Eines der schlimmsten Dinge im Leben eines Läufers ist eine Verletzung, die eine Pause von Wochen oder gar Monaten erfordert.
So erging es mir: Nach einem Termin bei einem Orthopäden wurde mir eröffnet, dass es nun erst einmal vorbei sei mit dem Laufen. Die Diagnose lautete niederschmetternd "Schambeinentzündung". Nichts existenziell Schlimmes, jedoch war eine lange völlige Laufpause erforderlich. Für einen ambitionierten Läufer die Hölle! Sehnen- und Muskelansätze am Knochen sind entzündet und führen beim Laufen, insbesondere aber danach, zu starken Leisten- und Hüftschmerzen. Im konkreten Fall wie bei mir nach umfangreicher Detail-Recherche wohl eher eine Fußballerkrankheit "Entzündung durch Überlastung" höre ich vom Orthopäden, nachdem er sich die Bilder aus dem MRT anschaut. War das das Ende meiner Karriere als ambitionierter Läufer?
Einige Monate zuvor absolvierte ich noch die damals rund 87 km lange Brocken-Challenge und 3 Monate später einen Trail-Ultra über 100 Meilen, den ich in Führung liegend nach 134 km unter anderem wegen starker Hüftschmerzen abbrechen musste. Diese traten urplötzlich nach über 100 gelaufenen Kilometern während dieses Ultras auf.
Nach sehr vielen Jahren Lauftraining auf halbwegs anspruchsvollem Niveau können die absolvierten nur rund 80 Trainings-km/Woche im harten Winter vom Jahresende 2009 bis Mai 2010 garantiert keine Überlastung sein. Dieser Umfang war für mich nicht viel, denn normalerweise laufe ich länger und schneller. Ich schämte mich fast für die wenigen Kilometer. So konnte ich annehmen, dass die Überlastung nicht durch zu viel, sondern durch zu wenig Training kam. Zu wenig für die nachfolgende Anforderung der beiden Ultraläufe.
Wie auch immer, wenigstens 2 Monate jegliche Vermeidung von "axialen Belastungsspitzen" wurden mir aufgetragen und diese Maßnahme erschien einleuchtend.
Wenige Tage später dann, es war Mitte September 2010, lief ich mit lieben Lauffreunden den "Abschiedslauf" vor der langen Pause. 25 km bei Traumwetter durch unsere heimischen wunderschönen Wälder. Kannst du dir vorstellen, wie sich ein ambitionierter Läufer in so einem Fall fühlt? Ich war am Boden! In jeder Krise steckt bekanntlich eine Chance zum Neuanfang, deshalb war ich aber auch neugierig, welche trainingsmethodische Aufgabe nach Ende der Pause zu bewältigen war.
Als jemand, der immer schon mit dem Körpergewicht zu kämpfen hat, kam noch die Erkenntnis hinzu, dass der völlige Laufausfall täglich etwa 800 bis 1000 kcal weniger verbrannte Energie bedeutet. Bei jahrelanger Gewohnheit bestimmten Essverhaltens gar nicht so ganz einfach, diese Menge auf einmal täglich einzusparen. Wir wissen das alle, dass Untätigkeit fett macht, aber dennoch können und wollen wir unseren gewohnten Ernährungsrahmen kaum einschränken. Mir gelang es auch nicht. Gleich mehrere kg Gewicht kamen auf das ohnehin schon hohe Ausgangsgewicht oben drauf.
In den verlangten 2 Monaten Pause lief ich nicht, ging aber häufig spazieren, was die Belastungsspitzen nach Orthopädenansicht nicht hervorrief und aus meiner Sicht die Muskulatur wenigstens reizte. Nach Lektüre des kürzlich in unserem Newsletter vorgestellten Buches "Born to run" verwendete ich dazu "Leguanos". Eine neuartige Fußschutzbekleidung, die den Barfußlauf simuliert. Gelegentlich lief ich auch den Nike Free 3.0 als Regenerations-Sänfte, jedoch nur selten herkömmliches Schuhwerk. Mit beiden kam ich gut zurecht.
Die 2 Monate völlige Laufpause gingen irgendwie vorbei. Ich hängte sogar freiwillig weitere 2 Wochen dran. Die ersten Laufversuche erlebte ich in vollem Genuss. 2 km Laufen am Stück. Bewusst keinen Meter mehr. Es fühlte sich toll an! Und: Keine Schmerzen mehr. Die Pause hat’s also gebracht.
Dem Erfolgsprinzip "Nicht viel, aber oft" folgend, "trainierte" ich diese 2 - 3 km mehrmals pro Woche. Was für eine unglaubliche Wohltat, das wieder fühlen zu dürfen. Während ich Dunkelheit und Eisregen bis dahin verfluchte und oft Gründe für Trainingsvermeidung darin fand, genoss ich nun jede Chance in jedem äußeren Umstand, wieder aktiv sein zu dürfen.
Nun ging ich davon aus, ich bin durch und kann auf einfachem Niveau wieder richtig trainieren. Freude! Ich habs geschafft und es kann wieder los gehen! Dachte ich. Es folgte also der erste Lauf über 8 km. In herkömmlichen Laufschuhen. Ganz langsam. Und meine Freude sprang augenblicklich in tiefste Enttäuschung um. Es war grauenhaft. Die Hüfte schmerzte wieder so stark, als hätte ich nicht einen einzigen Tag Laufpause gemacht. Alles für die Katz also? Dieser Tag war noch schwärzer als der Tag der Diagnose. Man macht sich ja seine Gedanken, ob jemals wieder Sport auf ambitioniertem Niveau betrieben werden kann.
Wir reden hier selbstverständlich über Hobbysport und nicht von lebensbedrohlichen Krankheiten. Bitte deshalb alles auf die Bedeutung von Hobbysport relativiert lesen.
Zum Facharzt ging ich nicht mehr. Mein Körpergefühl sagte mir, dass die ursprüngliche Entzündung vielleicht auch noch vorhanden war, aber es konnte nicht die Ursache dieser heftigen Schmerzen sein. Sollten die etwa von etwas anderen her rühren, als von der diagnostizierten Schambeinentzündung? Aus diesem Zweifel heraus schlug ich den Weg zum heimischen Krankengymnasten ein. Dieser untersuchte mich und wurde fündig. Behandelte erfolgreich eine bei mir bestehende hartnäckige muskuläre Blockade, die in Wahrheit die Schmerzen in der Hüfte auslöste und schon Monate vorher hätte beseitigt werden können.
Zurückliegendes ist nicht zu ändern, deshalb wird der Blick nun optimistisch nach vorn gerichtet!
Nach inzwischen fast einem halben Jahr Ausfall, vielen kg Übergewicht und im Zustand der schlechtesten sportlichen Verfassung meines Lebens kann ich nun wieder leicht trainieren. "Nicht viel, aber oft", um den Körper zunächst zu stabilisieren ohne ihn zu überlasten. Die Lektüre von "Born to run" lieferte mir in dieser Zeit einleuchtende Erkenntnisse zum natürlichen Barfußlauf. Tatsache ist, dass meine Hüfte wieder zu Schmerzen neigt, wenn ich in herkömmlichem Schuhwerk laufe. Die Umstellung auf Barfußlauf in Leguanos ist allerdings nicht von heute auf morgen möglich. Muskulär fühlt es sich an wie das Erlernen einer neuen Sportart. Das erfordert Anpassungsprozesse und deshalb backe ich läuferisch zur Zeit noch winzige Brötchen.
Wir werden uns diesem Thema in Kürze umfangreich widmen und an dieser Stelle ausführlich recherchiert berichten. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Newsletters testen Peter Greif und sein Mitarbeiter Robert Jäkel gerade die Leguanos im Trainingslager in Spanien. Ich bin auf das Feedback gespannt.
Aus eigener Erfahrung möchte ich allen Langzeitverletzten raten: Bleib soweit es deine persönlichen Angelegenheiten zulassen in körperlicher Bewegung, um die sportlichen Rückschritte möglichst gering zu halten. Wenn du nicht trainieren kannst, erspare dir unbedingt eine Gewichtszunahme.
Wer durch fleißiges Training seinem Körper die Chance gibt, sich auf die Anforderung beispielsweise eines Marathons auf Asphalt einzustellen, wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger verletzen. Überlastungsschäden sind auch bei untertrainierten Läufern möglich, die sich unzureichend vorbereitet an den Start stellen.
Nicht nur allein aus diesen Gründen empfehlen Peter Greif un ich jedem Marathonläufer(in) in der Vorbereitung als längste Strecke 35 km und nicht weniger zu laufen. So ist man im Wettkampf besser geschützt gegen Überlastungen.