Puls und Laktat = Pech und Panne. Mit diesem etwas aggressiven Titel möchte ich in den nächsten Wochen einmal aufzeigen, in welche Fallen du laufen kannst, wenn du die beiden häufigst genutzten Messmethoden zur Trainingssteuerung auch im Wettkampf benutzt. Ich werde hier auch erklären, warum die Messungen der Herzfrequenz (Puls) und des Laktats so eng mit einander verbunden sind. Aber dazu später mehr.
Der Entschluss wieder einmal den Schmier von der Scheibe mit der Sicht auf beide Verfahren zu wischen, kam mir, als ich in der letzten Woche eine Mail eines Greif-Club-Mitglieds bekam, der über seine neue Marathon-Bestzeit berichtete. Er schrieb dann aber im Nachsatz: "Ich werde jetzt erst einmal meine maximale Herzfrequenz überprüfen, denn ich bin die erste Hälfte des Marathons mit 88 und und in der zweiten sogar mit 91% des Höchstpuls gelaufen. Ich habe einen Höchstpuls von 190, der kann so nicht mehr stimmen, der muss viel höher liegen."
Ich schrieb ihm dann zurück: Du kannst den Höchstpulstest (= maximale Herzfrequenz = HFmax) gerne machen, aber da wird nicht viel dabei heraus kommen. Dein Höchstpuls liegt im richtigen Bereich.
Warum war ich mir so sicher, dass bei diesem Läufer nicht ein falscher Wert beim Höchstpuls vorlag? Denn die Wissenschaft sagt doch, dass Marathon nur bis höchsten 86% der HFmax gelaufen werden kann. Wer schneller rennt, der bricht ein. Dieser Läufer war aber im zweiten Halbmarathon mit 91% unterwegs und lief Bestzeit. Da muss doch etwas faul sein!
Ja, faul ist der Glaube an die Genauigkeit der Pulsmessung. Unser Läufer ist Ende 30, damit liegen seine 190 ziemlich genau im rechnerischen Rahmen. Aber es gibt durchaus einige wenige Läufer(innen), die auch noch in diesem Alter auf über 200 Puls kommen, aber wie gesagt, kommt das sehr selten vor.
Wenn er mit 91% von 190 unterwegs war, dann lief er im Schnitt mit 173 Herzschlägen in der Minute. Wenn wir aber nun annehmen, dass seine HFmax falsch und diese 173 als 85% von seiner wahren HFmax annehmen, dann müsste seine angenommene maximale Frequenz bei 204 liegen. Da unser Läufer früher schon einmal seine HFmax ausgetestet hat, behaupte ich: Seine HFmax kann sich unmöglich nach Jahren von 190 auf 204 erhöht haben.
Laktattests
Wie kann denn nun aber unser Marathonläufer mit 91% HFmax in Bestzeit durchlaufen? Da stellt sich uns die Frage, wie wird denn eigentlich ermittelt, das jemand nur bis 86% HFmax einen Marathon durchstehen kann? So etwas macht man mit Laktattests. Dort läuft man mit steigender Belastung auf einem Laufband und in immer gleichen Zeitabständen wird Blut abgenommen und auf Laktat untersucht.
Irgendwann wird dieser Laktatgehalt im Blut so hoch, dass die Belastung abgebrochen werden muss. Der Gemessene ist "sauer"! Aus den Messresultaten wird eine Kurve erstellt und dann ein Bereich festgelegt bis zu welchem Laktatgehalt im Blut der Betroffene dauerhaft laufen kann, ohne sauer zu werden. Man nennt das dann die aerob/anaerobe Schwelle. Da neben der Laktatmessung auch die Herzfrequenz mitläuft, weiß man nach der Messung, dass die aerobe Schwelle bei der man per Definition auch noch einen Marathon laufen kann zwischen 84 und 86% der HFmax liegt.
Die Lakattests sind so grausam ungenau, dass sich jeder Messende eigentlich schämen muss, dem Untersuchten entsprechende Trainings- und Wettkampfempfehlungen mitzugeben. Fachleute sprechen von +/- 5% Ungenauigkeit. Ja, du liest richtig! Nun stell dir nur vor, du machst einen Test und die Untersucher sagen dir, dass du im Mittel etwa über die 42,2 km einen 5 min-Schnitt laufen kannst. Dann kann aber sein, dass sowohl 4:45 wie auch 5:15 min/km richtig sein können. Das sind 30 sec Differenz. Jede Wette, dass du es selbst besser schätzen kannst.
Aus folgenden Gründen sind Laktattests so ungenau:
- Es werden unterschiedlich Messgeräte (Photometer) zur Auswertung benutzt, jedes davon ergibt andere Werte
- Die verschiedenen Chemikalien und Methoden mit denen analysiert wird, ergeben differente Resultate
- Es gibt verschiedene Schulen (Unis), die Schwellenwerte unterschiedlich festlegen
- Die Laufbänder auf denen gemessen wird, haben abweichende Steigungen je nach Schule und Programm, um den fehlenden Windwiderstand auszugleichen
- Auch die Blutzapfer haben Einfluss auf das Resultat, durch Drücken des Ohrläppchen beim Probennehmen kommt es zu Fehlern
Wenn ich weiter nachdenken würde, kämen mir noch mehr Fehlerquellen in den Sinn. Dazu solltest du wissen, dass ich früher ein begeisterter Nutzer von Laktattests war. Während unserer Trainingsurlaube führten wir 100-te von Feldtests durch. Ich gab die Sache aber auf, als ich erkannte, wie unscharf die Resultate waren. Es war mir möglich, mit einer selbst entwickelten Formel die Marathonzeiten wesentlich genauer vorherzusagen, als dies ein Laktattest analysieren konnte und kann.
Pulsmessung
Und wie ist das nun mit der Pulsmessung? Kann man sich auf diese im Rennen wenigstens verlassen? Dazu passt eine Frage, die mir schon vor mehreren Jahren gestellt wurde. Sie wird nachfolgend zusammen mit meiner Antwort aufgeführt:
Frage eines Greif-Club-Mitglieds: "Ich kenne meinen Maximalpuls und meinen Ruhepuls exakt. Kann ich daraus den optimalen Wettkampfpuls für Marathon, Halbmarathon und einem 10 km-Lauf bestimmen? Ich kenne die Regel, dass der Marathonpuls zwischen 82 und 88% der max. Herzfrequenz liegt. Der Puls für den 10 km-Lauf ist dann 5 Schläge höher. Stimmt das? Oder kann ich Marathon bis zum Puls laufen, den du angibst, mit dem Vermerk "Du läufst im aeroben Bereich bis ..."?"
Hast Du Erfahrung darin, wie man Marathon oder Halbmarathon nach Pulsmesser läuft? Für das Training macht es meiner Meinung einen Sinn, damit man weiß, ob das Wunsch-Renntempo zur ermittelten Herzfrequenz passt?"
Antwort: Beim Marathon kann man eine leidlich zutreffende Aussage für den Anfangspuls machen. Bei gut trainierten Läufern(innen) (< 3:00 h) sind 85% vom Höchstpuls immer ein guter Tipp. Keinesfalls aber sollte dieser Puls über die ganze Strecke gehalten werden. Das würde dazu führen, dass das Tempo am Ende immer weiter absinken würde. Ich bin vor Jahren einmal einen Marathon gelaufen, bei dem ich während des ganzen Wettkampfs einen Pulser trug, diesen aber im Rennen nicht beachtete. Die grafische Auswertung ergab einen Puls auf den ersten 15 km mit einer Tendenz von 156 Schlägen (ziemlich genau meine 85% vom HP). Die Tendenz lief bei behutsam erhöhtem Tempo langsam bis km 25 auf 159 Pulse, um danach aber bei jetzt gleichbleibender Geschwindigkeit immer steiler anzusteigen. Bei km 30 waren es schon 162. Ab diesem Punkt wurde ich jeden km etwa um 2 - 3 sec langsamer und der Puls stieg unerbittlich weiter an. Am Ende waren 168 erreicht, bei bis zum Ziel leicht abfallender Renngeschwindigkeit.
Ähnliches kann man im Training bei den 35 km erleben. Am Anfang laufen Puls und Geschwindigkeit parallel. Oberhalb der 25 km fängt das Herz bei gleichbleibender Geschwindigkeit immer schneller an zu schlagen und kann auch die 88 - 92% vom Höchstpuls erreichen, obwohl das Tempo bei solch einem Trainingslauf niemals in die Nähe des Renntempos kommt.
Was passiert da nun eigentlich? Warum schlägt mein Herz schneller, wenn ich langsamer laufe? Die Antwort kann nur in Abschätzung der Stoffwechsel- und Muskelsituation gegeben werden. Dazu sollte uns klar werden, dass die Herzfrequenz ein Abbild der allgemeinen Belastung des Körper und nicht der Muskelarbeit ist.