Kennst du die Situation, wenn sich nach einem Wettkampf de erste Euphorie oder Enttäuschung gelegt hat, Herzfrequenz und Adrenalinspiegel langsam wieder auf Normalwert angelangt sind, spätestens dann geht die Diskussion unter den Läufern über die zurückgelegte Wettkampfdistanz los: "Ich habe 250 m zu wenig auf der Uhr", "bei mir sind es 120 m zu viel". Kaum etwas gibt momentan mehr Raum um Spekulationen wie die GPS-Messung.
Keine Frage, die moderne Technik macht einiges leichter, ich möchte sie auch nicht mehr missen. Gerade auf unbekannten Strecken wie z.B. im Urlaub sowie in Verbindung mit einer entsprechenden APP zur Trainingsdokumentation ist sie äußerst hilfreich und vereinfacht vieles. Trotz allem bleiben viele Ungenauigkeiten der Messung und Ärgernisse bei Aussetzern bestehen.
Ich kann mich erinnern als die ersten GPS-Uhren im Jahr 2003 herauskamen. Es war ein regelrechter Hype. Die Teile waren, je nachdem mit welchem Modell von heute man sie vergleicht, 2-3 mal so groß, hatte keine HF-Messung und nicht annähernd den Funktionsumfang der heutigen Uhren. Die Läufer haben sie uns damals aus der Hand gerissen. Der Wert der Vorbestellungen allein am Tag des Newsletters mit der Geräte-Ankündigung machte damals 50% unseres normalen Monatsumsatzes aus. An einem Tag!
Wie sind wir davor ohne GPS gelaufen? Das fragt man sich heute ähnlich, wie man sich die Frage stellt, was wir damals ohne Handy oder Smartphone gemacht haben. Jeder hatte seine vermessenen Hausstrecken. Da gab es Radwege mit km-Schildern, bekannte Wettkampfstrecken oder man fuhr seine Strecken mit dem Rad incl. auf der Bahn "kalibriertem" Tacho ab. Ich selbst lief 20 Jahre im Berliner Plänterwald auf einer 5 km Runde die nach IAAF-Regeln vermessen war und auf der jedes Jahr mehrere Wettkämpfe von 10 km bis zum Marathon stattfanden. Meine Standard-Mindeststrecke waren 16 km, die ich immer um die 1:16 h lief. Genauso war die Zeit für die große Runde bekannt. Wenn wir jetzt unterwegs waren (Urlaub, Trainingslager, ...), dann war das Körpergefühl so entwickelt, dass klar war, die gelaufene Strecke war ca. 16 km lang, wenn 1:16 h oder auch 1:18 h auf der Uhr standen. Wollten wir es genauer wissen, dann gingen wir auf die Bahn oder suchten uns eine etwas ruhigere flache Straße mit km-Schildern. Davon gibt es z.B. in Südspanien, unserem bevorzugten Trainingsrevier, jede Menge. Alle 500 m ein Schild. Optimal für Tempodauerläufe.
Wenn ich heute mit meiner Uhr unterwegs bin, dann denke ich öfter, dass ich das jetzt ohne GPS genauer hinbekommen hätte. Gerade letztens hatte ich einen DL, da versagte die Technik vollständig. Der Lauf war 16 km lang. Bereits bis zum Wendepunkt bei km 8 musste ich über 50 m mehr laufen als bei allen anderen Läufen auf dieser Strecke zuvor. Dann allerdings wurde es lustig. Der 9. km nach dem Wendepunkt war sage und schreibe 1,4 km lang. Das hätte jeder nur mit Stoppuhr bewaffnet genauer hinbekommen. Solch ein Aussetzer ist natürlich besonders ärgerlich bei einer Tempoeinheit (z.B. TL von 1000 m bis 4000 m) oder einem Tempodauerlauf. Wenn du bei höchster Anstrengung unterwegs bist, dann zerschießt es dir an dieser Stelle dein Konzept.
Dass die GPS-Messung auf der 400 m Stadion-Runde nicht funktioniert ist bekannt. Dafür ist die freigegebene GPS-Genauigkeit, die Abtastrate und damit die Kurven-Interpolation einfach zu ungenau. Selbst auf meiner exakt 500 m langen Parkrunde vor meiner Haustür (in Form des Stadion-Ovals) sieht es nicht besser aus. Mein Forerunner 35 lieferte mir dort allerdings öfter 500 m als Rundenlänge als der Forerunner 935. Der zeigt mir stur 520 m pro Runde an.
Warum schreibe ich heute überhaupt darüber? Zum einen interessiert mich alles was mit Technik zusammenhängt. In diesem Zusammenhang habe ich die Internetseite von Jonathan Savage gefunden, die ich dir nicht vorenthalten möchte:
https://fellrnr.com/wiki/GPS_Accuracy
Hier findest du eine Vielzahl von Informationen und Hintergründe zur GPS-Messung sowie Genauigkeitstests von verschiedenen Uhren-Modellen und APPs. Ein wahre Fundgrube für jeden interessierten Technikfreak.
Auf der anderen Seite waren da zwei Erlebnisse in den letzten 2 Jahren seit ich mit dem GPS unterwegs bin (in der Zeit davor war ich nicht mehr wirklich aktiv laufend unterwegs).
Als ich mein aktuelle Laufprojekt gestartet hatte, war einer der ersten Tempoläufe die ich absolvierte, ein 5 km TDL auf meiner alten, oben schon erwähnten Strecke im Berliner Plänterwald. Für diese sehr schnelle, flache Runde existiert ein Vermessungsprotokoll nach IAAF-Regeln welches die Runde mit einer Länge von 5007 m ausweist. Am 20.02.2019 lief ich dort also meinen 5 km TDL. Keine Wolke am Himmel und kein Blatt an den Bäumen. Nach einer Runde stoppte ich wie immer meine Uhr und traute meinen Augen kaum. Mein Forerunner 35 zeigte mir für die Runde auf der ich 20 Jahre lang trainiert hatte, 4,81 km an. Eine Abweichung von knapp 4%. Meine Zeit lag bei 19:24 min. Wäre ich nach Angabe der Uhr bis zu angezeigten 5 km weitergelaufen, dann wäre ich mit einer Zeit von über 20 min ziemlich geknickt gewesen.
Das zweite Erlebnis war mein Silvesterlauf 2019 in der Slovakei. Es war ein 10 km Wertungslauf für die slowakische Lauf-Liga. Offiziell vermessen. Es gab auch keinerlei Grund die Strecke nicht genau 10 km lang zu machen, wie man es man es bei manchen Strecken aufgrund des Verlaufes hat. Nicht so hier, wo es an mindestens 5 Stellen die Möglichkeit gegeben hat, die Strecke ein paar Meter zu verlängern oder zu verkürzen. Es gab also keinen Grund an der Angabe des Veranstalters zu zweifeln.
Ich lief eine Zeit von 36:30 min. So fühlte sich der Lauf auch an, da ich die ganze Zeit in einer 4er, am Ende einer 3er Gruppe hing, die permanent ordentlich Druck machte. Meine Uhr zeigte mir aber nur 9,74 km.
Im folgenden Bild siehst du, wie Teile der Strecke, vor allem kurz hinter einander folgende Kurven interpoliert wurden. Das hat häufig mit dem „wahren“ Streckenverlauf wenig zu tun. Zudem hat das Wetter (Bewölkung, Wind, Temperatur), Satelliten-Position und Abtastrate der Geräte neben der für die zivile Nutzung freigegebene Genauigkeit Einfluß auf die letztlich angezeigte Distanz. Natürlich auch auf die während des Laufes angezeigte Geschwindigkeit.
Was lässt mich also zu der Annahme kommen, dass die Strecke des Silvesterlaufes doch exakt 10 km lang war?
- die oben genannte Internetseite von Jonathan Savage führt für den Forerunner 935 einen durchschnittlichen Distanz-Fehler von 3,23% auf,
- unabhängig bestätigten wir 2 Club-Mitglieder dass diese Uhr häufiger zu kurze Distanz anzeigt,
- Nachmessung 1 mit einem Internet-Tool mit automatischer Anpassung an den Streckenverlauf ergab eine Streckenlänge von 9,96 km,
- Nachmessung 2 mit der Greif-Streckenvermessung (ID 80665) ohne automatische Anpassung an den Streckenverlauf 9,91 km,
- die mit mir in der Gruppe laufenden Athleten schauten alle immer deutlich vor mir auf die Uhr, wobei ich nach dem Lauf versäumte nachzufragen, mit welchem Uhren-Modell sie unterwegs waren.
Diese Punkte berücksichtigend, gehe ich davon aus, dass die Strecke 10 km lang war. Womit ich mein Projektziel so gut wie erreicht ansehe. Bei diesem ging es ja vor allem um die Frage ob man sich nach vielen Jahren im "Geschäft" nochmal für hohe Ziele motivieren kann.
Bleibe also kritisch beim Einsatz der neuen Technik und vertraue ihr nicht blind. Das könnte dir, vor allem beim Vertrauen in die angezeigte Pace beim Wettkampf, durchaus deine Bestzeit kosten. Wenn du es im Training genau wissen willst, dann gehe ins Stadion auf die gute alte Bahn oder nutze bekannte vermessene Strecken. Mich persönlich frustriert es, wenn ich z.B. 400m TL auf der Straße mit GPS-Fehler (immer ein paar Meter zu viel) in 1:23 min laufe, auf der Bahn aber in 1:20 min. Bei einer GPS-Genauigkeit von „meist unter 10 m“ und einer Laufgeschwindigkeit von 4,17 m/s (= 4:00 min/km) ist diese Abweichung sozusagen schon vom System vorgegeben.