Mein Urlaub ist nun zu Ende und somit geht es wieder frisch zur Sache und heute nochmals mit einem Thema, welches wir vor 3 Wochen mit den neuen Erkenntnissen über Laktat schon einmal behandelt haben. Diesmal aber geht es nicht um den Stoff selber, sondern um die Aussagekraft von Laktatleistungskurven.
Solche Laktatleistungskurven werden dazu genutzt, um die Ausdauerleistungsfähigkeit eines Sportlers(in) zu untersuchen. Man macht das bei Läufer(innen) mit Hilfe eines Laufbandtests, auf dem der zu Untersuchende erst über einen festen Zeitraum von meist 3 min langsam zu laufen beginnt. Ist dieser Zeitraum zu Ende wird Blut entnommen und daraus das Laktat bestimmt. Danach wird das Tempo über weitere 3 min erhöht und wiederum Blut gezapft. Das geht immer so weiter. bis der Proband seine Geschwindigkeit nicht mehr steigern kann.
Aus den gemessenen Laktatgehalten wird nun eine Kurve gezeichnet und eine Schwelle festgelegt, bis zu der der Stoffwechsel noch aerob ablaufen soll. Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, wurde hier die Schwelle bei 4 mmol-Laktat gelegt.
Abbildung 1: Bestimmungsmethode der aerob-anaeroben Schwelle bei 4 mmol Laktat nach Mader.
Und diese Schwelle ist nun der Bart, um den sich Wissenschaftler und Praktiker streiten - seit Jahrzehnten. Und sie haben sich immer noch nicht geeinigt. Viele Schulen (Unis) entwickelten eigene Schwellenkonzepte und schwörten auf das ihre als das beste.
Früher beschäftigte ich mich auch ganz intensiv mit den Lakattests, musste aber schließlich und endlich einsehen, dass diese Tests für uns nur "Kaffeesatzleserei" sind. Somit gab ich die Sache auf. Nicht so aber unsere Sportärzte und -wissenschaftler. Die glaubten oder glauben einerseits daran, dass die Schwächen des Tests noch auszumerzen oder sie wissen oder ahnen das diese Untersuchungen ein Schmarren sind. Man aber andererseits auch sehr gut damit verdienen kann.
Ein Laie kann sich kaum vorstellen, welche immense Schwächen eine solche Untersuchung hat. Es bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Auswertmethoden der Laktatgehalte, schon diese reichen aus, um das Resultat nicht mehr brauchbar zu machen.
Es gibt kleine Handfotometer, die über einen Messstreifen den Laktatgehalt im Blut auswerten, bei dem jedes Gerät zusammen mit dem Streifen einen anderen Wert liefert. Ebenso gibt es individuelle Unterschiede zwischen den blutabnehmenden Personen und weitere Verfälschungen durch Schweiß oder quetschen des Ohrläppchens. Dazu kommen dann noch Temperatureinflüsse und die Einstellungen der Laufbänder und zum Schluss hat man ein Zufallsresultat in der Hand. Die Fehlerquote liegt bei etwa +- 5%.
Die Fans des Laktattests werden mir entgegenhalten, dass man mit viel Sorgfalt die Fehlerquote verringern könnte. Daran glaube ich zwar nicht, aber wenn man auch auf +-3% runter käme, wäre das Resultat immer noch ein Zufallsergebnis.
Nimm einmal an, du möchtest wissen wie schnell du deinen Marathon laufen kannst und absolvierst einen Test, um deine aerobe Schwelle feststellen zu lassen. Wenn diese real wäre und korrekt ermittelt würde, dann müsstest du in dem ermittelten Tempo auch deinen Marathon durchbringen können.
Nehmen wir einmal an, du bekommst eine Vorgabe von 4:30 min/km. Bei einer Ungenauigkeit von +- 5% könnte deine wahre mögliche Laufgeschwindigkeit nun zwischen bestenfalls 4:17 oder schlechtestenfalls 4:44 min/km liegen. So ein Resultat ist doch ein Witz. Mit dem einen Ergebnis solltest du 3:01 und mit dem Ausschlag nach der anderen Seite eine 3:09 h laufen können.
Aber das ist noch nicht alles. Du weißt ja nicht, welche Schwelle dein Untersucher nun anwendet, die 3 mol-Schwelle wie oben in Abbildung 1 zu sehen nach Mader, die nach Stegmann/Kindermann oder andere. Diese Ungenauigkeiten kommen noch hinzu. So weiß niemand genau, wie schnell du nun wirklich laufen kannst.
Welche immensen Auswirkungen die Schwellenkonzepte auf deine Laufzeitplanung haben können, werden wir hier an dieser Stelle in der nächsten Woche erläutern. Und zwar anhand eines großartigen, mir aus dem Herzen sprechenden Artikel von Prof. Dr. Kai Röcker aus Freiburg.
Kai Röcker, früher selbst ein sehr guter Mittelstreckler, hat in der Ausgabe 12/2008 der "Deutschen Zeitung für Sportmedizin", einmal die wahren erzielten Resultate eines Läufers, die errechneten Ergebnisse von Laktattests verschiedener Schwellenkonzepte gegenüber gestellt. Der Titel seiner Arbeit lautet: "Streit um des Kaisers Bart: Welche Laktatschwelle ist die beste?"
Und sein wunderbares Fazit möchte ich hier auch schon vorweg schicken: "...warum der Streit um des Kaisers Bart inzwischen eigentlich hinfällig würde: Möglicherweise gibt es gar keinen Kaiser..."
Natürlich wirst du dich fragen, warum denn nun die Laktattests so häufig angewandt werden. Diese ganzen Leute können doch keine Dummköpfe sein. Sind sie auch nicht. Im Gegenteil, die Wissenschaftler versuchen natürlich ihr Bestes, streiten sich mit anderen um Konzepte und versuchen genau zu ergründen, was Laktat bewirkt und wie es wirkt.
Leider ist das für uns wenig hilfreich. Wir wollen genau wissen, mit welchem Tempo wir trainieren und wie wir unsere Rennen angehen können. Dafür bezahlen wir und wenn die Untersuchenden keine sicheren verwertbaren exakten Resultate liefern können (was sie natürlich ständig versprechen), dann sparen wir uns besser das Geld.
Das gilt für viele andere Sportarten aber nicht. Wenn ein Fußballtrainer die Form seiner Mannschaft überprüfen will, dann wird er sie keinen 10 km-Tempodauerlauf rennen lassen. Er macht einen Laktatstufentest und vergleicht diesen mit den früheren Tests. So findet er schnell heraus, wer etwas "drauf" hat oder nicht.
Eine Schwelle, aus der er die verschiedenen Trainingstempi errechnet, wäre hilfreich für ihn, aber nicht unbedingt nötig. Dazu reicht auch ein Pulser. Und wenn der Test immer mit den selben Personen und Material und unter gleichen Umständen vorgenommen wird, verringert sich auch die Fehlerquote und damit wird die Aussagekraft größer.
In nächsten Newsletter werden wir die Sache noch etwas weiter vertiefen. Du kannst dich auf einen hochinteressanten Artikel gefasst machen.