Manchmal gibt es so was von Wasser auf meine Mühlen, dass sich diese schneller drehen als eine Wäscheschleuder. Heute am 25.10.2010 fand ich eine Nachricht im Newsletter von "Netdoktor" mit einem Inhalt, der mich vom Stuhl hochzog. Aber Achtung: Erschrecke nicht wegen des Titels, es klärt sich alles auf.
"Marathon: Überforderung schädigt das Herz
München (netdoktor.de) - Marathon ist ein Massensport geworden. Doch längst nicht jeder Läufer ist fit genug für den langen Lauf. Überfordern sich schlecht Trainierte, erholt sich das Herz erst nach drei Monaten. Das ist das Ergebnis einer Studie, die auf dem Canadian Cardiovascular Congress 2010 vorgestellt wurde.
"Marathonläufer sind oft viel schlechter in Form, als sie denken", erklärt Studienleiter Eric Larose von der Heart and Stroke Foundation. Das sei oft nicht unmittelbar spürbar: Wenn Teile des Herzens verletzt oder erschöpft sind, übernehmen andere Bereiche die Arbeit. Dieser Schutzmechanismus bewirkt, das das Herz insgesamt stärker und leistungsfähiger erscheint als es tatsächlich ist - und Schaden nehmen kann.
Für die Studie untersuchte das Team um Larose gesunde Amateurläufer sechs Wochen vor und acht Wochen nach dem Lauf. Die Sportler unterzogen sich einer Blutanalyse, einer Magnetresonanztomografie des Herzens und einem Leistungstest. Für letzteren setzten die Forscher den sogenannten VO2 max ein, der den exakten Sauerstoffverbrauch des Körpers misst. Damit lässt sich die Belastungsgrenze eines Läufers weit zuverlässiger ermitteln als mit anderen Verfahren.
"Wir haben festgestellt, dass Läufer, die sich weniger gut auf den Marathon vorbereitet hatten, beim VO2-Test schlechter abschnitten", berichtet Larose. Im Vergleich zu besser trainierten Läufern dehydrierten sie schneller und ihre Herzen zeigten anschließend größere Schäden. In der Folge war ihre Herzfunktion nach dem Lauf stärker eingeschränkt. "Glücklicherweise sind die Veränderungen reversibel", erklärt der Wissenschaftler. Allerdings könne es bis zu drei Monate dauern, bis sich das Organ erholt hat. (cf)"
Das ist ja nun erst einmal erschreckend und du wirst dich fragen, warum denn diese Zeilen "Wasser auf meine Mühlen sind". Du kannst aus dem vorhergehenden Text unschwerlich herauslesen, dass die Gefährdung des Herzens meist schlecht trainierte Läufer betrifft.
Und da kommen wir zum Punkt: Schlecht trainierte Läufer(innen) sind die, die sich mit einer nicht ausreichenden Anzahl von km, von einer zu kurzen maximalen Streckenlänge im Training und einer zu geringen Intensität vorbereiten. |
Besonders die Distanz der längsten Trainingsstrecke ist von eminenter Wichtigkeit. Du wirst sicher wissen, dass ich geradezu gebetmühlenartig predige, dass unter 35 km als längste Strecke nichts geht im Marathontraining. Dem gegenüber stehen aber einige, wie sich in dieser Studie zeigt Unverantwortliche. Die aus welchen Gründen auch immer raten maximal nur 30, wenn nicht sogar nur 25 km als längste Strecke im Marathon-Training zu laufen.
Mir kommt bei diesen Ratschlägen die Galle hoch. Das ist entweder fahrlässiges Einschmeicheln, Unwissenheit oder sogar Dummheit. Dahinter steckt auch eine kundenfangende Idee, die in etwa Folgendes ausdrücken soll: "Bei mir musst du nur 30 km laufen und schaffst es dennoch. Wie du siehst bin ich ein guter Trainer, der dich schont und dich nicht in das Übertraining treibt." Meist kommt dann noch der Hinweis über den "Menschenschinder" Greif, der alle seine Leute bedingungslos kaputt trainiert.
Dieser Studie nach ist es doch wohl umgekehrt, die herumeiernden Trainer sind die Verantwortungslosen.
Vor einigen Jahren, als Dieter Baumann bei seinem ersten Marathon schmählich versagte, äußerte ich mich dazu in diesem Newsletter. Seine Frau und Trainerin antwortete mir darauf sinngemäß, dass ich so ziemlich alles falsch mache, besonders, dass die Läufer(innen) bei mir alle 35 km laufen müssen, sei verwerflich.
Sie fragte mich, ob ich denn überhaupt wisse, wie lange ein über 4 h-Läufer für ein 35 km-Training brauche. Das könne man doch niemanden zumuten. Ich schrieb ihr dann zurück, ob denn für die über 4 h-Läufer die Marathonstrecke kürzer wäre, als die für die 3 h-Läufer. Und ich wies damals schon darauf hin, welche Schäden sich dabei ein un- oder schlechttrainierter Läufer im Marathonwettkampf zuziehen kann.
Denn ich bin zwar ziemlich dämlich geboren, habe aber in meinem Leben nicht verlernt zu lernen. Und ich vergesse niemals, wie lange ich nach meinem ersten Marathon kaputt war. Den bestritt ich mit einem Programm, welches aus einem einzigen Mal 30 km und sonst nur 20 km-Läufen bestand. Sinnbildlich hing ich danach mehr als 14 Tage über der Barriere.
Und ich spüre noch heute wie schnell ich wieder fit nach den Marathons war, nach dem in mein Programm regelmäßig die 35-er einflossen. Die Unterschiede sind kaum zu beschreiben. Man kann zwar an Studien zweifeln, aber nicht an praktischen Erfahrungen. Wenn andere diese nicht machen, dann liegt es daran, dass sie nicht ihr Bestes geben wollen, sondern nur die Marathonstrecke durchstehen möchten. Von so einer Struktur bin ich leider weit entfernt.
Marathon ist ein Wettkampf und keine Tempowanderung. Jeder kann selbstverständlich seine Einstellung zu diesem Rennen so halten wie gewünscht. Und ich schaue auch nicht auf diejenigen herab, die es langsamer angehen lassen wollen. Doch dann soll man uns Leistungsorientierte auch unsere Wege gehen lassen und nicht behaupten 35 km-Training auf einmal sei falsch.
Aber zurück zu Isabell Baumann. Insgesamt war und ist ihre Idee, den Langsameren weniger Training zuzumuten zu müssen, auch völlig unlogisch. Denn wer sein Training gleich professionell angeht, läuft praktisch nach kurzer Zeit schon unter 4 h. Dann braucht er nicht mehr so lange zum Training, hat ein neues Selbstbewusstsein, ist glücklicher und macht sich auf den Weg zu neuen Zielen.
Die investierten langen Trainingsstunden für die ersten Versuche auf den 35 km zahlen sich ganz schnell aus. Mit unserer früheren Leistungstruppe waren wir im Formbereich regelmäßig nach 2:45 h schon wieder vom langen Training zurück. Das schafft zwar nicht jeder, aber in 3:30 h können das auch durchschnittliche Läufer(innen) erreichen.
Es ist im Leben immer so, wer etwas bewirken will, der muss arbeiten. Und wenn dir jemand sagt, dass du dein Ziel mit wenig Arbeit erreichen kannst, dann handelt dieser Mensch unredlich. Er will sich nur bei dir einschmeicheln oder dich ganz bewusst vom großen Leistungsfortschritt fern halten. Sei und bleibe kritisch.
Aber außer harter Arbeit gibt es noch geschickte Arbeit. Und dass unsere Clubmitglieder auch dies umsetzen, kann jeder hier in diesem Newsletter oder in der Liste Bestzeiten der Greifclub-Mitglieder nachlesen. Da fehlen dann den Umfangsignoranten die Argumente, denn gegen Fakten kämpfen sie vergeblich. Das Einzige was denen dann bleibt, ist: "Das sind ja alles Profis."
So! Das wollte ich mir einmal von der Seele schreiben, damit endlich einmal diese Abwehr- und Verdummungsschlachten in den Foren aufhören, in denen immer wieder auf wenig Training als die seligmachende Erfolgsstrategie hingewiesen wird.
Nicht dass ich jemals in so ein Forum gehe, das kann mein alter Kopf nicht mehr aushalten, aber es wird mir aus meiner Umgebung genügend darüber berichtet. Du kannst deine Meinung dazu gerne einmal in unserem Forum abgeben. Ich werde in der Zwischenzeit die Türen verriegeln, eine zweite Firewall aufbauen und jede Nacht in einem anderen Bett schlafen. Denn ich erwarte täglich den Angriff derer, denen ich heute auf die Füße getreten habe. :-))
Aber wie heißt es so schön? Wem der Anzug passt, der zieht ihn sich auch an.