Selbst sehr intelligente Läufer haben Vorstellungen vom Training, die manchmal erschütternd sind. Als erstes zu nennen "der Ganzjahresform-Wünscher."
Anruf: "Ich möchte jetzt die Winterserie in Duisburg laufen, dann den Marathon in Kandel und im April Hamburg. Danach habe ich zwei Halbmarathons und anschließend laufe ich dann jedes Jahr in Biel. Im Juli ist es ganz wichtig, dann haben wir hier unseren Stadtlauf. Anschließend dann möchte ich wie jedes Jahr Berlin machen. In Frankfurt laufe ich dann gemütlich, wenn das Wetter nicht so gut ist."
"Können Sie mir dafür einen Trainingsplan machen?" Antwort: Nee!
Ich bin anschließend mit dem Anrufer doch noch auf eine Reihe gekommen. Aber mich erstaunt es doch immer wieder, wie viele Läufer(innen) meinen, sie könnten dem Trainer ein Programm vorgeben und nun lieber Trainer mache mir einen schönen Plan rund um das Programm.
Auf Nachfrage, wann der Formhöhepunkt sein soll, kommt oft die Antwort: "Ich will überall gut aussehen!" Was so viel heißen soll, dass dieser Mensch praktisch dass ganze Jahr in Hochform sein möchte. Wenn ich ihm erkläre, dass so etwas nicht möglich ist, dann kommt erst ein "Aber" und dann wird es nach einer längeren Diskussion langsam rational.
Meist werden dann ein oder zwei Marathons in den Vordergrund gestellt. Auf dieser Basis gelingt es dann einen Plan zu erstellen, mit dem Läufer und Trainer auskommen können. Einen Formhöhepunkt im April und einen im September und Oktober. Rundherum kann man dann die gewünschten Wettkämpfe einbauen.
Sechs Wochen vorher und nachher gibt es einen Zeitraum, in dem man auch Bestzeiten laufen kann. Danach gibt es jeweils einen Regenerationszeitraum und im Winter eine lange Aufbauphase. Bisher habe ich mich mit fast allen Plananforderern geeinigt und es kommt in der Regel auch zu den erwarteten oder sogar nicht erwartenden Resultaten.
An zweiter Stelle steht der Läufer mit dem Wunsch nach dauerhafter Temposteigerung. Dieser Mensch erlebt im Winter, dass sein Tempo im Plan immer schneller wird. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt im Frühjahr, dann schreibe ich den Beziehern von Greif-Club-Trainingsplänen so etwa: "Laufe jetzt auf keinen Fall mehr schneller als im Plan angegeben. Du bist jetzt in Hochform, wenn du weiter am Gashebel drehst, dann kippt deine Form!"
Und das wollen Einige nun partout nicht einsehen. "Ich bin aber doch so fit wie nie und meine Tempoläufe sind auch so schnell wie niemals vorher. Jetzt habe ich den Durchbruch erzielt. Ich verstehe nicht, warum ich jetzt damit aufhören soll zu versuchen schneller zu laufen."
Ja, das ist wirklich schwer zu verstehen. Das habe ich am Anfang meiner Karriere auch nicht verstanden. Ich bin so lange immer schneller gerannt, bis ich ausgepowert sinnbildlich am Boden lag. Jahre habe ich dazu gebraucht, dass es nicht immer aufwärts gehen kann mit der Trainingsbelastung. So etwas erkennt der Organismus als Dauerstress und es kommt zu einem Leistungseinbruch oder bei dem Versuch diesen durch noch härteres Training entgegen zu treten, zu einem völligen Leistungszusammenbruch.
Nun haben mir gerade zwei Läufer berichtet, die vor dem Einstieg in die Greif-Pläne nach einem anderen System trainiert haben, dass dieses System geradezu das macht, wovor ich unsere Mitglieder zu schützen versuche. Bei dem ersten Bericht konnte ich es gar nicht glauben, dass es so etwas Unsinniges und Laienhaftes gibt.
Dieser Planautor hat eine Billigvariante gewählt, welches sich automatisch an die gestiegene Trainingsleistung des Läufer anpasst, ohne das jemand dort eingreift. Die Betonung liegt auf Trainingsleistung. Das heißt, der Trainierende gibt seine Trainingsleistung ein und bekommt, wenn diese schneller ist als die vom Plan geforderte, sofort eine neue schnellere Trainingsaufgabe.
So etwas fördert die Ausbildung von Trainingsweltmeistern und führt gnadenlos in die Überforderung. Wir hingegen passen ein Tempo nur nach einer Wettkampfleistung an. Diese ist in Regel wahr, frei von eigenen Irrtümern, Wünschen und ungenauen Streckenlängen. Ein Wettkampfresultat spiegelt immer das wahre Potential eines Läufers(in) wieder. Und das weiß jeder: Du kannst im Training rennen, was du willst, aber wenn du es im Rennen nicht bringst, ist dein Trainingsresultat Makulatur.
Der weitere gravierende Fehler dieser Billigmethode ist, dass das Trainingstempo unabhängig vom Abstand zu den Hauptwettkämpfen angehoben wird. Ist den Autoren aber wohl auch ziemlich egal, kurzfristiger Erfolg ist wichtig, nicht langfristiger Aufbau. Bei denen geht es dann ein paar Monate so: Immer, immer schneller und dann startet das Ganze wieder von vorne. Keine Periodisierung nichts. Es wird einfach von Anfang bis zum Ende der Planperiode das Tempo immer weiter erhöht.
Wenn das eine unmittelbare Wettkampfvorbereitung wäre, könnte ich das noch leidlich verstehen, aber so etwas über mehrere Monate zu betreiben, ist es genauso dämlich wie schädlich für den Trainierenden. So etwas ist Laientraining in seiner schlimmsten Ausprägung.
Hinter diesem System sitzt auch ein Laie und kein Trainer. Dieser Mensch, ein geschickter Programmierer, der ansonsten so viel Ahnung von der Materie hat, wie unsere Hunde vom Bäume pflanzen. Und so ist auch das ganze Training angelegt.
Ganz ehrlich, ich konnte es nicht glauben, dass es so einen Unsinn gibt auf dieser Welt. So habe ich noch einen zweiten Läufer gefragt, der auch nach diesem System ehemals trainierte, ob denn das alles wirklich wahr ist. Auch dieser Läufer hatte seine negativen Erfahrungen gemacht und bestätigte den Bericht von oben.
Natürlich kann man mit dieser Art von Laientraining auch Anfangserfolge erzielen, aber wann diese eintreten, ist nicht steuerbar. Es ein Lotteriespiel. Und durch die ständige Tempoerhöhung nach guten Trainingsleistung, treibt dieser Trainingsplan jeden in den sportlichen Ruin, wenn er sich denn darauf einlässt.
Jeder gut ausgebildete Trainer wird dir bestätigen, dass so ein System auf Dauer nicht funktionieren kann. Eine Trainingsbelastung hat immer in Wellenbewegung zu erfolgen. Mir tun nur die Leute leid, die auf solch einen Hokuspokus rein fallen.
Du wirst sicher bemerkt haben, das ich mich kaum jemals negativ zu Kollegen äußere. Aber bei so etwas, muss ich mich einfach schützend vor die Nutzer dieser Trainingspläne stellen. Denen kann ich nur raten: Seid kritisch und überlegt genau was solche Pläne mit euch machen.
Fast alle Plananbieter im Netz sind seriöse Leute mit ihrer eigenen Sicht auf das Lauftraining. Niemals würde ich auch nur ein Pieps von mir geben, wenn jemand sein Training anders gestaltet als wir, solange auch nur die Chance besteht, dass es dem Trainierenden zum Vorteil gereicht.
Das ist erst das 2. Mal, dass ich mich an dieser Stelle zu einem fremden Trainingsprogramm kritisch äußere. Vor einigen Jahren stellte eine Nahrungsmittelfirma ein kostenloses Programm zur Marathonvorbereitung in das Netz.
Das war so ein Unsinn, dass ich an dieser Stelle lauthals protestiert habe. Aber die erfahrenen Sportler dieser Firma, haben das auch erkannt und das Programm sofort aus dem Netz genommen. Das fand ich super und zeigt Seriosität und Verantwortungsbewusstsein. Und da das Ganze kostenlos war, soll man auch nicht zu sehr meckern.
Aber zurück zu den Trainingssystemen, welche unweigerlich in Überforderung führen. Wie schon weiter oben beschrieben, ist Kritikfähigkeit bei so etwas hoch gefragt. Diese solltest du auf einen ganz entscheidenden Umstand richten. Wenn jemand seine Trainingsleistung eingibt und damit seine Trainingsvorgaben aktualisiert, ist das bar jeder Kontrolle durch einen Sachverständigen, sprich Trainer. Anders ausgedrückt, der Trainierende kann in guter Absicht jeden Mist dort rein schreiben, in der Hoffnung und dem Glauben es wäre richtig für ihn.
So etwas wollen unsere Mitglieder natürlich auch manchmal, aber bei uns gibt es eine Kontrolle, diese bin in der Regel ich selbst. Wenn jemand einen Anpassungswunsch hat, dann trage ich ihn nach der Abschätzung der Plausibilität ein. Ganz bewusst, lassen wir das niemals von dem Trainierenden machen, obwohl das für uns deutlich weniger Arbeit wäre.
Ich prüfe diesen Anpassungswunsch nach und wenn er ok ist, erstelle ich einen neuen Plan und dann bekommt das Mitglied eine Mail mit dem Hinweis, das er seinen geänderten Plan herunterladen kann.
Ist der Änderungswunsch nicht plausibel, überzogen oder zu pessimistisch, fragen wir das Mitglied nach den Gründen oder wenn für uns Klarheit über die Motivation dieses Änderungsweges besteht, dann ändern wir den Plan so, wie wir es für den Trainierenden für richtig halten. So etwas macht einen erheblichen Aufwand, ist aber das, was man Qualität nennt. Bei uns wird betreut und das meinen wir wörtlich.
Diese Betreuung gibt es auch sonnabends und sonntags, wenn ich im Haus bin und die Änderungen werden in der Regel noch am selben Tag erledigt.
Du wirst dich auch fragen, wie wir es denn mit dem Tempo machen. Wir regeln das Tempo nach der aktuellen 10 km-Wettkampfleistung. Die man auch aus anderen Leistungen, wie einen Halbmarathon errechnen kann. Die Zeitvorgaben in den individuellen Trainingsplänen richten sich auf ein realistisches Saisonziel, welches immer schneller ist, als die aktuelle 10 km-Zeit oder eine andere adäquate Zeit.
Aber die Trainingszeiten sind zum Beispiel jetzt im Januar noch deutlich langsamer als im April. Periodisch wird das Trainingstempo langsam immer schneller. So das, dass höchste Tempo erst in der Wettkampfperiode erreicht wird. Wir führen also den Läufer oder die Läuferin mit Augenmaß zum Saisonhöhepunkt.
Unsere Mitglieder, besonders die ganz "heißen" Typen, maulen auch manchmal herum, dass das Trainingstempo im Winter zu langsam sei. Aber da lässt sich der Autor dieser Zeilen nicht beirren, richtig schnell wird erst gelaufen, wenn es nötig ist zur Ausbildung der Hochform.
Selbstverständlich verstoßen nicht wenige gegen diese Tempobremse und "knallen" schon im Wintertraining alles raus, was sie haben, aber diese Typen - du kennst bestimmt auch jemand von dieser Sorte - werden bald auf den Boden der Tatsachen zurück geholt. Spätestens dann, wenn schon im April die Beine schlaff werden, weil man seine Energie schon im Januar verbraten hat.
Ich kann dir nur raten: Nach welchem Plan du auch trainierst, gib erst alles in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung und die dauert 6 Wochen und nicht länger.