Nachdem ich letzte Woche etwas zum Thema Motivation und inneren Verschleiß geschrieben habe, hatte ich angekündigt, darüber zu berichten, wie ich persönlich damit umgegangen bin. Ich bin nämlich in keiner Weise derjenige, der über 20 Jahre jedes Jahr mit höchster Intensität größte läuferische Ziele angegangen ist. Daher habe ich die im letzten Beitrag erwähnten Läufer sehr bewundert.
Angefangen die Laufschuhe zu schnüren habe ich mit 23 Jahren. Bis 29 habe ich mit größter Konsequenz trainiert. In diesem Alter konnte ich auch alle meine Bestzeiten erzielen. Dann war erstmal Schluß. Vor allem meine Steigerung über 10 km auf 32:38 min war so groß und kam für mich so überraschend, das ich damals kein weiteres Steigerungspotential sah. Sicherlich war das ein Trugschluss, aus heutiger Sicht wäre eine 31er Zeit möglich gewesen. Aber so kam der Entschluss, es ruhiger angehen zu lassen und andere Sachen auszuprobieren. Für mich war dies genau der richtige Weg, da ich so im Inneren das Lauffeuer immer erhalten konnte. Körper und Geist konnten jedoch vollständig regenerieren und abschalten.
Ich habe anschließend fast jede verrückte Abenteuer- und Wassersportart ausprobiert. Dabei zwischenzeitlich auch mal 10 kg zugelegt. Das waren immer Phasen von 1-2 Jahren, in denen ich natürlich die Laufschuhe nicht vollständig verbannt habe. Nur eben ohne Plan, ohne Tempo und ohne Regelmäßigkeit. Anschließend gab es wieder irgendein läuferisches Ziel. Die Motivation dafür war dann jedesmal wieder sehr hoch, ich bin es mit aller Kraft angegangen.
Auf diese Weise gelangen mir dann mit über 40 Jahren auch noch ganz brauchbare Ergebnisse. Ich erinnere mich an die norddeutsche Meisterschaft 2005 (mit 41) im 10 km Straßenlauf, als wir mit dem OSC Berlin norddeutscher Meister (das war das Ziel) in der AK40/45 wurden. Dabei liefen wir zu dritt alle knapp über 34 min. Im gleichen Jahr gelang mir im Winter bei der Berliner-Hallenmeisterschaft auch eine 9:16 min über 3000 m. Das war jetzt nicht so weit entfernt von meiner Bestzeit (8:56 min), die zu diesem Zeitpunkt bereits 12 Jahre zurücklag. Ich war damals so heiß auf diese Wettkämpfe, das kann ich gar nicht beschreiben. Dabei habe ich noch folgenden kleinen Motivationstrick direkt vor den Wettkämpfen angewendet. Musikalisch stand ich da eher auf „Tango Argentino“ oder „Grönemeyer“ und hörte beim Laufen sonst NIEMALS Musik. Zum Einlaufen und Dehnen jedoch peitschte ich mich aber vor jedem Wettkampf zu dieser Zeit mit „Rammstein“ auf. Volle Lautstärke. Das führte dazu, das mir das Adrenalin am Start schon Unterkante Oberlippe stand und aus den Schuhen schwappte. Nach dem Startschuss gab es kein Halten mehr.
Ein Jahr später bescherte mir wiederum ein neues Ziel (Ironman) die wohl beste Ausdauer-Form meines Lebens. Ein läuferisches Ziel hätte mir die Motivation zu dieser Zeit nicht bringen können. Aus dem extrem umfangreichen Triathlon-Training konnte ich 2006 (mit 42) bei einem 10 km Straßenlauf in Berlin eine 33:30 min laufen. Auch das lag nur 50 sec. über meiner Bestzeit von 13 Jahren zuvor. Mit mehr spezifischem Lauftraining wäre auch zu diesem Zeitpunkt mehr möglich gewesen.
Du siehst also, das mit Motivation und neuen Zielen über viele Jahre gute Leistungen möglich sind. Dabei schaden auch Auszeiten nichts. Im Gegenteil, meiner Meinung nach machen sie den Kopf frei für anschließende neue Angriffe auf Bestzeiten und Platzierungen. Keine Angst, dein Körper vergisst auch Jahre zuvor absolviertes Training nicht. Nicht ein Einziges! Das ist dann aber eher etwas zum Thema Regeneration, um das es nächste Woche geht.
Nun zum angekündigten Selbstversuch. Nach etlichen Überlegungen interessiert es mich aber doch, wie es mit meiner eigenen Motivation und Leistungsvermögen nach 32 Jahren aussieht. Schreiben kann man vieles. Daher werde ich es selbst ausprobieren und im August nochmal in ein gezieltes Training bis zum Frühjahr einsteigen. Die Rahmenbedingungen dabei sind folgende:
- ab nächstem Jahr starte ich in der M55
- letztes halbwegs kontinuierliches Training (ca. 90 km pro Woche): 2011/12
- letzter ernsthafter Wettkampf: 10 km in Burg (Spreewald) 2012: 36:04 min
- letzter Wettkampf ohne Training (ca. 40 km Joggen pro Woche): 10 km in Zwickau 2017: 39:20 min
Ich habe keine Ahnung was möglich sein wird. Ziel sind 2 Wettkämpfe im März/April über meine Lieblingsstrecke, die 10 km. Um mich ordentlich unter Druck zu setzen, nehme ich mir eine 35er Zeit vor. Also eine Zeit, die ich seit über 10 Jahren nicht mehr gelaufen bis. Glaube mir, ich weis was dafür notwendig ist und ich habe einen entsprechenden großen Respekt davor. Aber wenn schon, dann ein hohes Ziel. Mich hier zu blamieren ist ja weitere Motivation ;-))
Ich werde dich dann an dieser Stelle an meinem Training teilhaben lassen. Vielleicht motiviert es dich ja, selbst nochmal anzugreifen!