Einer der sieben Glaubenssätze der HUNA-Lebensphilosophie aus Hawaii. Kennst du sicherlich. Die Welt ist so wie du denkst. Es gibt keine absolute Wahrheit. Jeder sieht die Welt mit anderen Augen und hat daher seine eigene Wahrnehmung und Wahrheit. Die Gedanken zu diesem Newsletter entstanden nach der News „Corona und Digitalisierung“ von Dr. Strunz am Wochenende. Auch ich frage mich seit vielen Wochen, wie diese Pandemie wohl Anfang der 1990er Jahre verlaufen wäre. Ohne Digitalisierung, ohne Internet. Der eine oder andere über 35-jährige kann sich wohl noch daran erinnern. Ohne Twitter, Instagram, Facebook & Co. Ohne jederzeit auf dem Handy aufploppende Online-Nachrichten. Ohne jede noch so beliebige Äußerungen eines jeden „Experten“ im Minutentakt, die in Sekundenschnelle um die Welt rauschen um wenige Augenblicke später entweder einen riesigen Hype oder Shitstorm zu verursachen und Panik, Angst und Verunsicherung auszulösen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass uns einiges erspart geblieben wäre. Zumindest die Spaltung der Gesellschaft, Hass, Verunsicherung bis hin zu öffentlich vorgetragenen persönlichen Beleidigungen. Meldungen in der Tagesschau wären für eine der Standard gewesen. Die eine oder andere Zeitung hätte textlich oder bildlich mehr oder weniger dramatisch mit entsprechendem zeitlichen Versatz berichtet. Sicherlich aber nicht über 2 Jahre tagtäglich mit wechselnden, z.T. konträren Wahrheiten. Wie schreibt Dr. Strunz so treffend: Wissenschaft ist kein Inhalt, sondern Methode. Nämlich die Methode, Modelle zu entwickeln, die die Welt möglichst präzise erklären. Je nach den berücksichtigten Parametern und den Erfahrungen der Wissenschaftler unterscheiden sich die Modelle und damit die "Wahrheiten" beträchtlich. Oder ändern sich eben täglich.
Was haben diese Gedanken jetzt aber mit unserem Sport zu tun? Ich sehe mich täglich der Errungenschaft des Internets ausgesetzt. In Form von vielen Emails von verunsicherten Läuferinnen und Läufern. Es gibt inzwischen unzählige Webseiten, Blogs, Podcasts, … die sich mit Laufen, Training, Ernährung, Puls, Regeneration, Tapering, Übertraining, … beschäftigen. Es gibt zu allem die unterschiedlichsten Ansätze, Meinungen und Ratschläge. Wer sucht wird fündig und bleibt oft verwirrt zurück. Mehr Auswahl führt zu mehr Verwirrung. Die Wahrheiten sind unterschiedlich, gegensätzlich, ergänzen oder widersprechen sich. Aus Sicht des jeweiligen Verfassers mit seinem ganz eigenen Wissen und seiner Erfahrung entsprechen die Wahrheiten dem "the world is what you think it is". Ich erhalte dann viele Mails, in denen ich diese Wahrheiten bestätigen, negieren oder gerade rücken soll.
Es geht um völlig andere Ansätze bei der Ernährung, um sehr geringe oder sehr hohe Trainingsumfänge die zum Erfolg geführt haben, pauschale Bewertung von Übertraining bei 3 Einheiten pro Woche, usw. So gut wie immer ohne Betrachtung der Rahmenbedingungen und aller Parameter. Natürlich wird es z.B. immer Läufer geben, die mit 50 km Training 33:00 min über 10 km laufen, während andere für 36:00 min konstant über 120 km laufen müssen. Was nutzt dieses Wissen, ohne die Kenntnis der individuellen körperlichen Voraussetzungen, des Alters und des Talentes der jeweiligen Läufer. Ich habe 1990/91 während des Studiums auch mit einem Läufer in einer WG gewohnt. Der lief beim Silvesterlauf mit Umfängen von ca. 130 km, 2 langen Läufen von 30 km pro Woche ohne jegliches Tempotraining ganz locker eine 31:03 min und schlug dabei den großen Michael Heilmann (Marathonbestzeit 2:09:30 h) im Endspurt. Ein unfassbares Talent, den aber eine Zeit von unter 30 min über 10 km weniger interessierte als der lange Rennsteiglauf.
Wenn ich nun diese Mails beantworte, dann natürlich ebenfalls nicht mit einer absoluten Wahrheit. Sondern mit meiner persönlichen Wahrheit, die meinem Wissen und meiner langen Erfahrung entspringt. Genauso wie ich in den News an dieser Stelle immer nur die Erkenntnisse meiner Erfahrung wiedergebe. Damit hatte ich persönlich viel Erfolg. Wer Erfolg hat, hat Recht. Aber: es ist niemals der einzige oder allgemein gültige Weg. Andere Wege führen auch zum Ziel.
Die heutige Zeit ist extrem schnelllebig, Geduld ist nicht mehr angesagt. Das Internet ist übersäht mit Trainingsplänen. Die Auswahl ist riesig, die Versprechen noch höher. Sich zu entscheiden sehr schwierig. Anfang der 1990er Jahre gab es eine Handvoll Bücher, 2 Laufzeitschriften und den Countdown zur Bestzeit von Peter Greif. Wenn man Glück hatte, dann traf man einen sehr guten und engagierten Trainer, wie z.B. in Berlin Fritz "Bubi" Orlowski (SCC) oder Fred Behrnsen (NSF) oder eben Peter Greif. Es gab keine Online-Trainingspläne. Trotzdem sind wir sehr schnell gerannt.
Um schneller zu werden und Erfolg zu haben braucht es Geduld. Viel Geduld. Wenn sich heute mit einem Trainingsplan innerhalb von einem halben Jahr kein Erfolg einstellt, dann wird der nächste ausprobiert. Mit dem gleichen Erfolg. Dabei muss ein Trainingsprinzip erst einmal wirken, Körper und Geist müssen sich anpassen. Das braucht Zeit und geht nicht von heute auf morgen.
Nachdem ich mich entschieden hatte, in der Hauptsaison so gut wie nur noch Bahnläufe zu absolvieren, hat es 3 Jahre gedauert, bis ich zum ersten Mal die 3000 m unter 9 min und die 5000 m unter 16 min lief. In 3 Jahren haben heute manche schon das vierte Mal den Trainingsplan gewechselt. Ich bin meinem eigenen Trainingskonzept komplett treu geblieben. Habe nicht einen Augenblick daran gezweifelt. Ich wusste dass es funktioniert. Im dritten Jahr kam der große Knall und Durchbruch.
Interessanterweise sind viele selbst bei Dingen verunsichert, mit denen sie gerade Erfolg haben. Mit denen das Training gut läuft und die Bestzeiten purzeln. Da reicht ein gelesener Artikel um Unsicherheit und Zweifel am eigenen Tun aufkommen zu lassen.
Was ich sagen will, wenn du heute einen Trainingsplan hast, dann gib ihm eine Chance. Nicht 6 Monate, sondern mindestens 2 Jahre. Vor allem, picke dir nicht aus verschiedenen 3 Plänen die Einheiten raus die dir am angenehmsten erscheinen um daraus etwas eigenes zu basteln. Die Suche nach DER EINEN "geilen" Einheit wird scheitern. Der Plan heißt ja Plan, weil er in der Regel einem Plan, einer aufbauenden Strategie folgt. Jage nicht jedem Internet-Artikel hinterher. Glaube an das was du tust und entwickle deine eigene Wahrheit.