Leider zu häufig bekomme ich Mails mit der Nachricht „leider habe ich mich verletzt, kann ohne Schmerzen nicht laufen. Was soll ich tun?“. Eine schwierige Frage, auf die es weder eine allgemein gültige noch abschließende Antwort gibt. Ich hoffe immer der Schreiber möchte auf seinem Weg zur Entscheidungsfindung wirklich nur einen zusätzlichen Rat und nicht die Verantwortung für sein Handeln auf mich abschieben.
Schmerzen sind immer ein Warnsignal des Körpers das man nicht ignorieren sollte. Er will dir sagen, „Stop, jetzt hast du es etwas übertrieben“. In der Regel ist die Ursache eine Überlastung oder Fehlbelastung. Die muss nicht nur aus dem Training kommen, sondern letztlich aus der Gesamtbelastung aus Training, Job, Familie und Alltag. Was dabei zuviel an Training ist, ist individuell. Für den Anfänger können 3 Einheiten pro Woche zuviel sein, für den angepassten Profi 14 Einheiten. In jedem Fall solltest du über mehrere Tage anhaltende Schmerzen ernst nehmen und darüber nachdenken was zu tun ist.
Ein leistungsorientiertes Training ist irgendwann auch mit Schmerzen verbunden. Sei es beim Training selbst oder wenn der Körper darauf reagiert. Das Blöde daran ist, wenn du ernsthaft trainierst, bereitest du dich immer gerade auf irgend einen Wettkampf vor. Die Verletzung erwischt dich nicht während der Regeneration nach der Saison. Nein, sondern 4 Wochen vor dem Marathon. Natürlich, denn bis dahin hast du deinen Körper schon ordentlich gefordert. Jetzt fordert er etwas mehr Aufmerksamkeit von dir.
Ich habe in den letzten Tagen mal meine alten Trainings-Tagebücher durchgeblättert. Obwohl ich ganz selten ernsthaft verletzt war, gab es kaum eine längere schmerzfreie Phase. Irgendwo zwickte es immer: Fußgelenk, Knie, Hüfte, Rücken, Oberschenkel, Wade oder Achillessehne. So schnell es kam, war es aber in den meisten Fällen nach ein paar Tagen auch wieder verschwunden.
Das Wichtigste sollte natürlich immer die Verletzungs-Prophylaxe sein. Erwärmung vor dem Training, Dehnung nach dem Training, Athletiktraining, Stabilisationstraining, Regeneration, Schlaf, Ernährung, … Umso mehr du trainierst, umso umfangreicher sollten auch deine Regenerationsmaßnahmen sein.
Welche Möglichkeiten bleiben dir nun aber, wenn auftretende Schmerzen nicht nach 2 oder 3 Tagen wieder verschwunden sind? Ich meine hierbei Verletzungen bei denen keine Strukturen gebrochen oder gerissen sind.
1. Du kannst zum Arzt gehen. Ich hoffe für dich du kennst einen guten Sportarzt, der Verständnis für deine Situation hat. Ich persönlich war nur einmal in meiner gesamten Laufkarriere mit einer Entzündung am Knöchel beim Arzt. Dieser empfahl mir heiße Fußbäder und eine Laufpause, konnte mir aber nicht sagen welcher Art Probleme ich habe. Nachdem sich der Zustand von vorher „schmerzhaft“ innerhalb von 2 Tagen mit Fußbädern auf „unerträglich“ verbessert hatte, nahm ich die Sache selbst in die Hand und das Thema Arzt bei solchen Problemen war für mich auf immer erledigt. Von Laufkollegen erfuhr ich nichts besseres. Im besten Fall gab es eine Spritze und ein Laufverbot, im weniger guten Fall kamen sie mit „Knie“ sofort unter das Messer. Das hält sich bis heute. Vor 2 Wochen berichtete mir eine Läuferin, ihr Orthopäde lies sie wissen, dass der Mensch nicht für den Marathonlauf gemacht ist. Mal ehrlich, so ein Spruch braucht kein Läufer. Ich habe auch viele sehr gute Sportärzte kennengelernt (vor allem die selbst laufenden), die ich allerdings nur zu Beratung, Blutuntersuchung und Leistungsdiagnostik aufgesucht habe. Leider hatte sich mein erstes Erlebnis eingebrannt und zum Glück war ich in 30 Jahren nur 3 mal über ein paar Wochen verletzt.
2. Die besseren Erfahrungen habe ich mit dem direkten Gang zum Physiotherapeuten oder Osteopathen gemacht. Wenn du hier einen Sport-Physio kennst, der vielleicht selbst Sport macht oder gemacht hat, bist du dort genau richtig. Gehe direkt dorthin und zahle bar. Du sparst Zeit, Überweisung und Warterei. Ich habe nie einen Physiotherapeuten erlebt, der mir ein „Laufverbot“ aufdrücken wollte. Jeder versuchte zu helfen, mir den Schmerz nehmen und mich zurück auf die Piste bringen. Bei meinen verschiedenen aktuell auftretenden Wehwehchen steht mir ein genialer japanischer Physiotherapeut (ehemaliger Profitänzer) zur Seite. Mit seinen Wunderhänden ertastet er jedes Problem. Selbst die, die ich noch nicht habe. Er kennt jeden Test, weiß immer Rat und bringt mich wieder zurück ins Training. Muskuläre Probleme sind innerhalb von 2 Tagen verschwunden.
3. Dann gibt es noch den Trainer. Er kann dir meist du aus eigener Erfahrung einen Rat geben. Ich erinnere mich an einen ehemaligen Bundestrainer, der bei Verletzungen mit dem Spruch kam: „so wie es gekommen ist muss es auch wieder gehen“. Mit anderen Worten: „hab dich nicht so, laufe weiter“. Das hat mich persönlich geprägt.
Wie du siehst hast du, je nachdem an wen du dich wendest, die Wahl zwischen Notoperation und Weiterlaufen!
Noch einmal: Scherzen sind immer eine Warnung und nie auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Entscheidung „weiter trainieren“ kann dir niemand abnehmen. Womit wir wieder mal beim Thema „Selbstverantwortung“ sind. Die Entscheidung kannst du nicht auf den Arzt oder Trainer abwälzen. Mit einer Pause bist du natürlich immer auf der sicheren Seite. Notwendig ist sie aber nicht in jedem Fall. Das heißt dann aber auch für eine Weile mit Schmerzen trainieren. Spaß macht das nicht unbedingt. Lass die Ursachen für die Schmerzen trotzdem abklären. Vielfach sind sie durch spezielle Übungen zu beheben.
Was habe ich übrigens damals nach den 2 Tagen heißen Fußbädern gemacht? Ich habe mehrmals am Tag mit Eis gekühlt und bin weitergelaufen, da ich natürlich gerade in der Marathon-Vorbereitung war. Da ich nicht normal ohne Schmerzen auftreten konnte und auch nicht langsam laufen konnte, bin ich fast 4 Wochen lang täglich einen intensiven DL zwischen 37:00 und 38:00 min gelaufen. Das ging erstaunlicherweise sehr gut ohne Schmerzen. Nach 4 Wochen war der Schmerz weg und ich konnte den Rest der Vorbereitung absolvieren. Der Marathon endete mit einer Bestzeit.
Für dieses Vorgehen benötigst du ein hervorragendes Körpergefüh. Du musst genau in dich und den Schmerz hinein fühlen, deinen Körper genau kennen. Ggf. Schmerz-Erfahrungswerte abspeichern. Dafür brauchst du viel Lauferfahrung. Nach etwa 10 Jahren wußte ich immer, wann ich weiterlaufen konnte und wann ich pausieren musste.
Der letzte Fall ereilte mich im März. Von einem Tag auf den nächsten traten heftige Schmerzen im linken Knie auf. Ich lief los, nach 1 km fing der Schmerz an und wurde sehr heftig. Nach 4-5 km wurde es jeweils besser und hielt sich dann einigermaßen ertragbar. Irgend eine gereizte Sehne. Diesen Schmerz hatte ich abgespeichert. Ich wußte, hier geht es ohne Pause. Richtig, nach 3 Wochen war der Schmerz vollständig weg.