Nach dem ich dich in der letzten Woche wohl mit den gnadenlosen 400 m-Läufen geschockt habe, werden wir heute zu den milderen Formen des Einrundentrainings übergehen. Aber, hast du die in der Vorwoche beschriebenen 400 m-Läufe schon ausprobiert? Wenn du die Zeiten erreicht hast, dann kannst du stolz auf dich sein.
Die meisten von uns werden aber wohl einige Probleme gehabt haben die Vorgaben zu erreichen. Als erstes wird die Koordination nicht gestimmt haben. Wer es nicht gewohnt ist so schnell zu laufen, wird schon schnell nach dem Start spüren, dass der Laufstil bei diesem hohen Tempo etwas zappelig wird und irgendwie unrund ist. Wer die Zeit geschafft hat, aber unrund lief, den taufe ich hier einmal als den Typ "Zappel".
Ein anderer Typ Läufer hat es hingegen ungleich schwerer die Vorgaben auch nur annähernd zu erfüllen. Er spürt schon nach 50 m, dass er dieses Tempo gar nicht erreichen kann. Zu schwer der Schritt und zu kurz der Sprung, zu schwerfällig die Bewegung, aber im Ziel die Aussage: "Ich bin viel zu langsam, aber ich können." Diesen Typus nennen wir einmal "Traktor".
Dann gibt es noch einen dritten Typ der oder die Probleme damit hat, das schnelle 400 m-Tempo zu erreichen. Das ist der Typ "Straßenfeile". Hebt kaum das Knie, die Beine werden am liebsten nur gespreizt. Kraftsparen ist angesagt. Viele unterklassige "Ultras" wenden diesen Schritt an. Kommen damit zwar in das Ziel, stagnieren aber in ihrer Entwicklung.
Ich hatte Mitte Mai 2009 einmal Gelegenheit in aller Ruhe eine Menge von Ultraläufern zu betrachten, die hier in Seesen durchkommend eine Etappe des Transeuropalaufs von Bari zum Nordkapp bestritten. Es war deutlich zu sehen: Die führenden Läufer(innen) liefen mit einem deutlichen Kniehub, während die zweite Hälfte der Teilnehmer buchstäblich über liegende Kronenkorken stolperte.
Solch eine Läufergruppe würde sich wohl beleidigt weg drehen, wenn man von ihnen schnelle 400 m-Läufe fordern würde. Aus eigener schlimmer Erfahrung weiß ich, dass die Straßenfeilen lieber Stürze über liegende Stromkabel oder Asphaltunebenheiten in Kauf nehmen, als sich in kurze schnelle Läufe zu begeben. Man hat dann einfach ein schlechtes Gefühl und so meidet man diese Trainingsform, obwohl man sie so dringend nötig hätte.
Typ "Zappel" hat es einfacher. Der muss nur ein paar Mal die ganze Sache wiederholen und dann kann er es. Ein schwerer Fall ist auch der "Traktor" Diese Typen sind in der Regel sehr ausdauernd, aber so sprintfähig wie eine rote Wegschnecke. In früheren Jahren hatten wir bei uns den Läufer Oliver. Er war von den "Traktoren" noch ein Spezialfall, so etwas wie eine "Pistenraupe". Ganz langsam, um ja nicht umzufallen.
Oliver lief schon zwei Jahre mit uns und versuchte sich auch immer wieder an den 400 m. Trotz letztem Einsatz gab es nur Dampf, Keuchen, Schweiß. Mehr kam nicht. "Ich werde es niemals im Leben schaffen die Runde unter 96 sec zu laufen" (4 min-Tempo), so seine Aussage nach den wiederholten Versuchen schnell zu laufen.
Nur der Trainer gab ihm immer wieder Hoffnung: "Mache weiter du wirst schneller!" Ich glaube, er glaubte mir nicht,
aber versuchte es dennoch immer wieder.br>
Oliver gab nicht wie andere auf. Immer und immer wieder versuchte er sich an den langen Sprints. Sekunde um Sekunde fielen seinem Fleiß zum Opfer. Und im dritten Jahr knackte er die 72 sec über 400 m und im vierten Jahr die 3 h im Marathon. Nur mit Fleiß und Beharrlichkeit hat er es von der Pistenaupe zum richtigen Läufer geschafft.
Wenn du dich in diesen Zeilen wieder findest, dann setze auf den Fleiß. Auch wenn du meinst, niemals richtig schnell laufen zu können und dich die anderen immer höhnend abziehen, bleibe am Ball. Laufe 200- und 400-er. Du wirst sehen jede Wiederholung macht dich schneller. Du kannst deine Muskeln umstellen. Dies geht nicht von heute auf morgen, dazu brauchst du Jahre. Bleib dran, glaube an dich, was andere geschafft haben, schaffst du auch.
Wenn du dich "unten rum" verbesserst, dann wirst du auch schneller auf den längeren Distanzen. Das ist eine Binsenweisheit, wird aber von vielen nicht geglaubt. Versuche es einfach, bringe Geduld mit und arbeite. Verliere niemals den Mut und setze dir klare Ziele.
Als erstes versuchst du es mit den 400 m-Läufen im Tempo II. Dazu nutzt du wieder diesen Rechner! Du schlägst aber dem Resultat 3 sec zu. Diese Zeit versuchst du jetzt über 10 x 400 m mit 600 m Trabpause zu erreichen. Schaffst du das nicht, teilst du diese Zeit durch 4 und nimmst das Resultat mal drei.
An einem weiteren Trainingstag läufst du dann 10 x 300 m mit 500 m Trabpause in dem errechneten Tempo. Gelingt es dir immer noch nicht, das geforderte Tempo zu erreichen, dann gehst du noch einen Schritt zurück und läufst 10 x 200 m mit 400 m Trabpause. Dazu teilst du das errechnete 400 m-Tempo durch zwei. Und ich bin davon überzeugt, dass du zumindest an dieser Stelle die geforderte Geschwindigkeit erreichst.
So wie du die 200 m schneller laufen kannst, als errechnet gehst du über zu den 10 x 300 m und wenn du diese auch geknackt hat, machst du dich an die 10 x 400 m. Hast du auch diese Hürde genommen, nimmst du die aufgeschlagenen 3 sec weg und rennst dann triumphierend hailegleich um die Bahn. Dann hast du es geschafft und niemand wird jemals wieder zu dir "Traktor" sagen.
Diese Einheiten machst du in jeder Woche im Sommer einmal. Vorher und nachher 2 - 3 km ein- bzw. auslaufen. Es gibt dabei keine Ausreden. Weder Hitze noch Regen, weder viel Arbeit, noch zu viel Alkohol, auch nicht Omas Geburtstag und Mamas drohender Liebesentzug. Selbstverständlich lässt du auch im Urlaub nichts schleifen. Du wirst jetzt ein richtig guter Läufer oder Läufer(in).