4. Im Alter nimmt die Muskelkraft ab, weil die anabolen Hormone abnehmen. Neben dem schlichten Vernachlässigen der großen und kleinen Muskelgruppen führt der sinkende Hormonspiegel zu einem deutlichen Kraftverlust.
Fazit: Muskeln schrumpfen aufgrund zweier Faktoren:
1. Ihnen fehlt das Training, und als Training ist auch körperliche Arbeit zu betrachten, wozu nicht Tastenklopfen und Umblättern zählen.
2. Durch die Abnahme der anabolen Hormone, insbesondere Testosteron und Wachstumshormone, werden weniger Reize zum Erhalt der Muskelmasse ausgesandt.
Beides ist ursächlich miteinander verbunden. Diese beiden Abbildungen öffnen einem die Augen. Die Kurven der Testosteronausscheidung und der maximalen Trainierbarkeit sind fast deckungsgleich.
Was nichts anderes heißt, als dass deine Trainierbarkeit von deinem Testosteronspiegel abhängt. So wird auch verständlich, warum künstlich zugesetztes Testosteron eines der beliebtesten und wirksamsten Dopingmittel ist.
Genauso deutlich wird, warum in den USA die Gabe von Testosteron an ältere Männer als stärkstes Anti-Aging-Therapeutikum gilt. Das ist zwar umstritten, aber hochbeliebt. Kritiker weisen darauf hin, dass der Einsatz von außen zugeführten Testosterons die körperliche Eigenproduktion behindert.
Befürworter behaupten hingegen, dass dies nicht der Fall ist, wenn die Gabe entsprechend dem Altersverlust angepasst wird. Ich selbst neige auch zu dieser Ansicht.
Frei nach dem Motto von Uli Strunz: »Man muss nur seinen Kopf einschalten und nach dem gesunden Menschenverstand urteilen.« Warum soll es plötzlich im Alter schädlich sein, einen Hormonspiegel auf ein jugendliches Niveau zu heben? Damals haben die natürlichen Hormonproduzenten im Körper auch nicht sofort ihre Arbeit eingestellt, als sie den gleichen Hormonspiegel vorfanden.
Und da es auch andere natürliche Möglichkeiten gibt, seinen Testosteronspiegel auf frühere Höhen anzuheben, scheint diese speziell bei uns verbreitete Angst nichts weiter zu sein als die übliche deutsche Bedenkenträgerei.
Und jetzt die guten Nachrichten: Mit dem richtigen Training kann man auch im Alter noch einmal richtig durchstarten.
Aus der Praxis
Beginnen wir mit einer Frage: Wieso kann es denn sein, dass da ein mittelmäßiger Läufer mit 48 Jahren in eine Leistungsgruppe kommt und sich bis heute im Alter von 56 Jahren immer noch verbessert?
Ein begeisternder Fall aus meiner Laufgruppe. 2005 tauchte in unserer kleinen Trainingsgruppe mit Wolfgang Rühlemann ein 48 Jahre alter Mann auf. Er lief damals 41er-Zeiten über 10.000 m.
Fünf Jahre später, also mit 53, lief er 35er-Zeiten über diese Strecke, 1:16 im Halbmarathon und 2:43 über die 42,2 km. Nicht nur das, Wolfgang wurde 2012 deutscher Vizemeister seiner Altersklasse und gewann dann einige Monate später den Marathontitel.Wolfgang Rühlemann (im Vordergrund) beim Hannover-Marathon 2013 (Foto Greif).
Dieses Beispiel soll dir Hoffnung machen: Auch wenn du noch so spät anfängst, ambitioniert zu laufen, so hast du doch eine ungeheuer große Chance, noch ganz weit nach vorne zu kommen. Du musst nur wollen und richtig trainieren. Denn Stillstand bedeutet in diesem Alter Rückschritt.
Anti-Aging-Training
Jedes Alter hat sein optimales Training. Trainiert man in jungen Jahren zumeist Schnellkraft und Ausdauer, gewinnt im Alter das Krafttraining zunehmend an Bedeutung. Dabei gibt es keine Schlusslinie. In jedem Alter lassen sich durch ein altersgerechtes Training die Körperzellen auf ein höheres Leistungsniveau heben.
Selbst 90-Jährige können ihre Kraft noch immens steigern. Der Verlust an Kraft beginnt etwa zehn Jahre früher als der an Ausdauer. Insofern bedeutet dies, dass du neben Ausdauer, also deinen täglichen Läufen, eben auch Kraft, Koordination und Beweglichkeit trainieren musst. Denn, wenn du dies verlierst, verschlechtert sich auch deine Zeit.
Ich möchte dir daher zurufen: "Du trainierst zu wenig Kraft!"
Der allgemeine Trend im Alterssport geht zum Ausdauertraining. Geh walken, schwimmen und wandern. Aber ein Trend führt uns nicht immer auf den richtigen Weg. Gib’s zu. Wie viele von uns unterschlägst auch du das Krafttraining oder machst es nur halbherzig. Es stört einfach das Ausdauertraining. Der Muskelkater am Folgetag lässt kein lockeres Laufen mehr zu. Und das hassen wir.
Früher hieß es immer: Du kannst nur Kraft oder Ausdauer trainieren. Stärkst du das eine, schwächst du das andere. Heute wissen wir aber, dass sich ein Miteinander durchaus bewähren kann.
Ich spreche da aus Erfahrung: Ich verfluche immer die steifen Muskeln nach dem Athletiktraining, wusste aber schon seit »ewigen« Zeiten, dass ich das Krafttraining brauche, wie kaum ein anderer Läufer meiner Klasse. Ich wog in meinen Höchstleistungszeiträumen völlig austrainiert 85 kg bei 195 cm Körperhöhe.
Um diese Massen auch ausdauernd und schnell über die Strecke zu bringen, benötigte ich überdurchschnittliche Kraft. Und die trainierte ich mir an der Kraftmaschine oder durch Athletikübungen an. Zudem gibt es da noch einen Aspekt. Den schon oben erwähnten Aspekt der Hormonproduktion.
Fakt ist: Intensives Krafttraining kurbelt die Produktion von Sexualhormonen wie Östrogen, Testosteron und Wachstumshormonen an. Wenn dich diese Nachricht immer noch nicht auf die Hantelbank zwingt, ist dir nicht mehr zu helfen.
Ein lebenslanges Krafttraining erhält und steigert den endogenen Sexualhormonspiegel und beeinflusst daher neben dem Muskelaufbau auch die Psyche und Vitalität.