Trotz des zweiten Lockdown‘s über Ostern, möchte ich versuchen positive Perspektiven zu entwerfen. Es gibt sicher viele Bereiche die es schlimmer getroffen hat als die Läuferszene, denn bei allem Frust über Corona gibt es doch auch einiges Positive zu vermelden.
Im Vergleich zu anderen Sportlern, vor allen den Mannschaftssportlern sind die Läufer doch noch sehr glimpflich durch die Pandemie gekommen. Auch wenn nicht immer mit den gewohnten Partnern gelaufen werden konnte, war das Training jederzeit möglich.
Jeder hatte die Möglichkeit seine Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten und auszubauen. Zwar haben vielen von euch die Wettkämpfe gefehlt, es wurden aber trotzdem einige neue Bestzeiten gelaufen. Die Gelegenheit dazu boten Sololäufe- oder virtuelle Wettkämpfe, so wie unsere „Greif-Challenge“ an. Über die erreichten Leistungen und Erfolge haben wir in unserem Newsletter ja schon ausführlich berichtet. Hier möchte ich Jens Peters meinen Dank für die logistische Arbeit die hinter dem Projekt und Newsletter steht danken.
Aus meiner Sicht möchte ich noch auf einige andere Aspekte des Sporttreibens hinweisen.
Ich persönlich bin eingefleischter Fahrradfahrer. Da ich nie einen Führerschein gemacht habe, habe ich mein Leben mit dem Fahrrad organisiert. Ich lebe und arbeite in Seesen, einer Kleinstadt am Westrand des Harzes mit 15.000 Einwohnern. Die 4 km zu meiner ursprünglichen Arbeitsstelle fahre ich immer mit dem Rad. In unserem kleinstädtischen Umfeld sind alle Geschäfte der Grundversorgung mit dem Rad in 5 min zu erreichen. Durch die wegfallende Parkplatzsuche bin ich mit dem Rad häufig schneller am Ziel als die Autofahrer. Musste ich früher für spezielle Einkäufe noch 100 km mit dem Rad durch die südniedersächsische Provinz in die nächsten größeren Städte fahren, sind diese Aktionen im Internetzeitalter nicht mehr nötig. Die Touren waren aber immer nette, abwechslungsreiche Trainingseinheiten. Ich habe dabei das Nötige mit dem Angenehmen verbunden.
Aber kommen wir zu den sportlichen Dimensionen meines Lebens. Ich habe in meinem Leben nie einen Wettkampf bestritten und habe es auch nicht vor jemals zu tun. Ich trainiere immer allein, das Pensum entscheide ich immer kurzfristig je nach Wetter, Zeit, Lust und anderen Bedürfnissen. Mein Trainingspensum beträgt im Sommer über 1000 km im Monat, geht bis zum Winter auf Werte unter 500 km zurück, bei Schneewetterlagen sind auch schon mal ein oder zwei Wochen Pause drin. Bei all meinen Touren steht nicht so sehr der Leistungsgedanke im Vordergrund, sondern das Erleben meiner weiteren Umwelt. Auch die Freude an der sportlichen Betätigung und das daraus resultierende gute Körpergefühl während und auch nach dem Training möchte ich nicht missen. Das Training ist auch eine Zeit des „Gedanken freien Lauf lassen“ man könnte auch von einer Art Meditation sprechen.
Viele von euch werden es schon erlebt haben, dass sich beim Training ungeahnte Ansichten einstellen oder man völlig neue Pläne entwirft. Das unser Gehirn hervorragend arbeitet wenn der Körper unter einer moderaten Belastung steht ist inzwischen wissenschaftlich anerkannt. Viele geniale Ideen wurden während des Trainings geboren, allerdings nur in den leichteren Trainingsphasen. Während eines harten Tempotrainings, oder im Marathon bei Kilometer 35, wird die Kreativität des Gehirns gen Null steuern. Da werden nur noch Durchhalteparolen von ihm gesendet.
Ich bin durchaus leistungsorientiert unterwegs, aber ohne verbissen auf irgendwelche Ziele hinzuarbeiten. Für mich gilt: "Der Weg ist das Ziel". Wenn die Beine gut sind, fahre ich statt der geplanten 100 km schon mal 150 km, aber wenn das Gefühl nicht gut ist, dann wird die geplante Runde auch mal auf 50 km abgekürzt. Der Spaß an der Bewegung steht für mich im Vordergrund, nicht die absolute Leistungsorientierung! Natürlich freue ich mich, wenn ich die Berge nur so hochfliege, aber das ist nicht mein Hauptantrieb im Training. Es geht vielmehr um eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung in der freien Natur und natürlich auch um die Aufrechterhaltung eines gesunden, leistungsfähigen Körpers. Das Training orientiert sich nicht so sehr an Leistungszielen, sondern ist eher in Projekte gegliedert wie z.B. das Kennenlernen einer neuen Landschaft oder das Erkunden neuer Wege.
Zur Zeit verfolge ich das Projekt, alle 222 Stempelstellen der Harzer Wandernadel, aus eigener Kraft zu erreichen. Das heißt alle Stempelstellen werden von Seesen mit dem Rad angefahren. Zum Teil sind dann noch einige Kilometer lange Wanderungen nötig, da viele Stempelstellen nicht mit dem Rennrad zu erreichen sind. Die ganz weit entfernten Stellen im Ostharz, die ich nicht mit einer Tagestour abfahren kann, fahre ich mit Schlafsack und Isomatte an und schlafe irgendwo im Wald (das ging sogar bei Corona) oder in einer Ferienwohnung.
Bei meinen Touren habe ich auch einige Läufer getroffen die alle Stempelstellen als Trainingseinheiten ablaufen und so den Harz erkunden. Die Trainingseinheiten führen zu den schönsten Stellen im Harz. Es wechseln sich malerische Flusstäler mit historischen Stätten und grandiosen Aussichten ab. Aus dem umgebenden Tiefland geht es durch lichte Buchenbestände, in dunkle Fichtenwälder, um zum krönenden Abschluss auf bizarre Felsformationen mit herrlichen Aussichten zu gelangen. Falls ihr Interesse habt, einfach mal im Netz unter: "Harzer Wandernadel" nachsehen. Das Stempeln lässt sich sehr gut auf mehrere Kurztrips- oder Urlaube verteilen und ist an keinen zeitlichen Rahmen gebunden.
Allen die doch eher Leistungsorientiert unterwegs sind, wünsche ich viel Erfolg bei hoffentlich im Sommer wieder stattfindenden Wettkämpfen. Es werden auf jeden Fall besondere Wettkämpfe werden, denn der Wert mancher Dinge erschließt sich den Menschen erst, wenn sie einige Zeit darauf verzichten mussten. Ihr werdet sicher von einer Welle der Euphorie getragen, wenn ihr wieder an der Startlinie steht und ins Rennen startet. Diese Stimmung sollte eine gute Basis für viele neue Bestzeiten sein!