Allgemein ist bekannt, dass der Schreiber dieser Zeilen ein fordernder Trainer ist. Und die gestellten Anforderungen werden von unserer Szene entsprechend kommentiert und liegen in Bandbreite von Klasse bis Spinner. Stört mich aber in keiner Weise, denn diese Urteile sind je nach Sichtweise richtig.
Wer mit der letzten Konsequenz seinen läuferischen Erfolg sucht, nimmt neue aber belastende Trainingseinheiten begeistert auf und jemand der sich nur fit halten möchte und einen Wettkampf nur als spannendes Beiwerk sieht, schüttelt nur den Kopf über den "bekloppten" Alten aus dem Vorharz.
Zum neuen Jahr hin, habe ich mir zum Training dann aber etwas einfallen lassen, was selbst die hartgesottensten und ehrgeizigsten Läufer(innen) und Läufer in das schwärzeste Grauen gezogen hat. Ich verlangte von ihnen etwas, was sich Testotraining nannte. Mit den nachfolgenden Zeilen wurde das neue Training den Plan-Beziehern angekündigt:
"Neu im Plan steht das Testotraining. Es beruht auf neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Solche Erkenntnisse gibt es oft, aber genau sind sie oft nur heiße Luft, die uns um die Nase weht. Darum stehe ich solchen Studien auch äußerst skeptisch gegenüber.
Wenn diese nicht in meine Erfahrungsmuster passen, dann kommen sie als Knüllpapier dorthin, wo sie hingehören. Aber die Studien zum Testotraining (diese Wortschöpfung stammt vom Schreiber dieser Zeilen) sind schlüssig, decken sich mit anderen Studien und unseren Erfahrungen. Darum greifen wir diese Übung auf.
Die Beschreibung dieses Trainings: 5 x 50 m Sprint nach einer belastenden Ausdauereinheit von 25 - 35 km oder einer Tempoeinheit von >40 min Dauer = Testotraining. Erhole dich nach dem Tempotraining oder der Langen Runde erst einmal 3 – 5 min. Dazu kannst du ganz locker weiter joggen, dich aber auch hinsetzen. Du solltest nach Möglichkeit in dieser kurzen Pause etwas protein- und zuckerhaltiges trinken.
Auf einer ca. 70 m langen Strecke markierst du dir durch Abschreiten 50 m. Vom Ende dieser Strecke läufst du locker zurück und startest zu dem 50 m Sprint. Die ersten 10 m nutzt du zur Beschleunigung und sprintest dann die restlichen 50 m. Nach dem Überlaufen der Ziellinie 'trudelst' du noch 10 m mit hohem Knie aus, gehst zurück zum Start und legst sofort mit den nächsten 50 m los. Hast du die 5 x 50 m geschafft, ist Schluss mit dem Training. Kein weiteres Auslaufen!
Achte in der nächsten Stunde darauf, dass du genug Eiweiß zu dir nimmst. 30 g Eiweißpulver passen. Zudem ist Zink wichtig, denn es wird zum Aufbau von Testosteron benötigt. Die hochwertigsten Protein-Zinkkombinationen sind: 100 g Austern enthalten 50 mg Zink, 125 g mageres Rindfleisch 5,3 mg, 150 g Thunfisch 2,6 mg, 125 g Putenbrust 2,3 mg.
Da man nicht immer diese Nahrungsmittel essen will oder kann, ist es empfehlenswert ein Zinkpräparat zuzusetzen, beispielsweise Sanct Bernhard Vitamin C+Zink (Aktiv3).
Einen Einfluss auf den Testosterongehalt in deinem Körper hat auch Vitamin D3. Besonders im Winter kann deine Haut kaum oder kein Vitamin D3 produzieren. Es empfiehlt sich daher dieses extra einzunehmen. Wie viel? Ich selbst nehme jeden Tag 4000 i.E. = 4 Tabletten Vigantoletten. Meine Frau, 25 kg leichter als ich, nimmt 3000 i.E. Vigantoletten gibt es in der Apotheke ziemlich billig!
Eines ist klar: 5 x 50 m Sprint besonders nach einer Langen Runde zu fordern ist brutal. Aber da müssen wir alle durch, denn die Chance auf einen gesundheitlichen, psychischen, sportlichen Vorteil ist groß. Zudem: Wenn die Triathleten nach bis zu 180 km Rad wieder auf Laufen umschalten können, dann können wir auch nach 35 km laufen und einer kurzen Pause noch einmal 5 x 50 m sprinten."
Hintergründe
Es ist seit langem bekannt, dass Krafttraining bis 45 min Dauer den Testosteronspiegel im Körper erhöht. Längere Ausdauereinheiten von mehr als einer Stunde Dauer hingegen senken den Testosteronspiegel. Es ist aber möglich, diesen nach der Einheit durch Krafttraining wieder zu erhöhen.
Dies ist aber unter den Umständen nach dem Ende einer Ausdauereinheit sehr schwierig zu realisieren. Aber es gibt mit einem Sprinttraining einen anderen Weg den Testosterongehalt zu erhöhen.
Libanesische Wissenschaftler konnten in einer Studie nachweisen, dass intensives Sprint-Training die Testosteron-Werte erhöhen kann. Forscher der Universität von Balamand ließen Jugendliche im Alter zwischen 16 - 19 Jahren über sechs Monate ein Sprint-Training absolvieren, bei denen die jungen Männer regelmäßig für die Dauer von sechs Sekunden mit maximaler Geschwindigkeit sprinten mussten. Es zeigte sich, dass dieses Training zu einer deutlichen Testosteron-Ausschüttung führte.
Du wirst dich natürlich fragen, wozu brauchst du als Läufer(in) Testosteron? Dieses Hormon ist eminent wichtig für uns. Es gilt künstlich zugeführt als eines der wirkungsvollsten Dopingmittel. Testosteron sorgt für die Wiederherstellung von Strukturproteinen, die besonders bei belastenden langen Ausdauereinheiten zerstört werden. Muskelfilamente, Mitochondrien, Enzyme, Hormone und andere Proteine werden mittels Testosteron schneller wieder erneuert.
Zudem kommt es zu einer Vermehrung des Blutvolumens, eine Zunahme der roten Blutkörperchen, eine Steigerung der Hämoglobin-Konzentration sowie einer Vergrößerung des Herzens, was insgesamt zu einer verbesserten Sauerstofftransport- und Versorgungskapazität führt.
Erfolgt ein ungenügender Neuaufbau von Strukturproteinen, ergibt sich daraus durch die Überforderung der Muskelstrukturen ein Übertrainingssyndrom. Der Organismus nimmt dann hartes Ausdauertraining nicht mehr an, weil die Erholungsfähigkeit durch das fehlende Testosteron gestört ist.
Es sollte also dein Ziel sein, deinen Testosteronspiegel möglichst hoch zu halten. Testosteron ist ein Jungbrunnen, es hellt zudem die Stimmung auf, erhöht die Libido und hypertrophiert bei Einsatz von entsprechendem Krafttraining die Muskulatur.
Zudem schützt uns Testosteron vor dem vorzeitigen Altern. Darüber schrieb ich schon einmal im Greif-Newsletter mit dem Titel "Sport und Alter: Hoffnung und Wege".
Dass das Testotraining für einen "Jogger" ein gar grausames Schreckgespenst ist, hatte ich schon erwartet, aber dass meine Läufer hier in Seesen dieses Training mit den folgenden Worten kommentierten, war doch überraschend: "Das ist wohl das Härteste was man einem Amateursportler zumuten kann. Das Testotraining ist eher ein Profitraining.
Ja, das stimmt. Aber ich bin schon im Anfang meiner Trainerzeit damit angetreten, Profitraining für Freizeitsportler laufbar zu machen. Denn warum soll ein ehrgeiziger Amateur schlechter trainieren als ein Profi? Von Victor Röthlin erzählt man sich, dass er nach einer 40 km-Runde noch 5 x 1000 m im 10 km-Renntempo läuft.
Ich habe das nicht geglaubt, weil es so viele Gerüchte um den schweizer Spitzenläufer gibt. Ihm wird von Teilen der Presse mehr oder minder unverbrämt Doping vorgeworfen. Um sicher zu sein, habe ich dann jemand aus seiner persönlichen Umgebung angerufen und nachgefragt, ob das mit den 1000-er nach der großen Runde stimmt. Die Antwort war: "Ja, das stimmt, ich habe es selbst gesehen."
Also, wer meint, die Test-Sprints sind zu hart, der denke an die 1000-er von Victor Röthlin. Dass man mich deswegen die Mutter Theresa der Langsstreckentrainer nennen soll, ist nicht unbedingt nötig. Ich wäre schon mit dem Titel Wellnesstrainer zufrieden! :-))
Die Kommentare aus der Praxis waren dann zum Teil aber dennoch recht drastisch. Rüdiger Birkner: "Als Wolfgang und ich das Testotraining nach unseren 35-er erstmals versucht haben, haben wir gedacht, dass es das Härteste ist, was man einem normalen Läufer zumuten kann. Es geht klar hin in Richtung Profitraining.
Beim ersten Mal haben wir gedacht, es geht überhaupt nicht. Weil wir auf den letzten km der großen Runde regelmäßig abschlaffen, waren wir nicht richtig bereit für diese Belastung. Als wir dann mit den kurzen Sprints starteten, wurde mir schlecht und Wolfgang schwindelig.
Aber wir haben weiter gemacht, es geht und funktioniert auch. Wir empfinden uns fitter und das Sprinten fällt uns deutlich leichter. Es liegt wohl auch daran, dass wir zum Ziel hin unsere Psyche nicht schon auf Erholung runter fahren, sondern wir bleiben bis zum letzten Meter unter Spannung, weil wir wissen, dass uns die Sprints noch bevor stehen."
Von Trainerseite ist zu sehen, dass sich der Laufstil besonders von Rüdiger sehr verbessert hat. Seine Bewegungsabläufe beim Sprint wirken wesentlich gleitender und werden von weniger unnötigen Körperbewegungen begleitet. Besonders auffällig ist es im Vergleich zu einem weiteren Mitglied unserer Trainingsgruppe, der aus famliären Gründen dieses Training nicht mitmachen konnte.
Sein Sprint läuft "wild" ab, rudernd und wackelnd ist sein Laufstil. Er ist immer noch schnell, läuft aber nicht ökonomisch. Und weniger Ökonomie beim Laufen bedeutet automatisch auch weniger Ausdauer. So wirkt sich ein Sprinttraining auch auf die Ausdauer von Langstreckenläufer aus.
Es gibt aber auch Zuschriften, die begeistert über das Testotraining urteilen. Hier eine Zuschrift von Gaby, die ich mit ihrer Zustimmung hier veröffentliche:
"Hallo Peter, Testotraining ist geil. Dieses Wort benutze ich nur in Ausnahmefällen und Testotraining ist so einer. Da läufste 25 km und hast noch keine Ahnung, wie du die letzten 10 noch schaffen sollst, weil es irgendwie nicht so richtig läuft. Aufgeben und morgen neu starten? Geht u.U. aus familienorganisatorischen Gründen nicht. Also: Augen zu und durch und schwupp die wupp, sind auch diese 10 km geschafft. Keine Ahnung wie, doch die Forerunner lügt nicht. Und jetzt, auweia, Testo.
Die ersten 60 m, sind die lahm. Die zweiten 60 m - schon besser. Die dritten 60m - jetzt haste schon mehr als die Hälfte geschafft. Dann die vierten und fünften 60 m - wie im Flug und dann die letzten 200 m nach Hause gehen. Testogeflutet, das hämische Gelächter der Nachbarin ignorierend (weil ich ja nur noch nach Hause GEHEN kann und nicht laufe), stolz nach Hause schreiten und gemütlich stretchen. So geht das."
Abzuwarten ist, ob sich das Testotraining auch auf die Wettkampfzeiten auswirkt. Obwohl ich erwarte, dass nicht allzuviel unser 1800 Clubmitglieder dieses Training auch einhalten. Aber wenn dann der persönliche "Holger" nach Testotraining im Wettkampf am Horizont verschwindet, dann werden sich doch ein paar mehr Damen und Herren an dieses fiese Training heran trauen.
Du wirst doch sicher auch schon beim nächsten langen Training damit beginnen?
Nachsatz: Ich habe das Testotraining von 5 x 60 m auf 5 x 50 m herabgesetzt. Weil in der Originalarbeit von 6 sec Sprint ausgegangen wird. Denn wahrscheinlich schafft kaum jemand von uns auch mit 10 m Anlauf die kommenden 50 Meter in 6 sec. Darum jetzt 10 m Steigerung und 40 m voller Sprint.
Aber wenn du meinst, du kannst es, dann solltest du bei den 60 m bleiben.