Ausführlich berichteten wir in den letzten Wochen über "Holger Meier", die Kunstfigur unseres persönlichen läuferischen Gegners.
Der Kontakt zu anderen Läufern ist jedoch auch in einem völlig anderen Bezug ein echter Gewinn! Je nachdem, welche läuferischen Ziele du verfolgst, kann es dich nach vorn bringen, dich im Training mit anderen zusammen zu schließen.
In einem von mir verfassten Newsletter vor etwa einem Jahr ging es um die Motivation zum Laufen. In der Regel hat man es mit Trainingspartnern einfacher, diese Motivation aufzubringen und sich zum Laufen aufzuraffen. In meinem heimischen Lauftreff ist die Trainingsbeteiligung oftmals bei ungemütlicher Wetterlage die beste! Auch fällt es vielen von uns Läufern meist mit Begleitung leichter, harte Einheiten zu absolvieren und bis zum Ende zu bringen. Ich schäme mich ein bisschen, gebe aber an dieser Stelle zu, dass auch ich schon mal ein allein gelaufenes Tempotraining abbrach, weil ich einfach keine Lust mehr hatte und eine Fülle lachhafter Ausreden erfand, diese Einheit nun nicht zu Ende zu laufen :-) Mit Trainingspartner oder gar in der Gruppe wäre das niemals passiert!
Kennst du das? Du läufst deine lange Runde und es sollen in der Marathonvorbereitung eigentlich 35 km sein. Jetzt im Februar erwischt du einen nasskalten Samstag mit Schneematsch an den Füßen und einem Wind, der immer von vorn kommt, egal in welche Richtung du läufst. Du beginnst bereits bei km 8 der Runde die noch verbleibenden Kilometer rückwärts zu zählen und deine heiße Badewanne frohlockt. An einer den Wegverlauf entscheidenden Kreuzung sitzen auf einmal Engelchen und Teufelchen auf deiner Schulter. Engelchen erzählt dir etwas von der Notwendigkeit der langen Runde für deinen erfolgreichen Frühjahrsmarathon. Teufelchen entgegnet, dass der Lauf noch 2 Monate entfernt ist und 30 km heute auch reichen. Schließlich mussdu dich erst langsam an die Belastung anpassen. Die Argumente von Teufelchen sollen schon manch einem von uns überzeugt haben und der Lauf wurde verkürzt.
In der Gruppe hingegen will sich meist niemand die Blöße geben. Außerdem ist eine Läufergruppe oft über weite Streckenteile in anregende Gespräche vertieft, so dass die Kilometer fast an uns vorbeifliegen. Vorletzten Samstag liefen wir in einer Gruppe von 4 Männern unsere 35 hügeligen km. Wir hatten beinahe oben beschriebenes Wetter. Bis auf Einen von uns hatte jeder an anderer Stelle der Runde einen Hänger und Teufelchens Stimme wurde lieblich. Mit dummen Sprüchen einer Männergruppe oder auch Gesprächen über einen gemeinsamen "Holger-Anwärter" hielt man die Stimmung trotzdem hoch und die Runde wurde ohne Tempoverlust zu Ende gelaufen.
Im Einsteigerbereich kann das Gruppentraining zu unverhofften Formvorstößen führen. Als wir in unserem Dorf vor 3 Jahren einen Lauftreff gründeten, nahmen zu Beginn überwiegend Läuferinnen und Läufer teil, die vorher nur selten mehr als 30 bis 45 min am Stück gelaufen sind. Diese Dauer wurde von uns anfangs im Training auch nicht überschritten. Die Stimmung während des Laufes war jedoch immer gut und nach nur wenigen Wochen stellten wir uns an bestimmten Kreuzungen die Frage, ob wir hier noch eine kleine Schleife dranhängen, bevor wir nach Hause laufen. "Kommst du noch eine Runde zum Wald mit oder ist es dir heute etwa zu kalt draußen?" Das lassen sich nur wenige gefallen. Nicht jeder, aber einige sind dann ungeplant aber guten Mutes mit auf die Zusatzrunde gekommen. Diejenigen, die direkt nach Hause liefen, sind beim nächsten Mal mitgekommen. Aus kleinen Schleifen wurden große Schleifen und bereits im ersten Winter sind auf diese Weise mehrere Laufanfänger in unserem heimischen, zum Teil anspruchsvollen Gelände, im angepassten Tempo 2 Stunden am Stück gelaufen. Für viele noch wenige Wochen zuvor undenkbar. Immer wenn es wieder jemand schaffte, wurde er mit "Willkommen im Club der 2 Stundenläufer" begrüßt. Unter unseren Anfängern verursachte das einen ungemeinen Schub des läuferischen Selbstbewusseins. Ihnen wurde bei dieser Gelegenheit klar, dass 2 Stunden am Stück laufen bedeutet, die Halbmarathondistanz ist zu schaffen. Einige meldeten sich daraufhin für einen größeren Halbmarathon in unserer Nähe an und diese Selbstverpflichtung führte zu weiterem konsequent durchgeführten Training. Diejenigen, die wollten, steckten ihre Ziele dann höher. Andere freuten sich über das für sie zufrienden stellende läuferische Niveau und hielten es in der Zukunft.
Manche Läufer haben nicht die Möglichkeiten, mit anderen zusammen zu laufen. Arbeitszeiten oder private Verpflichtungen sind zu unterschiedlich. Trotzdem können sich im Verborgenen eine Art "Fernduelle" entwickeln. "Was, d hast heute schon 15 km Tempodauerlauf gemacht?" Da kann man sich selbst natürlich nicht lumpen lassen und schnürt noch am gleichen Tag die schnellen Schuhe.
Vielerorts sind die Schnellen unter den wettkampforientierten Läufern einzeln über fast alle Vereine der Gegend versprengt. Mangels unmittelbarem Kontakt zur Konkurrenz bewegt sich in diesen Gegenden unter diesem Personenkreis manchmal nicht viel. Jeder dieser Läufer ist in seiner heimischen Gruppe der Platzhirsch, der sich zu keinem Zeitpunkt neu beweisen muss. Vielleicht auch aus diesem Grund stagnieren dadurch manche in ihrer Leistungsentwicklung. Was meinst du, was passiert, würde sich ein weiterer schneller Läufer diesem Verein anschließen?
Die lokalen Kräfte können auch gebündelt werden, wenn die einzelnen Athleten der jeweiligen Vereine gelegentlich gemeinsam trainieren. Man trifft also nicht nur im Rennen aufeinander, sondern absolviert zusammen die lange Runde oder das Tempotraining. Auf diese Weise wird unter Umständen in einer anderen Schärfe gelaufen, als zu Hause im Freizeitlauftreff, wo die anderen unter Umständen andere Ziele verfolgen und sich der Leistungsläufer nicht wegen seiner Trainingsumfänge und -inhalte rechtfertigen muß. Dieses gelegentliche gemeinsame Training unter vermeintlichen Konkurrenten kann wunderbar funktionieren, sofern man sich sympathisch ist. Auf diese Weise können gemeinsame Wettkampfplanungen aufgestellt werden, in dessen Rennverlauf sich die Läufer zu persönlichen Spitzenleistungen anstacheln können. In der Regel ist allen hinsichtlich der Endzeit mehr geholfen, sie würden gebündelt in einem verabredeten Rennen starten, als liefe jeder irgendwo in der Walachei allein vornweg einen Volkslauf.
Natürlich birgt das Gruppentraining auch Risiken in sich. Es besteht ständig die Gefahr, immer im gleichen Lauftreff-Schlurfschritt zu "trainieren". Ohne echte Belastungsspitzen, ohne echte Erholung. Mitte der achtziger Jahre lief ich als Jugendlicher in einem Kleinstadtverein mit einer Gruppe von ambitionierten Sportlern grundsätzlich ähnlicher Leistungsfähigkeit. Wir hatten mangels Anleitung im Prinzip keine Ahnung, was wir da trainierten, wenn wir auf der Piste waren. Zwar sind die schnellsten von uns nach heutigen Maßstäben richtig gute Zeiten gelaufen, aber im gemeinsamen Training trotteten wir immer gleichförmig unseren Fünfer-Schnitt durch den Wald. Irgendwann erschreckte sich noch nicht einmal mehr das Wild ob diesem täglichen Einerlei. Einige von uns absolvierten allein ein Tempotraining. Zum Teil sehr scharf gerannt. Am nächsten Tag wieder in der Gruppe im Fünfer-Schnitt gelaufen waren sie völlig fertig. Für eine Regeneration war es einfach zu schnell für diese Läufer.
Richtig rund ging es im Frühjahr 1986. In der damals noch erhältlichen Fachzeitschrift "Marathon aktuell" erschien ein ausführlicher Marathon-Trainingsplan eines gewissen Peter Greif. Ein Plan, der alles uns damals bekannte in tiefschwarzen Schatten stellte. Wir bekamen Schaum vor dem Mund beim Lesen der Planerläuterungen. Unsere Ziele waren für die kommende Saison schnell fokussiert. Nicht jeder traute sich, diesen Plan umzusetzen, einige griffen jedoch im Frühjahr an und ihre Leistungen explodierten. Andere aus unserer Gruppe zogen nach. Der Fünfer-Schnitt wurde für unsere Gruppe eine fremdartige Bewegungsform in der direkten Marathonvorbereitung. Es gab Zuckerbrot und Peitsche. Bei den Wiederholungsläufen haben wir uns sinnbildlich fast zerfleischt, um andererseits aber an den darauf folgenden Erholungstagen zurück im völligen Läuferfrieden gemütlich zu joggen.
Das Gruppentraining hat je nach Zielsetzung und persönlichem Charakter des Sportlers Vor- und Nachteile für den jeweiligen Läufer. Ich persönlich bevorzuge eine Mischform. Ich genieße die Dauerläufe allein durch die Landschaft, in denen ich meinen Gedanken nachhängen kann. Anderseits macht gerade das stark fordernde Tempotraining mit mehreren Läufern viel Spaß. Probiere es einfach für dich passend aus.
Jetzt, Ende Februar hoffen wir auf den Frühling. Bestimmt sind bereits bald einige Tage für uns dabei, an denen wir in kurzer Hose trainieren können. Freuen wir uns darauf!