Immer wieder wundern sich Lauffreunde über das Pulsverhalten bei sehr warmen oder kalten Temperaturen. Heute morgen fand ich folgende Mail in meinem Briefkasten:
"Deine Trainingsvorgaben für die sommerliche Regenerationszeit bekomme ich in Bezug auf die angegebenen Pulswerte nicht mehr ganz hin. In der Zeit der direkten Vorbereitung war es kein Problem für mich mit Pulswerten um die 132 ca. 5:30 / km zu laufen. Doch jetzt, wo die schnellen anaeroben Läufe (sinnvollerweise) wegfallen, steigt auch der Puls bei den vergleichsweise langsamen Geschwindigkeiten. Dabei habe ich jedoch festgestellt, dass der subjektive Anstrengungsgrad nicht unbedingt höher ist - d.h. ich fühle mich momentan bei einem Tempo von 5:36/km bei HF 142 ähnlich wie vor 3 Monaten bei HF 132 und gleichem Tempo.
Da die Signale dieser Trainingsperiode jedoch unmissverständlich auf Regeneration deuten, denke ich es ist richtig, im Zweifelsfalle etwas langsamer zu laufen und Deine gesetzten HF Grenzen weitestgehend einzuhalten.
Siehst Du das auch so, oder soll ich lieber doch den Puls Puls sein lassen und (etwas schneller und mit etwas höherer HF) Deine Vorgabezeiten laufen? (Mir persönlich wäre es durchaus recht etwas schneller zu laufen)."
Höherer Puls bei gleicher Laufleistung?
Warum hat dieser Mann nun plötzlich einen höheren Puls bei gleicher Leistung? Oberflächlich betrachtet, deutet das auf ein gefallenes Leistungsvermögen hin. Dagegen spricht das subjektive Gefühl des Läufers, eigentlich keinen erhöhten Anstrengungsgrad zu verspüren. Er handelt nun nach Gefühl und läuft mit einem höheren Puls als ihm der Plan eigentlich vorgibt. Wäre dieser Mann ein Pulshöriger, würde er jetzt mit Flachsohlen-Schleifspur durch die Gegend joggen.
Der Grund für den erhöhten Puls ist schnell gefunden. In Süddeutschland beheimatet muss sich der Gute jetzt mit höheren Temperaturen und auch Abends mit einem hohen Sonnenstand auseinandersetzen. Sein Organismus muss dadurch die Haut vermehrt durchbluten, um ihn zu kühlen.
Diese Kühlung gibt es nicht kostenlos, dazu wird Kreislaufleistung benötigt. Das Herz muss also zur sogenannten Thermoregulation schneller schlagen. Diese isolierte Leistung unserer körpereigenen Blutpumpe trainiert nun aber unsere Laufleistung nicht. Zum Training zählen immer nur die Herzschläge, der auch eine Muskelleistung gegenüber steht.
Die Geschichte vom schlauen Otto
Ich habe schon oft die Geschichte vom schlauen Otto erzählt. Der saß eines Tages mit seinem Pulser in der Sauna und stellte nach einem Aufguss fest, dass seine Herzfrequenz auf 120 stieg. Aha, dachte der schlaue Otto, das ist ja genau mein Puls für den extensiven Dauerlauf, da setze ich mich doch besser abends eine Stunde in die Sauna, statt bei dem Sauwetter zu laufen."
Da rennen sie wieder, lächelte Otto still in sich hinein, als an einem Regentag seine Lauffreunde zum Training starteten und er sich fertig machte zum warmen Saunakuscheln: "Heute trainiere ich knallhart, unter drei Aufgüssen geht nichts! Und diese Woche gibt es nur Sauna, Mittwochs eine Temposauna nicht unter 125 Grad! Das geht ab im Frühjahr, die werden sich noch wundern." Der Einzige der sich wunderte war Otto, der soll bösen Stimmen nach immer noch in der Sauna sitzen und sich wundern, warum seine Beinmuskeln immer dünner werden.
Versorgung der Muskeln
Nun, Spaß beiseite, was ich Ihnen mit dieser kleinen Geschichte vermitteln möchte, ist dass Sie ein Gefühl dafür bekommen sollten, das Ihr Kreislauf nicht allein für die Versorgung der beim Laufen genutzten Muskeln beteiligt ist, sondern es noch eine Menge andere Abnehmer gibt. Nur trainiert Sie leider nur der Anteil von Kreislaufleistung, der in Ihre arbeitende Muskulatur strömt.
In diesem Zusammenhang bedenken Sie bitte eines, es gibt auch die sprichwörtliche Situation im Zusammenleben von Männern und Frauen, bei der die Herzen manchmal höher schlagen. Hier eine wahre Geschichte: "Morgens begegne ich immer so einer Kleinen mit einem roten Punkerschnitt (die folgende Beschreibung der wesentlichen Attribute einer gut aussehenden Dame erspare ich Ihnen), die grüßt mich nie, aber mein Puls schnellt immer um 10 Schläge nach oben!"
Pulsmesser helfen bei der Einschätzung
Ein Pulser ist für die meisten von uns unverzichtbar, auch ich habe gerade heute morgen ein neues Modell getestet und festgestellt, dass ich mich beim Laufen überhaupt nicht mehr richtig anstrenge, obwohl ich das Gefühl hatte, ich leiste wirklich etwas. Seit ich Fahrrad fahre, wo ich mich oft bis zum "Anschlag" belaste, ist mein Lauftraining nichts anderes als eine übele Joggerei geworden. Die Folge sind dann auch "dicke Beine" und gestörte Koordination.
Erst jetzt wird mir klar, warum Spitzen-Triathleten, wenn sie isoliert einen Marathon laufen, meist - aus Hochleistungssicht betrachtet - jämmerliche Leistungen vollbringen. Wenn von denen einmal einer unter 2:30 h läuft, dann feiert die ganze Triathlonszene drei Wochen lang. :-))
Der Grund ist sicher in einer mangelnden Koordinations-Fähigkeit der Muskulatur zu suchen, alles was nicht richtig koordiniert ist kostet Kraft und diese Kraft fehlt eben am Ende des Marathons. Für das niedrigere Marathon-Tempo eines Ironman-Marathon reicht die Koordination aber alle mal.