Training ist für die Leistungsentwicklung und das Erreichen sportlicher Ziele (Zeiten und Platzierungen) entscheidend. Du musst deinen Körper immer wieder intensiven Trainingsreizen unterschiedlicher Dauer und Intensität aussetzen, damit du ein höheres Leistungsniveau erreichst. Die Frage ist, wann wird nach einer Tempoeinheit die nächste intensive Einheit absolviert? Oder anders herum, wie lang sollte die Regenerationphase zwischen den intensiven Belastungen sein? Denn eines ist klar: die Erholung nach dem Training (Regeneration) ist ein genauso wichtig wie dein Training selbst.
Schauen wir uns nochmal das Prinzip des Trainings in Bild 1 an. Das Training (Belastung) führt zu einer Ermüdung und zu einem kurzfristigen Leistungsabfall. Klar, nach einem 18 km TDL kannst du diesen nicht 10 Minuten später noch einmal in der gleichen Zeit absolvieren. Daran schließt sich die Erholung an, in der sich der Körper wieder regeneriert. Die Leistungsfähigkeit steigt wieder auf das Ausgangsniveau. Jetzt folgt das Zeitfenster der Superkompensation, in der sowohl alle Körperfunktionen wieder hergestellt sind und die Leistungsfähigkeit über das Ausgangsniveau steigt. Genau jetzt ist der Zeitpunkt für das nächste intensive Training. Wartest du zu lange, pendelt sich dein Leistungsniveau wieder beim Ausgangsniveau ein. Klar, wenn du alle 2 Wochen mal intensiv trainierst, wirst du deine Leistungsfähigkeit nur halten und nicht steigern.
Das Ziel ist also die Superkompensation. Über diese fortgesetzte "Wellenbewegung" steigerst du deine Leistungsfähigkeit kontinuierlich. Das bedeutet also, die Regeneration sollte nicht zu nicht zu kurz und nicht zu lang sein. Wie bestimmt man aber die optimale Erholungszeit?
Bild 1: Prinzip der Superkompensation (Quelle: marathonfitness.de)
Beim Blick auf die Grafik wird klar, die Zeit für die Regeneration hängt von Dauer und Intensität deines Trainings ab. Allerdings beeinflussen auch andere Faktoren in deinem Leben die Erholungsdauer. Dies sind z.B.:
- Training mit hoher Intensität oder hohem Trainingsvolumen,
- zu wenig Schlaf,
- Infektionen,
- Ernährung,
- Nährstoff- und Vitaminmangel,
- Hormone (Testosteron, Wachstumshormon, Cortisol, Adrenalin, ...),
- Stress (beruflich, privat, …)
Natürlich beeinflussen auch die aktuelle Leistungsfähigkeit, das Alter, die Erfahrung (wie lange du schon trainierst) u.ä. die Dauer der Regeneration. So wird sich der 40jährige Einsteiger bei 2 intensiven Einheiten und einem langen Lauf pro Woche in einer Dauerschleife aus Ermüdung und Muskelschmerzen befinden, der 60jährige, der seit vielen Jahren läuft, 2 Tage nach einem Tempotraining wieder frisch ein.
Ich kann mich noch an mein Training mit Ende 20 erinnern. Es gab kein zu hartes Training, nur zu lasches, wie es schon Peter Greif beschrieben hat. 650 km km pro Monat hatte ich von Dezember bis April immer im Buch stehen, Tempoeinheiten, lange Läufe, … Ich kann mich an keine nennenswerte Ermüdung erinnern. Es lief einfach. Am nächsten Tag fühlte ich mich immer wieder frisch. Heute muss ich schon bei 75 km pro Woche alle Tricks anwenden ;-)
Können wir aber nun die Belastung bzw. die Regeneration messen? Ja, es gibt durchaus auch messbare Parameter, in keinem Fall kommst du aber um ein gutes Körpergefühl herum. Dein Körper sendet dir ausreichend Signale, du musst sie allerdings verstehen lernen und auch akzeptieren.
Ich würde zur Einschätzung der Regeneration folgende Parameter heranziehen:
- Aktuelle Leistungsfähigkeit
- Trainingsbelastungsbilanz (TSB)
- Subjektive Körpersignale
- Objektive Körpersignale
Aktuelle Leistungsfähigkeit
Hast du z.B. einen Trainingsplan und versuchst die Einheiten abzuspulen, dann kannst du natürlich in erster Linie anhand der deiner Leistungsfähigkeit feststellen ob die Regeneration ausreichend war. Ist der Plan sinnvoll aufgebaut, solltest du die Einheiten zwar mit Anstrengung, aber immer gut laufen können. Wenn du dich müde, lustlos und mit schweren Beinen über die Bahn schleppst, vorgegeben Zeiten nicht ansatzweise laufen kannst bzw. von Einheit zu Einheit langsamer wirst, spätestens dann ist es Zeit für eine längere Erholungsphase. Dabei ist jetzt nicht schon eine einzelne "schlechte" Einheit besorgniserregend.
Fühlst du dich dagegen gut, hast richtig Lust auf das Training und musst dich eher bremsen um nicht zu schnell zu laufen, dann passt in der Regel die Regeneration zwischen den Einheiten.
Trainingsbelastungsbilanz (TSB)
Mit der Trainingsbelastungsbilanz haben wir uns schon im Rahmen der Leistungsmessung mit dem Stryd-Leistungsmesser beschäftigt. Sie betrachtet die chronische und akute Trainingsbelastung und gibt quasi das Verhältnis von Leistung zu Ermüdung an. Damit erkennst du schnell, ob du dich mit deinem Training in den Bereich der Überlastung begibst.
Die TSB haben wir damals anhand der Leistungswerte des Stryd betrachtet. Hier gehen die Werte für den TSS (Training Stress Score) ein. Das Ganze funktioniert, wenn auch etwas ungenauer, mit den dem TRIMP-Werten (Trainingsimpulse) aus der Herzfrequenzmessung. Damit kannst du ebenfalls die chronische und akute Trainingsbelastung ermitteln.
Erfassung subjektiver Körpersignale
Hier kommt dein Körpergefühl ins Spiel. Du solltest dir täglich kurz Zeit nehmen und dich fragen wie es dir geht. Und zwar bezüglich:
- Appetit (0 = kein Appetit, 5 = guter Appetit, sehr hungrig)
- Schlafqualität (0 = schlecht, 5 = sehr gut)
- Energie/Müdigkeit (0 = hundemüde, platt, 5 = hellwach)
- Lust auf Training/Bewegungsdrang (0 = Null Bock, 5 = Bäume ausreißen)
Für jedes Kriterium notierst du dir täglich einen Wert von 0-5 in eine kleine Tabelle oder in dein Trainingstagebuch (bei Strava gibt es z.B. ein Feld für private Notizen). Interessant sind nicht kleine Abweichungen oder kurze Schwankungen, sondern große Abweichungen bei 2 oder mehr Werten über einen Zeitraum von z.B. 2 Wochen. Dann wäre es, nach der Analyse deines Alltags, Zeit für eine Intervention:
- ein paar Tage Trainingspause einlegen,
- nur kürzere regenerative DL absolvieren, keine Tempoeinheiten,
- Stress reduzieren: Yoga, Meditation, ...,
- auf ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse und Eiweiß achten, ggf. mehr Kalorien essen,
- ggf. Mikronährstoffe (Vitamine, Mineralien, Spurenelemente) ergänzen,
- Massage, Sauna, ...,
- mehr Schlaf für einige Tage
Erfassung objektiver Körpersignale
Damit sind wir bei 2 objektiven Werten, die du auch essen kannst. Dies sind:
- der Ruhepuls und
- die Herzfrequenzvariabilität (HRV)
Beide Werte ermittelst du am besten morgens nach dem Aufwachen noch im Bett. Neben dem Zustand deiner Regeneration kannst du nämlich auch sich anbahnende Infektionen registrieren, noch bevor es im Hals kratzt.
Der Ruhepuls ist klar. Das ist der Puls in Ruhe, ohne Bewegung. Daher am besten morgens nach dem Aufwachen. Ja klar, deine Uhr (wie z.B. Garmin) nimmt dir die Arbeit auch ab. Allerdings wird der "Ruhepuls" da über den Tage verteilt mehrmals pro Stunde gemessen, wenn du gerade nicht in Bewegung bist. Nicht ganz ideal, weil der angezeigte Wert meist höher ist als der nach dem Aufwachen.
Wenn dein morgendlicher Ruhepuls ansteigt, ist das ein Zeichen für mangelnde Erholung oder steigenden Stress für den Körper (z.B. auch Infekt). Mit "Anstieg" ist die Erhöhung deiner Ruheherzfrequenz 3-5 bpm (Schläge pro Minute) über deinem normalen Bereich gemeint. Dann solltest du hellhörig werden.
Der zweite Messwert ist die Herzfrequenzvariabilität (HRV). Was ist das? Die HRV ist die Abweichung der Zeit zwischen aufeinander folgenden Herzschlägen. Beispiel: bei einem Puls von 60 bpm schlägt das Herz nicht absolut exakt jede Sekunde. Innerhalb derselben Minute können einige Herzschläge nur 0,9 sec Abstand haben, andere 1,1 sec. Je größer die Varianz der Herzfrequenz, desto bereiter ist dein Körper zum Erbringen einer hohen Leistung, d.h. umso höher ist der Grad der Regeneration!
Diese Variabilität oder Varianz berechnet sich aus den Zeiten zwischen aufeinander folgenden Herzschlägen, den RR-Intervallen.
Bild 2: Herzfrequenzvariabilität HRV (Quelle: marathonfitness.de)
Das Thema Herzfrequenzvariabilität ist komplex, von Alter, Geschlecht, … abhängig. Natürlich auch mit den üblichen Fehlern der HF-Messung behaftet. Dein HRV-Wert verändert sich auch im Verlaufe des Tages erheblich. Daher sind absolute Werte der HRV für die Beurteilung der Regeneration nicht wirklich interessant, sondern Abweichungen und Trend. Daher misst man die HRV günstigerweise auch immer zur gleichen Zeit morgens nach dem Aufwachen. Dann bekommt man nach einer Zeit eine Baseline und kann Schwankungen nach oben und unten erkennen.
Erhöhter Ruhepuls und gleichzeitig verringerte HRV sind ein Zeichen für:
Erhöhte HRV und gleichzeitig verringerter Ruhepuls sind ein Zeichen für:
Ein leichter Rückgang der Ruheherzfrequenz um 0-10 bpm (Schläge pro Minute) unter deinen Durchschnitt und ein gleichzeitiger Anstieg deiner HRV über den normalen Bereich, ist tendenziell ein Zeichen für eine maximale Regeneration und Vorbereitung, um körperliche, geistige und emotionale Leistung zu erbringen.
Gleichzeitig verringerte HRV und ein verringerter Ruhepuls (d.h. sie fallen beide unter ihre normalen Durchschnittswerte) zeigen ein besonderes Szenario. Dies ist wahrscheinlich ein Zeichen dafür, dass du dich in einem hypererholten Zustand befindest und dein Körper seinen physischen Höhepunkt erreicht. Dies ist oft das Ergebnis eines Taperings vor einem Wettkampf.
Um Ruhepuls und HRV gleichzeitig zu messen gibt es natürlich Hilfsmittel. Fitnesstracker, Uhren, Apps usw. Preislich weit auseinander, mit mehr oder weniger umfangreichen Auswertungen, Warnungen und Empfehlungen. Mit der Polar Vantage V kannst du z.B. einen orthostatischen Test machen und die HRV ermitteln.
Eine sehr schöne Variante habe ich für Garmin entdeckt. Dort gibt es im Connect IQ-Shop die kostenlose App "HRV Analysis" für deine Uhr. Morgens Brustgurt anlegen, die App auf der Uhr starten (wie ein Training), 5 min warten, fertig! Wenn du in den Einstellungen der App "Fit Write" wählst, dann wird auch eine fit-Datei auf deiner Uhr gespeichert. Das bedeutet nicht weniger, als dass es wie eine Aktivität behandelt und nach Garmin-Connect hochgeladen wird. In dieser HRV-Aktivität kannst du dir die Werte dann anschauen. Ich habe mir angewöhnt, die nach Strava hochgeladene Aktivität sofort zu löschen und die Sichtbarkeit in Garmin-Connect auf "Nur ich" zu ändern. So bleiben diese "Aktivitäten" dort gespeichert, sind für andere aber nicht sichtbar.
Bild 3: HRV-Analysis Device App (Quelle: Garmin IQ Shop)
Wenn du alle o.g. Kriterien berücksichtigst und gut in deinen Körper hineinhörst (dabei mal das Ego kurz ignorierst), dann wirst du die optimale Regeneration für dich und deinen Körper finden. Aber denke daran: solange die Leistungsfähigkeit (Punkt 1) vorhanden ist, musst du dich auch mal "durchkämpfen" und kannst nicht ständig auf lockere und entspannte Beine warten. Wie schrieb der britische Läufer Brendan Foster in seiner Biographie? "Alle internationalen Spitzenathleten fühlen sich morgens beim Aufwachen müde und abends beim Zubettgehen fühlen sie sich sehr müde." Soll heißen: nicht jede Müdigkeit ist auch gleich ein Grund zur Sorge.