine sofortige und auch spätere Heiligsprechung kategorisch ab. ;-)