Du warst glücklich und sahst hoffnungsvoll deinem zweiten Marathon entgegen. Dein Training lief gut wie selten zuvor. Selbst Holger hatte schon ein anerkennendes Wort über deine Form verlauten lassen. Aber Du dachtest: "Der will mich doch nur in Sicherheit wiegen, aber diesmal falle ich nicht auf ihn rein. In 4 Wochen ist er dran, den renne ich so platt, das er unter eine Briefmarke passt, ohne eine Beule zu werfen". Beim 15 km Tempo-Dauerlauf warst Du schon 19 sec vor ihm im Ziel und warst immer noch locker. Im Gegensatz zu Deinem Lieblingskonkurrenten, der im Ziel pfiff wie ein ganzer Spielmannszug. Die Vorfreude auf den kommenden Marathon durchraste dich, Gänsehautschauer auf deiner Haut hinterlassend.
Ein paar Schritte liefst Du noch aus und plöztlich löste etwas ganz anderes einen Schauer in dir aus. "Was ist das, meine Achillessehne schmerzt? Ach, das ist nichts, das wird nicht schlimm!" Du dehntest Deine Unterschenkel, aber der leichte Schmerz blieb. "Na ja, morgen früh ist das wieder weg."
Aber die dickste Sehne deines Körpers dachte gar nicht daran, deinen Wünschen Folge zu leisten. Am anderen Morgen auf der Bettkante sitzend, spürtest Du sofort etwas Ungewohntes und als Du aufstandest, schrie dieses so wichtige Verbindungsseil seinen Schmerz dein Bein hoch. Geschockt fasstest Du sofort an die schmerzende Stelle und wirklich: Geschwollen und druckempfindlich. "Das darf nicht sein, nicht jetzt, nicht, nein, niemals bitte."
Dein Flehen wurde scheinbar erhöht, denn als Du ein paar Schritte machtest, ließen die Schmerzen nach und als Du in voller Bewegung warst, schwand die Pein dahin, es blieb nur ein leichtes Ziehen. "Dem Himmel sei Dank, ich hatte schon gedacht, es wäre aus mit dem Marathon." Nach dem Dienst ging es gleich wieder in das Training und es lief auch ganz gut, Schmerzen hattest Du kaum, aber am Ende, als Du gingst, zogst Du das Bein nach. Mist, das kann doch nicht sein. Zuhause legtest Du das Bein hoch und hofftest auf ein Wunder. Das Hoffen half, die Schmerzen ließen nach.
Am nächsten Morgen aber das Desaster, der ganze Fuß geschwollen, Du konntest kaum mehr gehen. Grauenvolle Szenarien zuckten über deine Gehirnrinde. Gips, Operation, Pflaster, Jod und Blut. Du sahst dich schon auf dem Sofa vor dem Fernseher liegend und Holger in das Ziel mit neuem persönlichem Rekord laufend. "Es ist aus vorbei, vier Wochen vor dem Marathon steckst Du eine solche Verletzung nicht weg. Der Trainingsausfall ist nicht nachholbar.
Solch ein Szenario ist für uns alle schrecklich, Verletzung oder Krankheit in einer Wettkampf-Vorbereitung ist das Letzte was wir wollen, noch schlimmer das Allerletzte!! Aber Gemach! Auch nach dem Ausfall von einer ganzen Woche in der unmittelbaren Vorbereitung der letzten 8 Wochen vor dem Rennen, bleibst du immer noch bestzeitenfähig. Auch bei 2 Wochen ohne jeden Meter Lauftraining ist noch mit einem befriedigenden Marathon zu rechnen. Bedingung ist aber, dass Du die letzten 2 Wochen noch entsprechend trainieren konntest.
Die Erfahrung zeigt, dass es in fast jeder Marathonvorbereitung zu einer Woche Trainingsausfall kommt. Besonders im Frühjahr kommt es oft zu Erkältungskrankheiten, die uns völlig am Training oder am ganzen Einsatz hindern. Ich gehe in meinen Pläne grundsätzlich von dieser Annahme aus. Das heißt, dass es nicht viel ausmacht, wenn Du in einer Woche nun keine 35 km laufen kannst und damit auch eine Endbeschleunigung vermisst.
Wir alle haben natürlich die Befürchtung, dass unser Organismus nun durch den Trainingsausfall in sich zusammen sackt und alles was wir bisher trainiert haben für die Katz war. Aber oh Jubel, dass ist nicht so. Denn unser Gehirn sorgt dafür, dass der Weg zu mehr Leistung nicht verlassen wird. Durch deine hohe Motivation hast du Belastungs- und Bewegungsmuster in deinem Biospeicher hinterlassen, die du nach Ende deiner Erkrankung oder Verletzung sofort wieder abrufen kannst. Es geht ruckzuck und Du bist wieder der Alte. Je trainingsälter Du bist, desto schneller kommst Du danach wieder in Tritt. Dein langjähriges Training hat tiefe Spuren in dein Gehirn gegraben und die geforderte Leistung als für Dich essentiell festgelegt.
Ein wirkliches Problem bekommst Du bei 14 Tage Pause in der Vorbereitung nur, wenn Du vor weniger als einem halben Jahr mit dem Lauftraining begonnen hast. Dann solltest du lieber einen späteren Lauftermin nutzen.
Ein Wort noch zu der oben erwähnten Achillessehnenverletzung. Wenn diese Sehne "piept, dann muss sie sofort behandelt werden, auch bei dem leichtesten Schmerz. Es kommt in zweidrittel aller Fälle zu keiner schlimmen Entzündung, wenn Du unmittelbar nach dem Auftreten der kleinsten Irritation, die Sehne mit einer durchblutungsfördernden Salbe massierst. Wichtig ist dabei nicht so sehr das Präparat, sondern die Massage der Sehne. Ich selbst nehme dazu Doc-Salbe, weil die auch unseren Hunden (trainierte Greyhounds) gut hilft und die kennen wahrscheinlich kein Placebo.
Aber ein Placebo kann auch helfen! Stelle dir nur das höhnische Gesicht von Holger (Olga) Meier vor, wenn er dir so ganz nebenbei erzählt, dass er Deinen persönlichen Marathonrekord um 9 Minuten unterboten hat. "Ich war total locker und hätte noch deutlich schneller können!" Wenn du an diesen möglichen Spruch von dem Bergrunter- und Pinkelpausen-Tempomacher denkst, spürst du keinen Schmerz mehr. "Holger Du nicht! Und wenn meine Achilles-Sehne schon am Start um Hilfe schreit, Dich mache ich fertig, für Dich werde ich zum Meiergeier!"