Deinen persönlichen Holger Meier hast Du bestimmt nach den letzten Newslettern im Visir. Und wenn noch nicht klar definiert, hast Du bestimmt bereits eine Peilung aufgenommen. Ich selbst tat mich in den vergangenen Jahren zu meinem Leidwesen ein wenig schwer, ein läuferisches "Feindbild" für mich auszumachen. Diejenigen, die ich als solche zunächst ausmachte, erwiesen sich "leider" als dufte Typen, die ich eher als Taufpate meiner Kinder gesehen hätte, als sie zur Ursache jeglicher läuferischer Agression meinerseits zu benennen.
Unendlich nun meine Freude, einen Läufer im geografischen Einzugsbereich gefunden zu haben, den es zu schlagen gilt. Er qualifizierte sich als mein Holger Meier dadurch, daß er aus meiner Sicht auch bei völlig unbedeutenden lokalen Volksläufen, ja sogar nur Turnfesten, einen Riesenauftritt hinlegte.
Die neueste Marken-Laufbekleidung farblich aufeinander abgestimmt, gewissenhaftes Aufwärmprogramm auch beim unbedeutendsten Kirmeslauf. Dazu echte Siegermiene mit einem Ausdruck, der lauten könnte, "Was qualifiziert euch überhaupt, mit mir in einem Rennen zu starten?" Sein schlanker und trotzdem definiert muskulöser Körperbau untermalt dieses Erscheinungsbild für meine Augen. Und: Noch ist dieser Typ schneller als ich. Zwar wird er bald meinen heißen Atem im Nacken spüren, er läuft aber noch in Front, so daß mich dieser Umstand noch viel galliger macht.
Je häufiger ich mit ihm spreche, umso mehr befürchte ich zwar, dass auch dieser Holger-Anwärter tief in seinem Herzen ein Pfundskerl ist, aber solche Gedanken versuche ich zu verdrängen, wenn ich ihn am Start sehe... :-)
Meine komplette läuferische Entwicklung hat durch das Vorhandensein eines "Holger" in der Schulzeit ihren Beginn gefunden. In der 2. Klasse, als damals 8-jähriger, mußten wir für das Sportabzeichen 800 m laufen. Mein bester Schulfreund Torsten, seinerseits Fußballer, was aus heutiger Sicht für manch einen Läufer an sich schon einen hohen Holger-Faktor hat, und ich liefen vor der ganzen Klasse mit großem Abstand vornweg. Meistens ich voran, Fußball-Torsten direkt hinter mir. Er war allerdings mit erheblich höherer Grundschnelligkeit gesegnet und hängte mich diesmal und danach für all die Schuljahre immer auf den letzten 200 m überlegen ab. Ich kann mich in 10 Schuljahren an keinen einzigen Lauf erinnern, an dem ich die Nase vor Fußball-Torsten hatte. Schon dieses Erlebnis als 8-jähriger hat bei mir verursacht, damals ein ungezieltes Lauftraining ohne Trainer oder Anleitung der Eltern aufzunehmen, nur um meinen allerbesten Schulfreund im Laufen zu schlagen!
Heute bin ich froh darüber. Dieser so lieb gewonnene Sport füllt einen wesentlichen Teil meines Lebens aus.
Mit einer gewissen Spitzbübigkeit stelle ich allerdings fest, daß ich selbst in meinem nahen Umfeld der zu schlagende Holger Meier bin.
In meinem Heimatverein trainieren mehrere Männer, die grundsätzlich die gleiche Leistungsfähigkeit wie ich selbst haben. Durch verschiedene günstige Umstände bin ich allerdings in gemeinsam gelaufenen Rennen in diesem Personenkreis bisher ungeschlagen. Mein Holger-Faktor scheint vor allem meine Statur zu sein. Bei 1,82 cm Größe wiege ich 80 kg und habe etwa 15,5% Körperfett. Gesundheitlich wohl völlig unbedenklich, für einen Läufer mit Leistungsambition keineswegs optimal.
Und wenn meine Laufkollegen mal wieder mein Ernährungsverhalten beanstanden, habe ich für sie folgenden nicht ganz ernst gemeinten Spruch schon als Standard zum Mitsingen parat: "Ist es eigentlich sehr peinlich, von einem Dicken abgehängt zu werden?" Das macht sie rasend. Ich weiß, meine Zeit der Überlegenheit ist nur noch eine Frage von wenigen Wochen, da meine Freunde erst am Beginn ihrer läuferischen Entwicklung stehen. Es ist völlig klar, dass sie mich bald nach hinten durchreichen. Ich genieße diese Zeit jedoch sehr und freue mich, als Gründer und Mentor dieser Laufgruppe durch meinen Holger-Faktor zur Leistungsentwicklung beigetragen zu haben... :-)