In unserer kleinen Serie kommen wir zu den richtigen Bergläufen. Du wirst sicher denken, dass wir doch schon in den ersten drei Artikeln über diese Trainings- und Wettkampfdisziplin gesprochen haben.
Was ich meine mit richtigen Bergläufen, sind Kurse um die 1000 Höhenmeter und mehr. Dazu müssen wir auch noch unterscheiden, ob das Ziel oben am Berg zu finden ist oder es auch wieder runter zum Ziel ins Tal geht.
Es gibt eine Menge von Distanzen in den Bergen, die rauf und runter zu laufen sind und dies mit unterschiedlichen Streckenlängen. Fast alle werden auf Natur-Untergründen gelaufen.
Ich möchte hier nicht so stark auf die Wettkämpfe eingehen, sondern speziell auf das Trailtraining mit großen Höhendifferenzen. Meine Frage ist eigentlich: „Kann man seine Wettkampfleistungen im Flachen durch Training in den Bergen verbessern?“
Es gab eine Zeit als Laufeleve in den siebziger Jahren, da war ich davon überzeugt, dass mich Training im Hochgebirge zu großen Erfolgen auf den flachen Strecken bringen würde.
Die Idee dazu war durch Vergleiche verschiedener Trainingsformen entstanden. Wenn du dich bei harten Trainingsläufen im Flachen gequält hast, dann entwickeln sich deine Leistungen erheblich. Dazu musst du dir aber auch das gespaltene Ding aufreißen.
Mein Gedanke dazu war, dass Laufen im Hochgebirge noch härter und mühevoller war, als zum Beispiel das Training auf der Bahn.
Wie du vielleicht weißt, gab es in diesen Jahren praktisch keine Literatur zu diesem Thema. Also was blieb übrig? Peter probierte es aus. Jeder Urlaub wurde ausgewählt und ausgenutzt zum Training in den Bergen.
Der erste Versuch wurde gestartet vom Ledro See in Norditalien oberhalb des Gardasees. Sechs Tage in der Woche rannte ich jeweils einen anderen Berg um die 2000 Meter hoch. Ein Tag wurde als Ruhetag genutzt und im Flachen gelaufen.
Nun bin ich natürlich nicht nur den Berg hoch gelaufen, sondern auch von einem Gipfel über den Grat zum nächsten. Dieser hatte manches Mal nur 30 Zentimeter Breite. Mir wird heute noch schlecht, wenn ich daran denke, wie ich im hohen Tempo über die Höhen lief.
Ich kann heute nicht mehr glauben, dass das möglich war. Es gab keinen einzigen Sturz, an den ich mich erinnern kann. Nur bei den Strecken bergab gab es oft blutige Ausrutscher.
Zwei bis drei Stunden war ich meist unterwegs und kam glücklich in unser Ferienhaus am See zurück. Ich fühlte mich sowas von gut und dachte: „Wenn ich jetzt nachhause komme (damals Berlin), dann werde ich den Daheimgebliebenen aber zeigen, wo der Hammer hängt."
Zurück in der geteilten Stadt ging es gleich in einen Wettkampf. Ich platzte fast vor Kraft. Aber ich musste schon nach den ersten Kilometern die altbekannte Konkurrenz ziehen lassen. Mann, war ich enttäuscht.
Es wurde dann bei den nachfolgenden Rennen auch nicht besser und so wurde reichlich Häme über den Italienurlauber geschüttet.
Grübeln war angesagt. Warum konnte ich mit den anderen nicht mehr mithalten, obwohl ich doch so hart trainiert hatte. Naja, irgendwann kam nach dem konventionellen Training auch wieder die Form zurück. Aber großartig verbessern konnte ich mich nicht in dem besagten Jahr.
In solch einer Situation sucht man dann die Fehler, die man gemacht hat. Nach langem Überlegen wurde dieser Fehler scheinbar gefunden: „Die Berge, die ich damals hoch lief, waren einfach zu steil.“
Aber dennoch war ich davon überzeugt, dass dieses Bergtraining ein Weg zum Erfolg sein muss. Also ging es den nächsten Frühjahrsurlaub nach Teneriffa.
Von unserem Hotel in Los Christianos aus (Meereshöhe), rannte ich jeden Tag zwei Wochen lang hoch nach Vilaflor. Das waren jeweils 16 Kilometer mit 1400 m aufwärts und 16 wieder runter.
Du wirst es kaum glauben, aber ich bin die 16 Kilometer runter im höchsten Tempo, teilweise unter 3:10 min/km gelaufen. Jahrelang habe ich über dieses Training geschwiegen, weil ich mich nicht blamieren wollte.
Der Gedanke wurde gelegt, durch das oben beschriebene Desaster beim ersten langen Bergtraining in Italien. Dort war es nicht möglich, die Berge nur langsam runter zu laufen, weil der Untergrund meist sehr schlecht belaufbar war.
Zum Schluss zog ich daraus, dass der fehlende Erfolg mittels dieses Trainings durch ein zu niedriges Lauftempo zu erklären ist. Also, musste höheres Tempo her. Die Teneriffa Laufstrecke war nicht zu steil und so war ein schnelles Bergablaufen möglich.
Der feste Gedanke war: „Den ganzen Holgers in Berlin, werde ich zeigen, was eine Harke ist.“ Rund 200 Kilometer in der Woche, da musste doch etwas rauskommen.
Zurück in die geteilte Stadt und rein in irgendeinen Wettkampf, an den ich mich heute nicht mehr erinnern kann - oder wollte. Von Anfang an war ich schlapp, unkoordiniert und wütend.
Es war die gleiche Leistungsschwäche, die ich nach meinem 2. persönlichen Trainingslager zeigte. Es waren bittere Minuten, in denen ich erkennen musste, dass man nicht mit seinen vorhergehenden Trainingsmethoden so brachial brechen kann.
Die Enttäuschung war groß, aber nach einigen Wochen kam es doch zu einer Bestzeit, über welche Distanz weiß ich leider nicht mehr. Was sich jetzt aber einstellte, waren Schmerzen in der Orthopädie.
Mein Körper meldete an, dass er durch diese Trainingsexperimente überfordert war. Das Ganze mündete in einer Bandscheibenoperation, die böse endete.
1976 war es dann aus mit dem Laufen. So musste ich bitter erkennen, dass ein Organismus entsprechende Pausen braucht und ihm bestimmte Geländestrukturen auf Dauer nicht bekommen.
Im nächsten Newsletter findest du die Analyse, die ich aus heutiger Sicht ziehen kann.