Es ist eigentlich schon eine Binsenweisheit, dass auch wir Läufer besondere Kraftfähigkeiten benötigen. Dennoch denken die meisten von uns an Kilometer, wenn sie über Training reden.
Aber leider werden diese Läufer und Läuferinnen in der Saison dafür büßen, dass sie in der Herbst- und Winterzeit nicht für kräftige Muskulatur sorgen. Mir ist eine fast unendliche Anzahl von Mitstreitern bekannt, die von einem Athletiktraining nicht viel halten oder auch an diese Übungsform glauben, aber sie trotzdem nicht ausüben.
Zum Athletiktraining zählt Flexibilität, Schnelligkeit und Kraftfähigkeiten. Mir kommen schon jetzt bei dem Gedanken an diese drei Grundlagen die Tränen, wenn ich daran denke, wie viele von uns diese vernachlässigen.
Es gibt genügend Läufer, die so steif sind, dass sie als Brückenträger brauchbar wären. Die andere Gruppe sind die Schneckenracer oder Traktoren, die im Wettkampf von 5000 Meter bis Marathon das gleiche Tempo laufen. Dem Himmel sei Dank, dass diese Schnecken nicht auch noch Schleimen. Eine andere Gruppe ist so voller Körperschwäche, dass sie bei einem Marathon mit 1,80 m Körperhöhe startet und mit 1,70 m in das Ziel kommen.
Und wenn du meinst, dass ich hier spaße, dann irrst du. Mehrmals in meinem Leben habe ich erlebt, das Sportler einfach nicht aus der Monotonie ihres Wettkampftempos herauskommen.
Dieser Typ Läufer hat auf Grund von falschem Training, nicht die Möglichkeiten sein Wettkampftempo zu variieren. Von 5000 Meter bis hin zum Marathon ähnelt sich dieses Tempo. Besonders bei Ultraläufern ist in diese Form der Monotonie sehr ausgeprägt.
Um diese Tempowechsel-Fähigkeiten zu trainieren, findest du in unseren Trainingsplänen sehr oft Tempowechsel-Training. Schon vor mehr als 25 Jahren, als wir noch keine Tempowechsel im Training trainierten, ärgerte ich mich fürchterlich über Athleten, die über 25 Kilometer das gleiche Tempo liefen wie im Marathon.
Sie konnten einfach Ihr Tempo nicht variieren. Aus dieser Erkenntnis heraus entwickelte ich vor vielen Jahren das Tempoflextraining. Dabei werden innerhalb einer Einheit alle Tempi verschiedener Wettkampfstrecken gelaufen und trainiert.
Es war aber sehr schwierig den Betroffenen dieses Training beizubringen, weil es innerhalb des Ablaufs der Einheit viel geistiges Potenzial erfordert. Lieber wollten die Läufer und Läuferinnen die Tempoläufe in einer Geschwindigkeit durchbringen und sich dann über die gute Zeit freuen bzw. ärgern im gegensätzlichen Fall.
Aber es zeigte sich, dass dieses Training in anderen Bereichen kaum angenommen wurde. Es war einfach zu schwierig zu verstehen. Zudem kam der Autor nicht von einer Sport-Hochschule, sondern aus der Praxis.
Die dritte Grundlage in unserem Sport ist die Kraftfähigkeit. Sie wird von Läufern und Läuferinnen meist unterschätzt. Bei Letzteren sind diese Fähigkeiten geringer ausgeprägt, weil die Männer grundsätzlich eine stärkere Muskulatur haben und diese auch gerne zeigen wollen.
Aber dennoch gibt es entsprechend männliche, leptosome Typen, die nicht selten schlaffer sind als Wischlappen. Oft konnte ich in Beratungsgesprächen diese Personen nicht überzeugen, ihre Muskeln zu stärken. Als Argument wurde in der Regel angeführt, dass sie dann schwerer werden würden.
Viele von uns machen sich auch keinerlei Gedanken über ihre eigenen Kraftfähigkeiten. Hast du schon mal bei einem Marathon-Endkampf gesehen, wie die Läufer bzw. Läuferinnen in sich zusammensacken. Je näher sie dem Ziel kommen, desto kleiner werden sie.
Nun, du magst denken, es ist doch egal, ob ich groß oder klein in das Ziel komme. Hauptsache ich komme überhaupt dorthin im gleichen Tempo. Und das ist genau der Punkt, der oft nicht verstanden wird.
Jemand, der seine Rumpfmuskulatur nicht entsprechend trainiert hat, dem kippt innerhalb des Wettkampfes das Becken nach hinten weg. Dadurch werden die Schritte kürzer, aber dies bei gleichem Energieaufwand.
Diesen lauftechnischen Fehler solltest du dir ganz genau merken und ihn auch entsprechend bekämpfen. Und mit diesem Bekämpfen solltest du sofort anfangen, denn nur im Herbst und Winter können wir unsere Kraftfähigkeiten verbessern.
Also gehst du rein in das Athletiktraining im jetzigen Regenerationszeitraum und in den nachfolgenden Wintermonaten. Als erstes solltest du einmal die Regeneration ernst nehmen. Das ist kein Abschlaffzeitraum, sondern eine aktive Erholung mit einer Ausbildung deiner Körperlichkeit, die du so in der Saison nicht üben kannst. D.h. das Verbessern deiner Grundschnelligkeit durch Sprint- und Koordinationsübungen und besonders auch durch Krafttraining.
Das alles kannst du nicht im Wettkampfzeitraum machen, denn diese Übungen produzieren in der Regel einen alternierenden Muskelkater. Es bleibt also nichts anderes übrig, als diese Übung jetzt vor der Saison zu machen. Das hat sich über Jahrzehnte als äußerst wirkungsvoll gezeigt.
Das Wort Krafttraining assoziiert die Weiblichkeit mit dicken Muskeln und Virilität. Dabei vergisst sie leider, dass auch Frauen Kraft, Beweglichkeit und Schnelligkeit, also Athletik benötigen, um schnell und ausdauernd zu laufen.
Diese Gedanken sind aber so falsch, wie schädlich. Wer das Athletiktraining vernachlässigt, wird verletzungsanfällig und bekommt eine verkürzte und nicht ausbalancierte Muskulatur. Es gibt genügend "Krumme" in unserer Szene. Aber kaum jemand, der wirklich schnell ist, ist auch ein Schwächling.
Dass man von dieser Art Training keine dicken Muskeln bekommt, zeigen immer wieder sehnige und schlanke Athleten und Athletinnen der Spitzenklasse. Ästhetisches und schönes Laufen geht auch einher mit einer kräftigen Muskulatur.
Zu diesem Thema passt folgende Studie, erschienen im International Journal of Sports Medicine, 2008. (Quelle: Sport und Training):
"Elitelangstreckenläufer benötigen ein großes Maß an Laufökonomie. Darunter versteht man die Energie, die notwendig ist, um ein gegebenes Tempo aufrechtzuerhalten. Bei ansonsten gleichen Voraussetzungen hat ein Läufer mit einer guten Laufökonomie einen echten Leistungsvorteil gegenüber der Konkurrenz.
Studien zeigen, dass die Laufökonomie ein ausgezeichneter und verlässlicher Hinweisfaktor für die Laufleistung eines Sportlers über größere Distanzen ist. Dass die Laufleistung durch das Lauftraining verbessert werden kann, liegt auf der Hand. Aber gibt es noch andere bewährte Methoden?
Um diese Frage zu beantworten, haben brasilianische Wissenschaftler die Wirkung verschiedener Krafttrainingsprotokolle (in Kombination mit Ausdauertraining) auf die Laufökonomie untersucht. Die Probanden waren 16 gut trainierte Läufer mit einem Durchschnittsalter von 27,4 Jahren und einem durchschnittlichen Gewicht von 62,7 kg. Die Läufer wurden nach dem Zufallsprinzip in 2 Gruppen aufgeteilt: eine Gruppe mit "explosivem" Krafttraining und eine, die das Krafttraining mit "schweren Gewichten" absolvierte.
Beide Gruppen trainierten mit den gleichen Geräten. Die Gewichtsgruppe arbeitete mit größeren Widerständen und langsameren Bewegungen, während die Explosivtrainingsgruppe mit schnelleren, explosiveren Bewegungen und geringeren Widerständen trainierte. Vor Beginn und nach 4 Wochen des Trainings wurden folgende Tests durchgeführt:
1. ein Laufbandstufentest bis zur Erschöpfung, mit dem die maximale Sauerstoffaufnahme und die Geschwindigkeit, die einer Blutlaktatkonzentration von 3,5 mM entspricht, ermittelt wurde,
2. ein submaximaler Test bei konstanter Intensität zur Feststellung der Laufökonomie,
3. ein Maximaltest mit Vertikalsprung aus dem Stand und
4. ein 1RM-Maximalkrafttest mit Beinpresse.
Die Studie ergab, dass die Gewichtsgruppe ihre Laufökonomie deutlich verbesserte, während die Explosivkraftgruppe sich nicht steigern konnte. Daraus schlossen die Forscher, dass ein kurzzeitiges herkömmliches Krafttraining die Laufökonomie bei gut trainierten Läufern verbessern kann.
Ein Training mit schweren Gewichten scheint für die Verbesserung der Laufökonomie jedoch effizienter zu sein, als ein mit den gleichen Trainingsgeräten durchgeführtes explosives Krafttraining."
In den letzten Jahr nutzten wir die Übungen aus dem Buch "MaxxF". Immer wieder kamen einige neue Formen dazu, aber grundlegend üben wir auch in diesem Jahr wieder nach "MaxxF". Manchmal holte der Trainer dann einige uralte Übungen aus der Mottenkiste und schon geht das Gejammere los.
Die alten Athletikübungen waren und sind deutlich härter als die jetzigen. So haben wir auch aus dieser Mottenkiste die Medizinbälle und die Sprungseile wieder herausgekramt. Besonders die Übungen mit den Medizinbällen finden wir sehr abwechselnd und wirksam.
Wenn du jetzt über diese Übungsformen nachdenkst, dann solltest du auch an den monatelangen Muskelkater denken, den dieses Training hervorruft. Das nur als Warnung!