Immer wieder werde ich von Greif-Club-Mitgliedern oder anderen Newsletter-Lesern auf mein persönliches Laufprojekt angesprochen. Viele fühlen sich motiviert wenn sie wissen, der Trainer arbeitet auch an irgend etwas. Daher möchte ich heute mal wieder darauf eingehen und über den aktuellen Stand berichten.
Wenn du diesen Newsletter regelmäßig verfolgst, dann weist du über meine Ausgangssituation sowie über das läuferische Ziel Bescheid. Wenn nicht, dann findest du Infos darüber hier. Das läuferische Ziel ist etwas verrückt, nämlich eine Zeit knapp unter 36 min in der AK 55. Was mich allerdings dazu bewogen hat, ist die (in vielen Anfragen auftretende) Frage, ob und wie man sich nach Jahrzehnten im „Geschäft“ noch motivieren kann.
Das erste Update gab es am 26.03.2019. Dort berichtete ich von den vom Winde verwehten 38:06 min beim 10 km City-Lauf in Dresden. Seitdem sind ja doch einige Monate ins Land gegangen und die Fragen wurden nicht weniger.
Unmittelbar nach dem Dresdner Lauf lies die Motivation etwas nach, der Trainingsumfang ging im April deutlich herunter. Es zwickte immer wieder hier und da oder kratzte im Hals. So beschloss ich meinen Kite-Urlaub Ende April/Anfang Mai zur Regeneration in der Wärme zu nutzen und lief in dieser Zeit gar nicht. Im Nachhinein musste ich analysieren, dass meine Mittelohr-Entzündung Anfang Januar meinen Körper doch sehr lange beschäftigt hat. Die Folge waren muskuläre Probleme im 2 Wochen-Rhythmus. Nach spätestens 2 Tempoeinheiten war das nächste Problem da und der Physio musste ran. Der Ruhepuls war lange Zeit deutlich erhöht. Kein gutes Zeichen. Das Thema „Seuchenjahr“ wird demnächst ein Newsletter-Thema werden.
Erst Mitte Juli, mit dem Beginn unseres Familien-Sommerurlaubs in der Türkei war die Motivation wieder da. Ab dort ging es bergauf. In den 4 Wochen ab Mitte Juli absolvierte ich täglich ein Athletiktraining mit einer Dauer von 20-25 min. Nach einer Woche auf dem Ergometer und Ellipsentrainer (aufgrund von Blasen an beiden Füßen zugezogen beim Athletiktraining) lief ich ab der letzten Juli-Woche wieder. Bis heute täglich (!) mindestens 10 km. Gleichzeitig stellte ich meine Ernährung ein weiteres mal um.
Die Monats-Laufumfänge stiegen wieder an, nicht üppig und das was ich wollte, aber mit 411 km im Oktober mein bester Monat in 2019. Ich suchte mir mit dem Dresden-Marathon am 27.10.2019 einen weiteren 10 km Wettkampf. Ich nahm mir vor, die letzten 6 Wochen nach unserem eigenen 10 km Greif-Jokerplan mit einer Steuerzeit von 37:30 min zu trainieren. Start dazu war am 16.09.2019. Die Wochen bis zum Start des Jokerplans liefen ganz gut.
Am ersten Tag des 6 Wochen-Plans stand ein 10 km Testlauf auf dem Programm, ich wollte gleich die 40 min knacken. Ich ging übermotiviert zu schnell an und musste ihn bei km 8 abbrechen, da die km-Zeiten schlagartig auf deutlich über 4:00 min/km abfielen. Ab da lief es aber von Tag zu Tag besser. Egal ob 1000er, 2000er oder 3000er Intervalle, ich konnte meine Zeiten weitgehend einhalten und sie wurden von Training zu Training schneller. Highlights waren ein 10 km Lauf in Form von 17x400m TL mit 200m Temporeduktion in 40:07 min, mehrere 25 km Tempowechselläufe (5 km langsam und 5 km schnell im Wechsel), der letzte in 1:53 h mit einer lockeren HM-Durchgangszeit von 1:34 h. 2 Wochen vor dem 10 km Wettkampf lief ich den zweiten 10 km Testlauf in 39:20 min.
Um es kurz zu machen: am Wettkampftag blies in Dresden wie im Frühjahr ein Wind von ca. 25 km/h (in Böen mehr) aus westlicher Richtung. Das bedeutet, dass man auf den letzten 3,5 km entlang der Elbe zurück zum Ziel voll im Wind stand. Ergebnis: 38:35 min. Wenn ich die 81 Hm aufwärts (77 Hm abwärts) ebenso berücksichtige wie die mindestens 8% Geschwindigkeitsverlust (bei 15 km/h Wind) auf den letzten 3 km (je 15-20 sec) dann war ich ganz zufrieden. Zumal ich auf diesen letzten km immer noch Läufer überholte und es andere, auch schnellere Läufer noch deutlicher beutelte. Bis km 5 (18:40 min) lief ich kontrolliert hinten in einer Gruppe. Kurz hinter km 5 lief ich nach vorn aus der Gruppe heraus, da ich eine schnellere 2 Hälfte laufen wollte… Immerhin gewann ich bei insgesamt knapp 1000 Herren am Start die AK55, hätte auch die M50 gewonnen und wäre in der AK 40 und 45 jeweils Zweiter geworden.
Was habe ich dennoch aus Training und Wettkampf mitgenommen?
1.) Es läuft wieder deutlich besser und lockerer. 2.) Das tägliche Training ist problemlos möglich. 3.) 2 sehr intensive Tempoeinheiten pro Woche plus der lange Lauf als Tempowechsellauf waren kein Problem. Die Regeneration erfolgte sehr schnell. 4.) Vor allem die langen Läufe liefen tempomäßig gut. 5.) Ich blieb komplett gesund und verletzungsfrei! Ohne das kleinste Muskelproblem, ohne schmerzende Gelenke, ohne Muskelkater, ohne Blasen, ohne Erkältung. Nach dem Frühjahr eine Überraschung.Was habe ich anders gemacht als im Frühjahr?
1.) Die Mittelohr-Entzündung im April/Mai komplett auskuriert, auch durch die erhöhte Einnahme von Selen (entzündungshemmend!). 2.) Ernährung ab Juli nochmals umgestellt. Auch dazu gibt es nochmal Beiträge in den kommenden Newslettern. 3.) Ich habe mein NEM-„Portfolio“ erweitert. U.a. verstärkt L-Arginin, welches die Blutgefäße weitstellt wodurch mehr Sauerstoff transportiert werden kann. 4.) Nach jeder Trainingseinheit für 3-4 h Compression Calf Sleeves übergestreift. So hatte ich weder Muskelkater noch Muskelprobleme in den Waden. 5.) Am Beginn der Trainingsphase 4 Wochen täglich Athletik, danach 1-2 mal pro Woche.Was passierte als Anpassung?
- Der VO2max stieg von 58 (Mai) auf 65 (November)
- Der Ruhepuls fiel von 53 (Jan/Feb) auf 42 (von Garmin angezeigter Durchschnittswert). Der angezeigte Wert den ich jeweils vor dem Aufstehen messe, liegt wie früher bei 39 Schlägen pro Minute. Der hohe Ruhepuls im Jan/Feb ist mit Sicherheit auf die Mittelohr-Entzündung zurückzuführen.
- Seit Anfang August gelingt es mir nicht mehr, einen Lauf über 5:00 min/km zu absolvieren. An ganz schlechten Tagen liegt das Tempo bei 4:57 min/km mit einem Durchschnittspuls von 107.
- Die vollständig auskurierte Entzündung, die Ernährungsumstellung sowie das umfangreiche Athletiktraining führten m.E. zur Verletzungsfreiheit.
Hier mal meine kompletten aktuellen Daten:
Alter: 55 Jahre
Größe: 180 cm
Gewicht: 66 kg
Ruhepuls: 39
VO2max: 65
Aus meiner Sicht und meinem subjektiven Empfinden geht es voran. Die Dresdner Zeit gibt mir Mut, ich schätze sie aufgrund der Bedingungen höher ein als die Zeit aus dem Frühjahr. Ich gebe mich noch nicht geschlagen ;-) auch wenn die 36 min ein echtes Brett sind. Wer eine windgeschützte schnelle 10 km Wettkampfstrecke im Frühjahr kennt, der lasse es mich bitte wissen ;-)
Trotzdem gab es Einiges was mich zum Grübeln gebracht hat. Der schnellste 1000er lag im Training bei 3:31 min, der schnellste 2000er bei 7:19 min. Wenn ich mir meine früheren Trainingsaufzeichnungen anschaue, dann kommen mir bei diesen Zeiten die Tränen. Am heftigsten wird es beim Blick auf die 400er und 200er. Die ersten 400er lief ich in 1:25 min. Unfassbar! Früher kamen die locker in 68 sec. Das Erstaunliche ist, dass es sich beim Laufen genauso anfühlt hat wie früher. Nun nahm ich nicht an, dass die Jahre ausgerechnet an mir spurlos vorbei gegangen sind. Auch mir ist unser Altersrechner bekannt ;-) Aber 17 sec über 400 m? Gut, beim zweiten Versuch mit 10x400 m lag die Durchschnittszeit schon bei 1:18,8 min und den letzten konnte ich mir mit letztem Einsatz in 1:16,5 min rausquetschen.
Also war Nachdenken angesagt was im Alter anders ist (auch wenn man es nicht wahrhaben will) und was zu tun ist um max. Ergebnisse zu erzielen. Das erste „Experiment“ diesbezüglich habe ich letzte Woche gestartet und werde es noch 3 Wochen weiterführen. Was ich dann genau gemacht habe sowie vom Ergebnis dessen, werde ich dir in 4 Wochen an dieser Stelle berichten.
Aber auch vorher gibt es in den kommenden Wochen einige Beiträge zu Möglichkeiten der Leistungssteigerung allgemein und in höherem Alter.
Ich habe mich entschlossen mein Garmin-Profil vorläufig zu veröffentlichen. Hier kannst du mein Training seit dem Sommer nachvollziehen und mir gern den einen oder anderen vernichtenden Kommentar hinterlassen ;-)