Vermutlich trainierst auch du nach einem Trainingsplan oder hast schon mal nach einem Trainingsplan trainiert. Eine Struktur im Training zu haben ist in jedem Fall Erfolg versprechender als irgendwie planlos vor sich hin zu laufen. Was allerdings kein Trainingsplan dieser Welt berücksichtigen kann, ist deine persönliche Situation: Arbeit, Familie, persönliche Verpflichtungen, usw. Ein Plan beschreibt das optimale Training für eine bestimmte Leistungsfähigkeit oder ggf. für ein realistisches Ziel.
Ein Plan, vor allem einer mit 5 oder mehr Trainingstagen in der Woche, geht immer davon aus, dass du genügend Zeit für deine Regeneration hast, dein Stress-Level niedrig ist, du gesund bist, du ausreichend schläfst und deinen Körper ausreichend mit allen wichtigen Nährstoffen versorgst. D.h. du im Grunde wie ein Leistungssportler lebst.
Nur wer von uns kann das schon sagen? Hast du Zeit für einen täglichen Mittagsschlaf wie es der Top-Athlet macht? Kannst du dich nur um Training und Ernährung kümmern ohne weitere Termine und Verpflichtungen? Hast du jede Woche einen oder mehrere Termine beim Physio? Vermutlich nicht. Wir alle haben mehr oder weniger Stress bei der Arbeit, kümmern uns um die Familie, haben private Verpflichtungen. Und wenn es nur darum geht, die Kinder zum Sport oder zum Klavierunterricht bzw. das Auto in die Werkstatt oder zum Reifenwechsel zu bringen. Ein Termin jagt den nächsten. Der Tag ist voll, die Zeit knapp. Das intensive Training wird dann noch zwischengeschoben, bevor es anschließend direkt noch zum Einkaufen geht. Es wird versucht, jedes Training wie im Plan beschrieben zu absolvieren. Das ist ja erstmal sehr lobenswert, zeigt Motivation und Einsatz und bringt meist auch den gewünschten Erfolg.
Über kurz oder lang bekomme ich dann eine Email mit dem Hilferuf "Hilfe, ich bin platt!", "Mein Formhöhepunkt ist schon vorüber!" oder auch "Ich bin übertrainiert!". Die Läuferin oder der Läufer ist zunehmend erschöpft, müde, hat schwere Beine und kann plötzlich die Zeiten im Trainingsplan nicht mehr ansatzweise laufen. Von einer Woche auf die Nächste. Ohne Vorwarnung.
Zunächst einmal kann ich dich beruhigen. Das böse „Übertraining“ kannst du in 99,9% der Fälle vergessen. Wir haben es an dieser Stelle schon oft beschrieben, dass du selbst bei 7 Trainingstagen pro Woche nicht so einfach in ein Übertraining kommst. In der Regel ist die Suche nach den Ursachen recht einfach wenn man folgende Punkte betrachtet.
- Stress
- Schlaf
- Ernährungsmängel
- Infekt
In der überwiegenden Zahl dieser Fälle ist es eine Kombination aus zu viel Stress, zu wenig Schlaf und intensivem Training die zu diesem Zustand führt. Diese Punkte finden sich nahezu immer, wenn ich mit den Betroffenen ihre Situation analysiere. Eine wichtige Frage ist immer auch, wie die Regeneration innerhalb der Woche aussieht und wie die längeren Regenerationsphasen im Sommer und Herbst eingehalten werden.
Da man natürlich einen Trainingsplan hat, will man diesen auch erfüllen und trainiert weiter intensiv. Der Zustand verschlechtert sich mit jeder weiteren intensiven Einheit.
Was ist also im ersten Schritt zu tun? Mache dir nochmal klar, dass dein Trainingsplan deine persönliche Situation niemals berücksichtigen kann. Höre auf deinen Körper! Der sagt dir genau was zu tun ist. Wenn du seit Wochen intensiv nach deinem Plan trainiert hast, dann werden dir 2, 3 oder 4 weggelassene intensive Einheiten nicht schaden! Du hast ja eine gewisse Form bereits erreicht. Wenn du jetzt einige Tage nur locker läufst, wirst du entweder auf dem aktuellen Stand bleiben oder deine Form wird sich sogar verbessern, da du deinem Körper die Möglichkeit gibst, die Form „kommen zu lassen“. Ähnlich wie beim Tapering vor einem Wettkampf. Höre also auf deinen Körper und gib ihm etwas mehr Erholung.
"Erste Hilfe"-Maßnahmen für 3-7 Tage sollten also folgende Dinge sein:
- Stress runter: nimm dir mehr Zeit für dich, meditiere, streiche oder verschiebe Termine
- Schlafe mehr: versuche für den oben genannten Zeitraum 8-9 h täglich zu schlafen. Hier gibt es weitere Hinweise zum Thema Schlaf.
- Pause: Absolviere nur kürzere regenerative Läufe oder lege den einen oder anderen zusätzlichen Pausentag ein.
- Ernährung: Versorge dich ausreichend mit Eiweiß (Shakes) und allen wichtigen Mineralien, Vitaminen und Spurenelementen
In den allermeisten Fällen wird es dir mit diesen Maßnahmen nach ein paar Tagen besser gehen und du kannst das normale Training wieder aufnehmen.
Sollte der Zustand länger anhalten, dann behalte die Maßnahmen länger bei. Außerdem empfiehlt sich dann ein Blick auf dein Blut. Mache dir immer folgendes klar: Stress (und Schlafmangel) ist der größte Killer für Vitamine, Mineralien und Eiweiß! Lass dich nicht täuschen! Selbst wenn du der Meinung bist, dich gut und ausreichend zu versorgen, Stress frisst übermäßig viel davon weg und schwächt dich!
Letztens hatte ich den Fall eines Club-Mitgliedes. Er läuft 3 mal pro Woche mit einem Fitness-Plan. Viel Stress, wenig Zeit. Es ging gar nichts mehr. Nahezu kein Schritt. Die Blutanalyse ergab einen Ferritin (Eisen)-Wert von 20 ng/ml!! Weggefressen vom Stress. Für Männer wird ein Wert von über 130 ng/ml empfohlen, um eine anständige Pace und entsprechend guten Ausdauerwerte als Läufer zu erreichen. Bei 20 ng/ml geht kein Schritt mehr (Sauerstofftransport im Körper!).
Auch Magnesium, Zink und Eiweiß werden bei erhöhtem Stress deutlich mehr verbraucht.
Um nur einige wichtige Werte zu nennen, die du dir von deinem Hausarzt bestimmen lassen kannst:
- Ferritin (Eisenspeicher im Blut, empfohlen über 60 ng/ml für Frauen und über 130 ng/ml für Männer)
- Magnesium (0,90 – 1,1 mmol/l)
- Gesamteiweiß (normal 6,6 – 8,7)
- Hämoglobin (für Sauerstofftransport im Körper), normal 14-18, für Leichtathleten 19
- Aminogramm (Aminosäurenprofil)
- Vitamin D (40 – 80 ng/ml)
- Insulin (ideal unter 3µU/ml)
Diese Liste ist natürlich nicht vollständig, diese Werte bringen dich aber schon mal auf die richtige Spur. Du bekommst diese Werte allerdings nur hoch (und damit deine Energie zurück) wenn du deinen Stress in den Griff bekommst und ausreichend und gute schläfst (Tiefschlaf!).
Fazit: Dein Trainingsplan ist nicht die Ursache dafür, dass du dich schlapp, müde und kraftlos fühlst. Er ist auch kein Dogma oder Sklavenblatt. Höre auf deinen Körper, lasse intensive Einheiten weg wenn du dich krank oder extrem müde fühlst und du vorgegebene Zeiten nicht erreichen kannst. Reduziere Stress (Meditation!), schlafe ausreichend und tief und versorge deinen Körper mit allen wichtigen Nährstoffen! Wenn dies innerhalb der nächsten 14 Tage keine Besserung bringt, lasse deine Blutwerte vom Arzt messen.