In den letzten 2 Wochen bekam ich eine Vielzahl von E-Mails (sowohl von Greif-Trainingsplan-Beziehern als auch von Nichtmitgliedern), in denen die Läuferinnen und Läufer aufgrund von kurzfristig aufgetretenen aber auch bereits länger anhaltenden Verletzungen nach Rat fragten. Es waren gehäuft vor allem das „Läuferknie" (ITBS), die Achillessehne und Zerrungen die beklagt wurden. Dabei wurde mir wieder bewußt, wie sehr in unserer Szene das Athletik-Training vernachlässigt wird.
Zum Athletik-Training zählen Flexibilität, Schnelligkeit und Kraftfähigkeiten. Die meisten von uns denken jedoch nur an Kilometer, wenn sie über Training reden. Dabei benötigen auch wir Läufer besondere Kraftfähigkeiten. Sie machen uns schneller und vor allem beugen sie Verletzungen vor!
Oft wird nur schnell die Laufeinheit absolviert, anschließend vielleicht noch etwas gedehnt. Wenn man mehr Zeit hat oder im Verein mit der Gruppe trainiert, dann gibt es auch noch Lauf ABC für die Koordination und Steigerungsläufe. Genauso habe auch ich das in verschiedenen Leichtathletik-Vereinen und Trainingsgruppen erlebt. Von Krafttraining war da keine Rede.
Eine Ausnahme habe ich erlebt, als ich Anfang der 90er Jahre in Berlin ein paar Trainingseinheiten mit einem der besten deutschen Hindernisläufer absolvieren durfte. Sein Trainer wünschte sich zur Vorbereitung der Meisterschaft jemanden, der seinen Schützling beim Lauf über die Hindernisse mit den Ellenbogen „beharkt“ und versucht ihn aus dem Tritt zu bringen. Bis wir den ersten Schritt auf die Bahn gesetzt haben, verging jeweils etwa eine Stunde mit Dehnung und Kraftübungen. Dabei vor allem Halteübungen für die Rumpfstabilität.
Völlig selbstverständlich werden diese Kraftübungen auch im Triathlon absolviert. Um die Zeit meines Ironman herum war ich ca. 3 Jahre in einem Berliner Triathlon-Verein. Bei 3 gemeinsamen Schwimm-Einheiten pro Woche gab es zu Beginn jeweils eine mindestens 30 minütige Krafteinheit bevor es ins Wasser ging.
Viele von uns Läufern machen sich keinerlei Gedanken über ihre eigenen Kraftfähigkeiten. Nicht in Bezug auf ihre läuferischen Fähigkeiten. Oft auch noch nicht einmal, wenn sie von einer Verletzung heimgesucht werden. Wer das Athletik-Training vernachlässigt, wird verletzungsanfällig und bekommt eine verkürzte und nicht ausbalancierte Muskulatur. Es gibt genügend "Krumme" in der Laufszene. Aber kaum jemand, der wirklich schnell ist, ist auch ein Schwächling.
Dass man von dieser Art Training keine dicken Muskeln bekommt (was oft ein Argument von Läufern gegen das Krafttraining ist), zeigen immer wieder sehnige und schlanke Athleten und Athletinnen der Spitzenklasse. Ästhetisches und schönes Laufen geht auch einher mit einer kräftigen Muskulatur. Es geht aber auch gleichzeitig um Laufökonomie. Darunter versteht man die Energie, die notwendig ist, um ein gegebenes Tempo aufrechtzuerhalten.
Lauftraining ist orthopädisch belastend. Ist die Rumpf-Muskulatur nicht kräftig und ausbalanciert, kommt es schnell zu Fehlstellungen und -haltungen. Diese führen z.B. bei einer Marathon-Vorbereitung über Wochen und Monate irgendwann zu einer typischen Läufer-Verletzung.
Hast du schon mal bei einem Marathon gesehen, wie die Läufer bzw. Läuferinnen am Ende in sich zusammensacken? Je näher sie dem Ziel kommen, desto kleiner werden sie. Du magst denken, es ist doch egal, ob ich groß oder klein ins Ziel komme. Hauptsache ich komme überhaupt dorthin im gleichen Tempo. Das ist genau der Punkt, der oft nicht verstanden wird.
Jemand, der seine Rumpfmuskulatur nicht entsprechend trainiert hat, dem kippt innerhalb des Wettkampfes das Becken nach hinten weg. Dadurch werden die Schritte kürzer, aber dies bei gleichem Energieaufwand. Diesen lauftechnischen Fehler solltest du dir ganz genau merken und ihn auch entsprechend bekämpfen. Und mit diesem Bekämpfen solltest du sofort anfangen. Deine Laufzeiten werden es dir danken!
Also gehst du rein in das Athletik-Training in der jetzigen Regeneration im Juli. Als erstes solltest du einmal die Regeneration ernst nehmen. Das ist kein Abschlaff-Zeitraum, sondern eine aktive Erholung mit einer Ausbildung deiner Körperlichkeit, insbesondere durch Krafttraining. Steigere so deine Laufökonomie und beuge den typischen Läuferverletzungen vor! Machst du es nicht, hast du vermutlich bald viel Zeit darüber nachzudenken. Bei der nächsten Verletzung. Das Gejammere kann ich schon bis hierher hören.
Einen interessanten, leider nicht realisierbaren, Vorschlag für unsere Greif-Pläne erhielt ich von einem Email-Schreiber mit „Läuferknie“. Dieser hatte während der Verletzung sein Versäumnis erkannt und macht jetzt regelmäßig Krafttraining. Er schlug vor, die nächste Laufeinheit im Trainingsplan erst freizuschalten, wenn das entsprechende Athletiktraining nachgewiesen wurde ;-)
Du mußt dich jetzt nicht zwingend ins Fitness-Studio aufmachen. In den letzten Jahren haben wir immer wieder die Übungen aus dem Buch "MaxxF" empfohlen und auch selbst genutzt. Für diese Übungen benötigst du keine Geräte, sondern nur den eigenen Körper. Damit läßt sich dieses Programm auch auch gut abends vor dem Fernseher absolvieren.
Im Zusammenhang mit Krafttraining erwähne ich auch immer wieder gern die inzwischen von mir heiß geliebten Leguano Aktiv Barfuß-Laufschuhe. Sie sind für mich zu einem wunderbaren Kraft-Trainingsgerät für Waden und Oberschenkel geworden. Statt mich von normalen Laufschuhen stützen, führen, dämpfen u.ä. zu lassen, gebe ich meinen Füßen die Möglichkeit, diese Arbeit selbst zu erledigen. Fuß-, Waden- und Oberschenkelmuskulatur werden dabei in einem Höchstmaß trainiert.
Selbstverständlich ist das Krafttraining nur eine (wenn auch sehr wichtige!) Komponente in der Verletzungs-Prophylaxe. Ein sinnvoll geplantes Lauf-Training, Dehnung, Koordinationstraining, Einsatz der verschiedenen Regenerations-Maßnahmen, Ernährung, NEMs usw. sind in der Gesamtbetrachtung natürlich auch wichtig.
Auch ich bin in Vorbereitung meines Laufprojektes weiterhin dabei, mein tägliches Kraftprogramm zu absolvieren, um bis zum Start im August die körperlichen Voraussetzungen für das intensive Lauf-Training zu schaffen. Ich nutze im Moment jeweils die Zeit des Abendspiels bei der Fußball-WM.