Gestern, am 04.01.2010 habe ich es wieder getan. Meinen Schneeschieber genommen und bin auf die Bahn gegangen, um gut 20 cm Schnee von dieser zu räumen. Zusammen mit Rüdiger Birkner haben wir versucht zwei Bahnen frei zu schaufeln. Rüdiger hatte schon am Vortag - also am Sonntag - zusammen mit seiner 7-jährigen Tochter eine Spur geräumt.
Geräumte 400 m-Runde der Seesener Harz-Kampfbahn
Wir beide machten uns also an die zweite Spur der Tartanbahn. Das ist immer so, nur wir beide. Obwohl ich Arbeit im allgemeinen verfluche, weil ich so und so zu Hause fast daran ersticke, mache ich sie. Die anderen drei, die regelmäßig auch zum Tempotraining erscheinen, kommen immer genau dann, wenn wir fertig sind.
Unseren besondern "Hass" zieht sich dabei Ansgar zu. Denn der ist schon dafür bekannt, dass er in der Halle niemals die Matten hinräumt und diese am Ende des Hallentrainings auch betont zögerlich wieder auf den Wagen legt, um tunlichst zu vermeiden, eventuell auch einmal zwei Stück bewegen zu müssen.
Genau so träge reagiert er natürlich auch, wenn mittwochs beim Läuferstammtisch eine Runde für ihn fällig ist. Dann fallen so Worte wie "Krise" und noch nicht überwiesenes Weihnachtsgeld oder dass sein Sohn eine neue Trommel benötigt, wo der doch Klavier spielt. Außerdem absolviert er meist noch nicht einmal die Hälfte unseres Trainingsprogramms.
Dieser Faulkönig besitzt aber die Frechheit zu fragen, wenn wir noch nicht alles frei geschoben haben: "Wieso seid ihr denn noch nicht fertig?" Dann kocht unser Blut und wir schwören Rache. Rüdiger, der bei der Stadt "ist", wohlgemerkt nicht "arbeitet", will einen Kollegen mit Glühwein gefügig machen, damit er mit seinem Schneeflug einmal ein paar Tonnen von dem weißen Zeug in die Einfahrt von Ansgars Haus schiebt. Wir freuen uns schon jetzt darauf.
Wolfgang ist auch so ein schwerer Fall. Der kommt grundsätzlich erst in das Stadion, wenn wir gerade mit dem Schneeräumen fertig sind. Er schiebt dann immer vor, dass er länger habe arbeiten müssen. Aber wir haben Verdachtsmomente, dass er vor dem Training immer erst einmal seine neue Freundin besucht. Vom Hörensagen wissen wir, dass die an ihn ziemlich hohe biologische Anforderungen stellen soll. Außerdem schaut er immer so erleichtert aus, wenn er beim Training erscheint.
Und dann, wenn wir uns mit dem Schnee bis zur Erschöpfung ausgelaugt haben, fangen alle an zu laufen. Und Wolfgang, der M50-Fuzzy, startet dann zu seiner Überrundungsshow. Du kannst gar nicht so schnell gucken, wie der an dir vorbei rast. Mir wird schon schwindlig nur allein vom hinsehen. Aber das ist doch alles nur Imponiergehabe, unsere Rache ist ihm trotzdem sicher. Vielleicht geben wir seiner Freundin einen zarten Hinweis auf eine Nebenbuhlerin oder wir reiben seine Laufschuhsohlen mit Gleitwachs ein.
Stephan ist der Härteste von allen. Wenn der zum Training einläuft, hat er niemals einen Schneeschieber dabei. Sein Argument: "Ich habe keinen!" Dass ich nicht lache. Der stammt vom Bauernhof und die haben einen Trecker bestimmt mit einem Räumschild, welches wahrscheinlich so groß ist, dass man damit einen ganzen Flugplatz vom Schnee befreien könnte. Aber bietet er uns den auch nur einmal an? Nie, wir müssen uns allein weiter quälen.
Auch an dem werden wir uns rächen. Wir haben vor ihm bei Gelegenheit Blitzkleber zwischen die Finger zu streichen. Dann hat er es! Stephan kann nämlich deutlich besser Klavierspielen als Schneeschippen. Pah Chopin, ich dachte bisher immer, das wäre eine chinesische Hunderasse. Darum vermuteten wir auch erst, dass das ganze Video gefälscht war. Aber aus eingeweihten Halbkreisen wissen wir, dass es vermutlich echt ist.
Nach dieser kleinen Satire kommen wir nun zum Ernst des Lebens. Warum schieben wir denn den Schnee auf der Laufbahn zur Seite? Darauf könnte man doch auch prima laufen. Wirklich? Die Lebenserfahrung als Läufer und Trainer von fast 40 Jahren sagt etwas anderes aus. Lies bitte die nachfolgenden Zeilen des Artikels, den ich schon 2006 geschrieben habe:
Wir wollten unter allen Umständen vermeiden, auf Schneeboden trainieren zu müssen. Und dies aus gutem Grund! Nichts zieht so viele Verletzungen nach sich, wie das Training auf verschneiten und vereisten Untergründen. Der Fuß kommt nicht mehr gerade auf, die Ferse sackt ein und ein sicherer Stand ist auch oft nicht gewährleistet. Besonders unsere läuferischen Schwachstellen das Knie und der Achillessehnenbereich werden über Gebühr belastet.
Aber das ist nicht der einzige Grund warum mit Schnee bedeckte Untergründe gemieden werden sollten, obwohl man oft hören kann: "Ich laufe gerne auf Schnee, wenn er nicht so hoch ist." Ja, das machen wir eigentlich alle, so eine 5 cm Pulverschneeauflage tritt sich weich und wir haben alle das Gefühl ausgezeichnet gedämpft aufzusetzen. Und genau in diesem so soften Dämpfungsgefühl liegt die Gefahr vergraben.
Du kennst sicher das Gefühl, wenn du nach einem Lauf im Schnee auf eine geräumte Straße kamst und erschrocken spürtest, wie hart dir deren Boden in die Knochen fuhr. Muskeln sind Opportunisten, sie stellen sich schon nach kurzer Zeit auf geänderte Umweltbedingungen ein, so nach dem Motto: "Wenn denn der Schnee die Stöße auffängt, brauchen wir es nicht zu tun!"
Einmalig ist so ein Lauf auf Schneeböden kein Problem. Wenn aber auf Dauer, wie es zur Zeit in einigen Gegenden von Deutschland der Fall ist, die seit dem Jahreswechsel Schnee haben, auf dem weichen Untergrund gelaufen wird, dann hat das negative Folgen für die Muskulatur und damit für unsere Laufleistung.
Auf harten Böden fangen Muskelstrukturen die Stöße des Bodens (Impact) ab. Nicht nur das, sie bilden auch aus diesem Grund so genannte kontraktile Elemente aus, die geradezu wunderbare Eigenschaften entwickeln.
Sie nehmen die Kraft des Bodenaufsatzes auf und geben sie beim Absprung wieder ab. Das was wir uns von unseren Schuhen wünschen, was diese aber nicht leisten können, erledigen starke und gut trainierte Muskeln problemlos.
Und da kommen wir zum Punkt! Du kannst ganz sicher sein, dass du dich mit dem Training auf Schnee in den ersten zwei Monaten dieses Jahres konditionsmäßig weiter entwickelt hast. Aber es ist ebenso sicher, dass du trotz erhöhtem Umfang kein einziges kontraktiles Element neu entwickelt hast. Im Gegenteil, die Leistung deiner Muskeln in Hinsicht auf den Kraftreturn hat nachgelassen.
Das kann für dich dramatische Folgen haben:
1. Deine Schnelligkeit wird vermindert, du bist nicht mehr spritzig, hast Mühe deine Trainingszeiten auf kurzen Strecken zu schaffen. Dein Schritt ist "platschig" und nicht federnd, weil deine Bodenkontaktzeiten verlängert sind.
2. Auf der Marathonstrecke wird dann das Training auf Schnee erst richtig bestraft. Weil deine kontraktilen Elemente nicht entsprechen trainiert sind, musst du bei jedem Schritt mehr Energie aufwenden und du spürst bald wie dir auf der zweiten Hälfte so langsam der "Saft" ausgeht.
Das Schlimme aber kommt erst jetzt: Auch das andauernde Laufen auf weichen Waldböden ruft die gleichen negativen Folgen hervor, wie das Training auf Schneeuntergründen. Selbst gestandene ältere Läufer wissen nicht, dass der Hauptteil eines Marathontrainings auf harten Untergründen absolviert werden muss. Dies wird in der Regel Asphalt sein, aber auch Schotterstraßen sind dazu geeignet.
Bei einem meiner Vorträge ging es unter anderem auch um das Thema "Weichbodentraining". Als ich von der mangelnden Muskelstimulation der Muskeln durch weiche Böden berichtete, meldete sich ein über 60-jähriger erfahrener Läufer zu Wort: "Jetzt fällt es mir wir Schuppen von den Augen. Ich habe immer nur im Wald trainiert und bin eigentlich im Verhältnis zu meinen anderen Leistungen auf kürzeren Strecken nie richtig gut Marathon gelaufen!"
Aber auch wenn du die weichen Böden aus vorliegenden Gründen nicht meiden kannst oder willst, musst du dich nicht damit abfinden, dass sich deine kontraktilen Muskelelemente nicht richtig entwickeln können.
Und in diesem Jahr schrieb ich allen unseren Clubmitgliedern: "Es liegt deutschlandweit Schnee! So rate ich dir, dich entsprechend den schwierigen Bedingungen anzupassen. Eines aber solltest du bei diesen Bedingungen ganz besonders beachten: Es gibt zwei Todfeinde für Läufer(innen), dass sind lockerer Sand und unruhiger Schneeboden. Letzterer macht uns keine Probleme, wenn er hart und gleichmäßig festgetreten ist, aber locker und ungleichmäßig gibt er einen ganz wunderbaren Verletzer und Überlaster für unsere Knochen, Muskeln und Sehnen ab.
Besonders zu meiden sind hart gefrorene Treckerspuren in der Feldmark. Pkw-Spuren hingegen lassen sich meist gut belaufen. Die meisten Unannehmlichkeiten hat man in dieser Zeit auf der Langen Runde. Bei uns geht diese zum Beispiel zum großen Teil über Waldwege, die im Winter nicht geräumt werden. Wir helfen uns dann mit einer "Dorfrunde" über Landstraßen. Die ist unbeliebt, aber unsere Läufer kennen da keine Gnade. Und sei das Wetter noch so schlecht, es wird gelaufen. Hast du keine geräumte Dorfrunde der geforderten Länge, suche dir eine die kürzer ist und die du dann mehrmals laufen kannst.
Das ist auch so mit Tempoläufen. Findest du keine entsprechende Runde, die du laufen kannst, suche dir eine kleine geräumte. Ein km Länge reicht aus. Genau so kannst du dir eine Pendelstrecke auf einem Radweg oder einer ruhigen Landstraße suchen. Wenn du einen km Länge hast, kannst du darauf jeden Tempolauf absolvieren. Das mag dir etwas ungewohnt vorkommen, aber daran gewöhnst du dich. Meide aber so gut es geht Pökelschnee. Auf dem kann man überhaupt am schlechtesten trainieren."