Natural Running ist in aller Munde. Leider gibt es im Augenblick kaum einen größeren Streit, als den über Gewicht, Dämpfung und die Sprengung von Laufschuhen. Die Fronten erschienen in der Vergangenheit ziemlich verhärtet, aber jetzt sehen wir doch an unseren Umsatzzahlen, dass die leichten und flachen Laufschuhe das Rennen gewinnen werden.
Doch die Gegner der Natural Running Schuhe haben ihre Stellung noch nicht verlassen und behaupten immer wieder, dass ihnen die Füße nach längeren Läufen in den ganz leichten Schuhen Schmerzen. Damit haben sie auch Recht.
Erforderliche Umstellung auf Natural Running Schuhe
Unser Mitarbeiter Hansi Köhler schrieb in einem Leitartikel über dieses Thema am 26. März 2013 an dieser Stelle:
"Der Vorteil dieser Methode ist, dass der Läufer so technisch unbeeinflusst wie nur möglich das Laufen mit Aufsatz auf dem Mittel-/ Vorfuß und den daraus folgenden ganz anderen Bewegungsablauf zulässt, bzw. wieder trainieren kann. Als Kinder konnten wir das schließlich alle mal. Je mehr Schuh am Fuß ist, und sei er noch so flexibel, je mehr wird die natürliche Bewegung zumindest beeinflusst.
Tja, und dann erlebten viele Läufer den harten Alltag: Bei manchen, bei mir selbst auch erheblich, stellten sich nach dem Training stahlharte Waden ein. Mehrere Läufer berichten von punktuellen starken Schmerzen in der Wadenmuskulatur, die zu einem Trainingsausfall von 7-10 Tagen führten. Das Dilemma konnte sich sogar wiederholen, so dass bei manchen ein immer wieder unterbrochener Saisonverlauf die Folge war.
Die Kritiker des Natural Running fühlten sich in vollem Umfang bestätigt. "Hab ich doch gesagt", schlaumeierte es in der Folge. Wobei ja völlig klar ist, woher die Probleme gekommen sind.
Die muskulären Anlagen zum eigentlich natürlichen Laufstil sind in uns allen vorhanden. Das zivilisierte Leben auf dem Bürostuhl, abgewechselt mit dem Sofa und gepaart mit schicken, aber teils bedenklichen Alltagsschuhen ließen diese Anlagen jedoch völlig verkümmern.
Auch jahrelanges Lauftraining in herkömmlichem Schuhwerk schützt vor der Notwendigkeit der Anpassung nicht, da der Bewegungsablauf und damit die muskuläre Beanspruchung in einem anderen Laufstil nun einmal unterschiedlich ist.
Das bedeutet, wir müssen die Phase der Umstellung wie den Gang ins Fitness-Studio verstehen, wo wir bei unseren ersten Besuchen selbstverständlich erst einmal leichtere Gewichte auflegen.
Wir würden diese Vorgehensweise dort niemals anzweifeln. Beim Laufen in ungedämpften und flexiblen "Schuhen" erwarten jedoch viele Läufer gleich vom ersten Tag an die "dicken" Gewichte drücken zu können, also die relativ weite Strecke zu laufen.
Die Nachfrage nach den extrem minimalistischen Modellen ging dann auch bald spürbar zurück. Findet nun eine Rückentwicklung zu hochgradig gedämpften Laufschuhen statt? Wir sehen sie definitiv nicht! Auf den Markt schwimmen nun jedoch eine Vielzahl von superleichten, flexiblen und dennoch gedämpften Schuhen, die Beachtung finden sollten. Auch für Läufer, für die "Natural Running" nicht der Kern ihres Interesses ist. Diese Modelle haben zudem eine sehr geringe "Sprengung" von 0 bis höchstens 4 - 6 mm.
Als Sprengung bezeichnet man den Unterschied der Sohlendicke vom vorderen Teil des Laufschuhs nach hinten.
Hinten ist der traditionelle Laufschuh gegenüber vorn immer etwas höher. Bei herkömmlichen Modellen 12 bis manchmal 16 mm und mehr. Gepaart mit einer relativ steifen Sohle ist mit einem solchen Schuh ein flüssiger Lauf auf dem Mittel-/Vorfuß nicht vernünftig möglich. Neugierigen Läufern können wir deshalb nur abraten, diesen Laufstil in einem konservativen Laufschuh zu probieren. Es verfälscht einfach ganz erheblich das Bild dieser Methode."
Ausdauertest mit verschiedenen Laufschuhtypen
In dem Journal "Leistungssport" fand ich einen sehr interessanten Artikel von Professor Arnd Krüger. Dieser zitierte eine Arbeit der irischen Wissenschaftlern J.P. Waren und G.D. Warrington.
Diese hatten 15 trainierte Mittelstreckler vier Wochen lang einmal mit einen leichten Schuh von weniger als 150 g und einem schweren über < 400 g trainieren lassen. Die Untersuchung fand außerhalb der Wettkampfperiode statt.
Alle Läufer waren Laufbandtraining gewöhnt und hatten in den letzten drei Monaten keine Fuß oder Unterschenkelbeschwerden und trugen auch keine Einlagen. Die leichten Schuhe erforderten eine dem Barfußlaufen nahe kommende Technik.
Die Probanden mussten in zufälliger Reihenfolge an zwei aufeinanderfolgenden Tagen von der vierwöchigen Trainingsperiode ein Ausdauertest bis zum freiwilligen Abbruch auf dem Laufband absolvieren.
Dieser Versuch musste nach dem Training jeweils einmal mit dem leichten bzw. schweren Schuh wiederholt werden. Die Resultate waren überraschend. Dass man mit einem leichten Schuh schneller laufen kann als mit einem schwereren, ist nichts Neues. Dass sich aber auch die Laufzeiten in den schweren Schuhen signifikant verbessern, wenn man sich über vier Wochen an die Technik des Barfußlaufens gewöhnt hat, ist das überraschende Ergebnis.
Abbildung aus "Leistungssport"
Gewöhnen an neue Lauftechnik lohnt sich
Es zeigt doch, dass sich das Gewöhnen an eine neue Lauftechnik in einem Trainingsabschnitt lohnt, wenn dabei die Muskulatur des Fußes und der Wade entsprechen trainiert wird. Dabei zeigte sich, dass sich der Energieverbrauch über den Belastungszeitraum deutlich verringert.
Für uns Langstreckenläufer und -läuferinnen kann ich dieser Untersuchung nach hier nur die Empfehlungaussprechen: Möglichst viele Tempoeinheiten und Teile von Tempoeinheiten in minimal gedämpften ganz leichten Schuhen zu trainieren, um sich an diese neue Lauftechnik zu gewöhnen und Fuß- und Wadenmuskulatur aufzubauen. Vielleicht sollte man auch einmal versuchen, ein zweites Paar besser gedämpfte Schuhe in einem kleinen Rucksack mitzuführen und dann bei der langen Runde von Anfang an mit den minimalgedämpften Schuhen zu laufen.
Wenn dann die unteren Extremitäten anfangen zu schmerzen, dann die Schuhe wechseln und in normalen schwereren Schuhen weiterzulaufen.. Ich denke es wird nur wenige Wochen dauern, dann kann man die ganze lange Strecke auch mit dem Natural Running Schuhen durchlaufen.
Aus Erfahrung von anderen Läufern weiß ich, dass auch ein Marathon mit Natural Running Schuhen gelaufen werden kann. Das setzt aber ein mehrjähriges Training voraus. Darum empfehle ich vorerst einmal in Wettkämpfen wieder auf die etwas besser gedämpften Light-Racer oder Straßen-Wettkampfschuhe umzusteigen.
Du wirst selber lernen und entscheiden können, wann du mit den leichtest möglichen Schuhen einen Halb- oder Marathon laufen kannst. Deine Füße und Wadenmuskeln werden dir darüber genaustens Auskunft erteilen.