Immer wieder wird im Zusammenhang mit Wettkämpfen vom sogenannten "Tapering" oder "Tapern" gesprochen. Aber was ist das eigentlich genau und wie funktioniert es? Die "Taperingphase" ist Bestandteil der unmittelbaren Wettkampf-Vorbereitung und beinhaltet alle (Erholungs)-Maßnahmen in den letzten 4-28 Tagen (je nach Wettkampfdistanz) vor dem Wettkampf.
Der Google-Übersetzer liefert für den Begriff "Tapering" eine Übersetzung wie "spitz zulaufend" oder "zuspitzen". Das trifft es eigentlich sehr gut. Es wird das Training exakt auf den bevorstehenden Wettkampf "zugespitzt". Wie? Der Trainingsumfang wird reduziert, die Intensität (im Bereich des angestrebten Wettkampftempos) beibehalten. Was so einfach klingt, ist eine komplexe Angelegenheit. Vor allem eine sehr individuelle Angelegenheit.
Ziel der Tapering-Phase ist es, sich von der vorangegangenen hohen Trainingsbelastung zu erholen, um am Wettkampftag die maximale Leistungsfähigkeit zu erreichen. Dabei soll das in den vorausgegangenen Wochen und Monaten antrainierte Leistungsniveau gehalten, eine Regeneration von der Trainingsbelastung erreicht und gleichzeitig eine ausreichende Anspannung für den bevorstehenden Wettkampf aufgebaut werden.
Für einen Wettkampf brauchst du lockere und frische Beine und einen insgesamt gut erholten Körper, um maximal leistungsfähig zu sein. Das Tapering erhöht die Menge der aeroben Enzyme und des Muskelglykogens. Im Gehirn laufen während dieser Phase Prozesse ab, die einen Zuwachs an Muskelmasse begünstigen. Ebenso werden mentale Reserven aufgebaut, nachdem uns das umfangreiche intensive Training im Zeitraum davor auch psychisch stark gefordert hat. Auch wenn du "Low Carb" oder "ketogen" trainiert hast, sollen jetzt die Kohlenhydratspeicher aufgefüllt werden ("train low - compete high"). Durch die richtig dosierte Mischung aus Erholung und gezielt gesetzten Trainingsreizen bringst Du im Idealfall deinen Körper auf den Punkt genau – also zum Wettkampftag – in Höchstform. Der Schwerpunkt in dieser Zeit liegt trotzdem auf der Regeneration und Erholung.
Mach dir klar, dass du in den letzten 2 Wochen vor deinem Wettkampf, du gleichbleibend umfangreiches und intensives Training deine Form nicht weiter gewinnbringend steigern kannst. Viele versuchen hier noch ausgefallenes Training nachzuholen und sind dann am Wettkampftag „platt“. Die Dauer der "Taperingphase" ist in erster Linie abhängig von der Wettkampfdistanz:
- 5 bis 10 km Wettkampf: ca. 1 bis 1 1/2 Wochen
- Halbmarathon: ca. 1 1/2 Wochen
- Marathon: ca. 2 Wochen
Diese angegebene Dauer ist ein erster grober Richtwert. Bei sehr langen Trainingsphasen mit hohen Kilometerumfängen kann das Tapering auch schon mal drei oder vier Wochen andauern. Dazu wird es noch durch eine Reihe individueller Faktoren bestimmt wird, wie:
- dein Trainingsalter, d.h. wie viele Jahre du bereits das Lauftraining absolvierst
- dein biologisches Alter, welches deine Regenerationsfähigkeit maßgeblich beeinflusst
- deine wöchentlichen Trainingsumfänge
- deine Trainingshäufigkeit (Trainingseinheiten pro Woche) und
- deine Trainingsintensität in der zurückliegenden unmittelbaren Wettkampfvorbereitung.
In der Regel beginnt man mit dem „Tapering“ auf einen Halbmarathon oder Marathon nach dem letzten langen Trainingslauf. In unseren Greif-Trainingsplänen nach dem letzten langen Lauf mit Endbeschleunigung (Marathon 2 Wochen vor dem WK, HM 8 Tage vor dem HM).
Es geht beim „Tapern“ also darum, die Trainingsbelastung deutlich zu reduzieren. Wie wir schon bei der Leistungsmessung gesehen haben, lässt sich die Trainingsbelastung durch den Trainingsumfang und/oder die Intensität beeinflussen. Die Reduzierung der Intensität ist in diesem Fall nicht ratsam, da wir dadurch an Spannung für den Wettkampf verlieren. Wir reduzieren also den Umfang fließend (z.B. exponentiell), bis in den Tagen unmittelbar vor dem Rennen die Strecken dann auf wenige Kilometer reduziert sind. So schüttelst du dir die Müdigkeit aus den Knochen:
- reduziere den Trainingsumfang um 60-90% (in Abhängigkeit o. g. Faktoren)
- reduziere gleichzeitig die Trainingshäufigkeit um 20-80% (in Abhängigkeit der bisherigen Trainingshäufigkeit)
- erhalte die zuletzt erreichte Trainingsintensität im Bereich des Wettkampftempos
Wichtig ist in dieser Phase ist, wie schon gesagt, Kräfte zu sammelnd die Spannung hoch zu halten. Durch deine in der Regel mehrmonatige intensive Vorbereitungsphase auf den Wettkampf, hast du deinen Körper vor der Taperingphase gut auf die anstehende Wettkampfbelastung vorbereitet. Du hast deine Ausdauer verbessert und an der Schnelligkeit gearbeitet. Etwas Entscheidendes fehlt jetzt noch: dein Körper braucht noch eine Regenerationsphase, um die vielen Trainingsreize und Belastungen der Vorbereitung komplett zu verarbeiten. Dabei setzt du die schon oft besprochenen üblichen Regenerations-Maßnahmen ein:
- Schlaf (!!!) hat den größten Einfluss auf die Regeneration. Daher sorge spätestens spätestens jetzt für ausreichenden (7-8 h täglich!) und guten Schlaf.
- Dehnung (aber nur wenn du vorher regelmäßig gedehnt hast!)
- Massagen (aber nur wenn du vorher regelmäßig gedehnt hast!)
- Sauna
- ausreichende Eiweißversorgung (Eiweiß-Shakes)
Auf die folgenden Dinge solltest du während des Taperings unbedingt verzichten:
- Nichts Neues ausprobieren: keine neuen Schuhe, keine neuen Socken, keine Experimente mit der Ernährung, usw.! Zum Testen des Materials und der Wettkampf-Ernährung ist in der Trainingsphase genügend Zeit
- Kein Training nachholen!
Um die Spannung hochzuhalten solltest du deinen gewohnten Trainingsrhythmus mit den Tempoeinheiten beibehalten. Hast du bisher z.B. am Montag und Mittwoch ein Tempotraining absolviert, dann behalte diese Tage auch während des Taperings bei. Hier sind in dieser Phase kürzere TDL (z.B. 5 km) oder anzahlreduzierte Intervalle (400m, 800m, 1000m, 2000m) im vorgesehenen Wettkampftempo (WKT).
Im folgenden sind erfolgreich erprobte Pläne für das Tapering auf unterschiedliche Streckenlängen aufgeführt. Die angegebenen Streckenlängen für die reg./ext. DL sind abhängig von deinem individuellem Trainingsumfang und können auch zu Pausentagen werden. Den kurzen Lauf einen Tag vor dem Wettkampf solltest du immer absolvieren.
Tapering vor dem Marathon:
WoTag | Verfahren 1 | Verfahren 2 |
---|---|---|
Mi | 3x 3000 m im MRT | ext. DL |
Do | reg. DL | TDL 10 km im MRT (Vorbelastung) |
Fr | ext. DL | reg. DL |
Sa | 28 km Supersauerstofflauf, lockerer DL | ext. DL |
So | 45 min reg. DL | 28 km Supersauerstofflauf, lockerer DL |
Mo | 3x 2000 m im MRT | 45 min reg. DL |
Di | 10-13 km ext. DL | 10-13 km ext. DL |
Mi | 4x 1000 m im MRT | TDL 5 km im MRT |
Do | 8-10 km reg. DL | 8-10 km reg. DL |
Fr | 3-5 km reg. DL + 3-5 lockere Steigerungen | 3-5 km reg. DL + 3-5 lockere Steigerungen |
Sa | 1-2 km reg. DL + 3-5 lockere Steigerungen | 1-2 km reg. DL + 3-5 lockere Steigerungen |
So | Marathon | Marathon |
Tapering vor HM, 10 km oder 5 km:
WoTag | Halbmarathon | 10 km WK | 5 km WK |
---|---|---|---|
Mo | 4x 2000 m oder 3x 3000 m im WKT | 5x 1500 m oder 2x 3000 m im WKT | 3x 1500 m oder 6-8x 800 m im WKT |
Di | 13-15 km ext. DL | 13-15 km ext. DL | 13-15 km ext. DL |
Mi | 4x 1000 m im WKT | 4x 1000 m im WKT | 4-5x 800 m oder 10x 400 m im WKT |
Do | 10-12 km reg. DL | 10-13 km reg. DL | 10-13 km reg. DL |
Fr | 4-10 km ext. DL + 3-5 lockere Steigerungen | 4-10 km ext. DL + 3-5 lockere Steigerungen | 4-10 km ext. DL + 3-5 lockere Steigerungen |
Sa | 2-5 km reg. DL + 3-5 lockere Steigerungen | 2-5 km reg. DL + 3-5 lockere Steigerungen | 2-5 km reg. DL + 3-5 lockere Steigerungen |
So | HM-Wettkampf | 10 km Wettkampf | 5 km Wettkampf |
Wir haben im Zusammenhang mit der Leistungsmessung mit dem Stryd-Leistungsmesser auch die chronische Trainingsbelastung (CTL) und die Trainingsbelastungsbilanz (TSB) betrachtet. Objektiv gemessen sind da am Wettkampftag folgende Werte empfehlenswert. Wie du auf diese Werte kommst, kannst du berechnen oder ausprobieren. Das ist natürlich abhängig von deiner davor erreichten Trainingsbelastung.
Wettkampfstrecke | CTL-Rückgang | Empfohlener TSB |
---|---|---|
5 km | < 5% | 5 - 10 |
10 km | < 5% | 10 - 15 |
Halbmarathon | < 7% | 15 - 20 |
Marathon | < 10% | 20 - 25 |
Tabelle: Richtwerte für CTL-Rückgang und TSB-Werte vor Wettkämpfen (Quelle: Jim Vance, Wattmessung für Läufer)
Persönlich kann ich mich an eine Vielzahl von Tapering-Verfahren von einem Marathon erinnern. Anfang der 1990er sind wir nach dem in der Trainingsgruppe von Waldemar Cierpinski üblichen Verfahren gerannt. Da stand 10 Tage vor dem Marathon die sogenannte Vorbelastung auf dem Programm. Ein 30 km Lauf „nahe“ am Wettkampftempo. D.h. zum Beispiel bei einer Zielzeit von 2:40 h (3:48 min/km) sind wir die 30 km in ca. 4:00 min/km gelaufen. Interessanter Weise waren die Ergebnisse sehr gut, die Streuung allerdings recht hoch. Die Belastung war doch etwas hoch. So haben wir die Vorbelastung bis auf auf 10 km exakt im Wettkampf (oder ganz leicht schneller) reduziert und haben dadurch viel stabilere Wettkampf-Ergebnisse erzielt. Die 3x 3000 m im Marathon-Tempo aus o.g. Verfahren 1 sind da völlig gleichwertig.